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Peter Sloterdijk - ein Tröster, dem Bescheidenheit zuwächst!?

für jemanden, der heute einen runden Geburtstag begeht - ein paar sympathiegeschuldete Impressionen mit der Hilfe von Thomas E. Schmidt (ZEIT 47/23)

"Mon dieu, als ich noch alles wußte, da war ich ein ziemlich laut tönendes Erz und eine überklug klingende Schelle." Thomas E. Schmidt, der seine Besprechung des dritten Bandes von Zeilen Tage von Peter Sloterdijk (Suhrkamp - Berlin 2023) mit Der alternde Zarathustra überschreibt, wählt aus der Vielzahl und Vielgestaltigkeit des Zitierbaren u.a. diese - Bescheidenheit und Einsicht in die eigenen Grenzen signalisierende - Fundstelle aus den auf 583 Seiten zusammengestellten Tagebuchnotizen aus. Möglicherweise neigte ich, der seine eigenen Überlegungen mit einem überreichen Zitaten- und Fundstellenschatz aus den Sloterdijkschen mäandernden Absonderungen unterfüttert, auch zu der Unterstellung, "dass Peter Sloterdijk von seiner Position aus klarer sehe, schon indem er mutiger erschien".

Wie gehen wir durch die Geschichte - wie geht Geschichte durch uns hindurch?

Dieses Jahr gibt es von mir keinen Adventskalender - der Advent 2023 hat mir aber eine der schönsten Geschichten der letzten Jahre geschenkt!

Was sind Diskurse? fragt Peter Sloterdijk in seinem dritten Band von Zeilen und Tage (Notizen 2013-2016, Suhrkamp 2023). Seine Antwort: "Schemata des Aussagens von Sachverhalten. Floskelsysteme, Formulierungsroutinen." Anfang November erwischte mich covid19 zum zweiten Mal (zumindest meiner Kenntnis nach - validiert durch einen tatsächlich durchgeführten Test). Noch ein wenig reduzierter in meinen Außenkontakten kam mir eine merkwürdig schlichte, aber gleichermaßen faszinierende Idee. Seit meinem ersten Umzug (1974) trage ich mit mir anwachsende Kartons mit Bilderfluten in die Welt - seit gut zwanzig Jahren nicht mehr so sehr materialisiert (auf Fotokarton), sondern eher als digitale Friedhöfe, in denen sich sichtbare Zeugnisse unseres Driftens durch diese Welt manifestieren. Aber auch in den besagten Kartons mögen es weit mehr als mehrere tausend belichtete Fotoleichen sein, die hier ein merkwürdig invariantes Dasein fristen. So kam ich also auf die Idee diese Kartons zu öffnen und mir eine aufmerksame bis ängstliche Auseinandersetzung mit einer Unzahl aufs Papier gebannter Augenblicke zuzumuten. Sekündlich war klar, dass Fotos in erster Linie Papiermüll darstellen, gestattet man ihnen nicht eine sinnerzeugende - zumindest sinnahnende - Belichtung gewissermaßen durch Erinnerungsarbeit. Schreibintensive und -gebundene Versuche meinerseits sind inzwischen Legende. Auch in diesen Versuchen haben Fotos einen Kontext gefunden; erst durch Kontextualisierung werden Zugänge möglich.

Warum es sich gerade heute lohnt, einen Aufsatz von Jürgen Habermas aus dem Jahr 1984 noch einmal zu lesen - eine erste Skizze zum 25. Todestag Niklas Luhmanns:

Der normative Gehalt der Moderne – Exkurs zu Luhmanns systemtheoretischer Aneignung der subjektphilosophischen Erbmasse, in: Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne, Zwölf Vorlesungen, Frankfurt 1985, Seite 426-445

Der Leitfaden in allen Überlegungen, auf die sich Jürgen Habermas konzentriert, ist nach eigenem Bekunden die Begründung und Herleitung einer kommunikativen Vernunft. In zwölf Vorlesungen setzt er sich mit ideengeschichtlichen Hintergründen der von ihm als unvollendetes Projekt begriffenen Moderne auseinander. Ich gehe hier lediglich auf die zwölfte Vorlesung ein, die – wie Habermas bekennt – eigens für den Suhrkamp-Band ausgearbeitet worden ist. Diese Beschränkung wird ihrerseits noch einmal einer Beschränkung unterzogen, indem der Versuch, das Kernstück der gesamten Philosophie Habermasens – die Begründung und Aufrechterhaltung einer kommunikativen Vernunft – gegen Niklas Luhmann zu positionieren in einer katastrophalen Dekonstruktion der eigenen Prämissen endet. Sehr viel ambitionierter und umfassender lässt sich dies im Übrigen bei Norbert Bolz nachlesen.

Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte

Im Folgenden eine kleine Auskopplung aus meinem aktuellen Großvorhaben Das lyrische Ich als Instanz der Selbst- und Weltbeobachtung. Dieses Vorhaben wird - hoffentlich - zu meinem 72sten Geburtstag auch als kleines Büchlein vorliegen - zum Blättern, Schmöckern, Schmunzeln und Innehalten - nein es wird dauern, gewiss noch ein halbes Jahr(:-))

Details

Veröffentlicht: 16. April 2023

Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte (Jorge Luis Borges)


Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte,
im nächsten Leben würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen.
Ich würde nicht so perfekt sein wollen,
ich würde mich mehr entspannen,
ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gewesen bin,

Das lyrische Ich als Instanz der Selbst- und Weltbeobachtung – neue und alte Gedichte neu gerahmt (Einleitung zu meinem geplanten Gedichtband: Kurz vor Schluss III) - ach Quatsch: Ich stelle die Mosaiksteine dazu schon einmal nach und nach online(:-)

siehe dazu auch erste Mosaiksteine: Das lyrische Klärwerk

Einleitung

Wie viel Selbstbeobachtung ist sinnvoll, (v)erträglich – zielführend? Zielführend? Welches Ziel sollte man mit Selbstbeobachtung verfolgen, möglicherweise mit einer kritischen Selbstbeobachtung? In welchen Verhältnis stehen Welt- und Selbstbeobachtung zueinander? Leben ist immer jetzt, sagen die einen: Schau nicht zurück, lebe Dein Leben nach vorn – in vollen Zügen! Es gibt keine Zukunft ohne Vergangenheit sagen die anderen – oder wie Odo Marquard bemerkte: Zukunft braucht Herkunft! Vergangenheitsbewältigung war eines der geflügelten Worte in der jungen Bundesrepublik – von den einen vehement gefordert, von den anderen als unnützer Ballast in Zeiten des Wirtschaftswunders empfunden. Wie immer, wenn ich das Wort ergreife, umgehe ich nicht die Fallstricke, die uns alle umgeben, die sich verführerisch drapieren, wenn Vergangenheit, Gegenwart  und Zukunft ineinandergreifen. Das ist selbstverständlich in besonderem Maß der Fall, wenn die Vergangenheit schon bei weitem überwiegt – 72 Jahre angehäuft hat – und Zukunft wohl mehr als überschaubar erscheint. Am Ende braucht man eine Geschichte, dass das Leben nicht vergeudet war, meint Eva von Redecker. Einen Freund aus alten Zeiten -  wie mancheine(n) versetzt diese Idee mächtig in Harnisch.

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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