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Jeder Zwölfte vertritt rechte Positionen

Warum ich die Entgleisungen von Hubert Aiwanger im Kontext der gegenwärtigen Demokratieverächtlichkeit für so unerträglich halte. Ich beziehe mich auf die Kontroversen zu Beginn von covid19 (dazu zwei Beiträge aus 2020) und reichere sie an mit aktuellen Vorkommnissen und Ereignissen:

Die Ausgabe der Rhein-Zeitung vom 22. September 2023 titelt mit dem Beitrag: Jeder Zwölfte vertritt rechte Positionen: "Die Studie der Universität Bielefeld definiert als zentrales Merkmal des Rechtsextremismus >eine Ideologie der Ungleichwertigkeit und Gewalt bzw. der Billigung von Gewalt zur Durchsetzung der Ideologie<." Dieses Gedankengut markiert in der deutschen Geschichte eine Traditionslinie, deren ideologische Begründung und Rechtfertigung durch den NS-nahen Staatsrechtler Carl Schmitt entscheidend mitbegründet worden ist (Der Begriff des Politischen, Berlin 1932 – siehe weiter unten). Aiwanger tönt ja ganz im Sprachgestus der AfD, die Menschen müssten sich die Demokratie zurückholen und die Entscheidungsträger in Berlin hätten ja wohl den Arsch auf. Ich frage mich seit geraumer Zeit, wer in Deutschland wirklich den Arsch auf hat bzw. wer in Deutschland mit dem Arsch denkt und auf jeglichen Verstand scheisst?

An die Dummenbürger I (aus 2020)

Heute richtig harter Tabak - meine Abrechnung mit Corona-Leugnern

Es drängt einen wenig danach, sich in den aktuellen Diskurs um die pandemische Notlage und ihre ganz und gar unterschiedliche bis gegensätzliche Wahrnehmung einzuschalten. Mit Bernd Ulrich gemeinsam habe ich das für meinen Teil bereits im März/April 2020 getan (auch in Schriftform). Gleichwohl muss jeder (selbst-)bewusste Demokrat mit republikanischer Erdung noch einmal klar Position beziehen – dies vor allem mit Blick auf die unerträglich wirkende Entwicklung in den neuen Ländern. Jede harte politische Auseinandersetzung kommt nicht ohne Polemik aus. So werden auch hier harte Worte fallen. Die Grundlage jedoch beziehe ich aus einer Lektüre Zygmunt Baumans (Jg. 1925); gebürtiger Pole, der 1971 einem Ruf an die University of Leeds folgte. Er starb im Januar 2017 ebenda, in Leeds.

1997 legte er eine Aufsatzsammlung unter dem Titel Unbehagen in der Moderne vor (in deutscher Übersetzung 1999 bei der Hamburger Edition). Ich beschränke mich hier auf die Einleitung, in deren Rahmen Zygmunt Bauman keine Zweifel lässt an seiner Orientierung an Sigmund Freuds Unbehagen in der Kultur. (auch als massive Bremsspur in meiner Selbstauskunft). Unmittelbar anknüpfend an Das Unbehagen in der Kultur, stellt Baumann die These in den Raum, dass die individuelle Freiheit den höchsten Rang einnehme. Sie – die Freiheit – sei heute der Wert, anhand dessen alle anderen Werte beurteilt würden. Sie sei das Richtmaß, an dem der tiefere Sinn aller überindividuellen Regeln und Entscheidungen auszumachen sei. Damit haben wir sozusagen die Blaupause – die Grundorientierung -, an der sich gegenwärtig die Konflikt- und Bruchlinien im aktuellen Diskurs um die Einschränkungen der Grundrechte in pandemischer Notlage scheiden lassen. Wenn ich nun im Folgenden eine längere Passage aus der Einleitung Zygmunt Baumanns wiedergebe, dann markieren wir damit eine Frontlinie, die vielleicht hilfreich ist bei der Einordnung und Bewertung verschiedener Positionen. Schlagen wir zunächst einmal mit Zygmunt Baumann die Brücke zwischen der Moderne und der von Baumann davon abgegrenzten Postmoderne. Die von ihm tendenziell angenommene Umkehrung von Werten – oder vielleicht nur Wertigkeiten – offenbart einen radikalen Sichtwechsel in der Wahrnehmung des Verhältnisses von (öffentlicher) Regulierung, öffentlichen Eingriffen in Freiheitsrechte auf der einen Seite und einem radikalen Freiheitsbegriff auf der anderen Seite:

„Man gewinnt etwas, und man verliert etwas im Gegenzug: Die alte Regel ist heute so gültig wie damals. Nur haben Gewinn und Verlust den Platz getauscht: Postmoderne Männer und Frauen haben ein Stück ihrer Sicherheitsmöglichkeit gegen ein Stück Glück eingetauscht. Das Unbehagen in der Moderne erwuchs aus einer Art Sicherheit, die im Streben nach dem individuellen Glück zu wenig Freiheit tolerierte. Das ‚Unbehagen der Postmoderne‘ entsteht aus einer Freiheit, die auf der Suche nach Lustgewinn zu wenig individuelle Sicherheit toleriert (S. 11).“

Ich räume ein, dass nun ein philosophischer Diskurs entsteht, der den meisten Protestlern am Arsch vorbeigeht. In den neuen Ländern – in Sachsen und Thüringen in Sonderheit – scheint das die meisten Menschen wenig zu interessieren. Sie protestieren aus Prinzip, weil sie staatliche Regulation satt haben, zumal die älteren unter ihnen, die noch wissen, was Staatssicherheit als Vorrangprinzip bedeutet. Wohlgemerkt: Dabei – bei dem Trauma das mit dem Vorrang von Staatssicherheit einhergeht - geht es nicht um gesellschaftliche Interessen. Hier geht es ausschließlich um die Sicherheit eines Staatsapparats, dessen Legitimität schon lange vor dem endgültigen Zusammenbruch einem zunehmenden Erosionsprozess unterlegen war. Politische Sozialisation und politische Bildung kam und kommt hier eindeutig zu spät. Es gibt offenkundig in den neuen Bundesländern eine beträchtliche Anzahl an politisch Ungebildeten, die nicht in der Lage sind zwischen Gewaltenteilung und rechtsstaatlichen Prinzipien auf der einen Seite und einem Staatssicherheitsbedürfnis in einem totalitären Unrechtsstaat zu unterscheiden. Ganz nebenbei bemerkt bekommen wir das drastisch zu spüren, wenn in Ungarn und Polen auch die Nomenklatura diese Unterscheidung als rote Linie missachtet und zurückweist. Wir haben es hier schlicht mit einem generativen Geschehen zu tun. Eine Generation reicht nicht aus, um in Europa wirklich anzukommen! Gehen wir zurück zu Zygmunt Baumanns Argumentation (Baumann kennt im Übrigen die Mechanismen totalitärer Machtausübung aus seinem ersten Leben in Polen und in der Sowjetunion). Er schreibt:

„Jeder Wert ist (wie Georg Simmel vor langer Zeit bemerkte) ein solcher nur durch den Verlust anderer Werte, den man um seinetwillen zu erleiden hat. Doch das drängendste Verlangen verspürt man gerade nach dem, was einem am stärksten fehlt. Die Herrlichkeiten der Freiheit glänzen dann am hellsten, wenn die Freiheit auf dem Altar der Sicherheit geopfert wird. Soll hingegen die Sicherheit im Tempel individueller Freiheit geopfert werden, raubt sie nun ihrerseits ihrem früheren Opfer viel von seinem Glanz. Litten die Sicherheitsbedürftigen unter langweiligen und eintönigen Tagen, so sind die schlaflosen Nächte der Fluch der Freien. In beiden Fällen geht das Glück über Bord. Hören wir noch einmal Freud: ‚Wir sind so eingerichtet, dass wir nur den Kontrast genießen können, den Zustand nur sehr wenig‘. Warum? ‚Was man nämlich im strengsten Sinne Glück heißt, entspringt der eher plötzlichen Befriedigung hoch aufgestauter Bedürfnisse und ist seiner Natur nach nur als episodisches Phänomen möglich‘. Und daher garantiert eine Freiheit ohne Sicherheit keinen zuverlässigeren Nachschub an Glück als eine Sicherheit ohne Freiheit (S. 11f.).“

Es gibt ganz offenkundig mindestes zwei Variablen mit Blick auf die Bewertung dieser vernünftig erscheinenden Unterscheidung: Die eine hängt mit dem Alter zusammen, die andere mit der Verankerung in einem Werteverständnis und einer Wertegemeinschaft, die zumindest dazu qualifiziert, zu begreifen, dass partieller Triebverzicht bzw. –aufschub eine wirksame Balance zustande zu bringen vermag, die vermeiden hilft – um mit Zygmunt Baumann zu reden –, dass das Glück zur Gänze über Bord geht. So enden seine einleitenden Bemerkungen mit folgenden Hinweisen:

„Es gibt keinen Gewinn ohne Verlust, und die Hoffnung auf eine wunderbare Bereinigung des Gewinns von Verlusten ist so eitel wie der sprichwörtliche Traum vom kostenlosen Mittagessen. Doch Gewinn und Verlust einer jeglichen Anordnung menschlichen Zusammenlebens sind sorgfältig gegeneinander abzuwägen, damit man nach einem optimalen Gleichgewicht zwischen diesen beiden suchen kann – selbst dann, wenn (oder eher weil) uns, die postmodernen Männer und Frauen, eine mühsam erworbene Nüchternheit und Einsicht davor bewahren, uns angenehmen Phantasien hinzugeben: Phantasien von einer Bilanz, die nur eine Habenseite aufweist (S. 12).“

Das wirklich und nachhaltig Erschreckende ergibt sich, wenn man Corona-Leugnern, Querdenkern und ideologisch gebrieften Impfgegnern – von Reichsbürgern und totalitär Gesinnten jeglicher Couleur ganz abgesehen – aufmerksam zuhört. Sie erweisen sich tatsächlich – bilanztechnisch – als auf einem Auge blind. Die radikale Fixierung auf die HABEN-Seite (die Seite des Haben-Wollens) verhindert wirksam und nachhaltig, das Bitten (und auch das Flehen) derer überhaupt noch zu hören, die einerseits unmittelbar medizinisch in Notlagen geraten, weil sie nicht behandelt, operiert werden können, und die andererseits als medizinisches Personal den zunehmenden Pfropf abarbeiten müssen, mit dem die Ungeimpften die Intensivstationen verstopfen – ein Pfropf, der vermeidbar gewesen wäre. Selbst die nun erkennbar dumme Haltung Joshua Kimmichs erreicht die an Hirnverhärtung leidenden Chefideologinnen und –ideologen der Corona-Leugner nicht.

Mir wiederum ginge dies gewiss gerade am Arsch vorbei, wenn die Damen und Herren in der Dummen-Ecke all dies mit sich und unter sich ausmachen könnten – als Reichsbürger:innen irgendwo in einem noch bereitzustellenden Niemandsland, in dem sie niemanden mehr sehen müssten – niemandem mehr begegnen würden, der Zygmunt Baumanns und Sigmund Freuds Lektion gelernt hat und willens ist sie zu beherzigen.

An die Dummenbürger II (ebenfalls aus dem Jahr 2020)

Miriam Lau hat mir den Gefallen getan, einmal in einem kurzen Artikel in der ZEIT (2/2020, S. 3) die Veränderungen der politischen Kultur innerhalb des Parlaments zu thematisieren. Und plötzlich macht ein Goebbels-Zitat aus dem Jahre 1928 die Runde, als der NSDAP-Politiker folgendes vernehmen ließen:

"Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen (...) Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrtkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre Sache. Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir."

Vorweg: Miriam Laus Artikel kommt leider daher wie sehr dünnes Bier. Gleichwohl bestätigt er, dass es einfach zu billig ist, Gauland und Konsorten als Drecksäue zu bezeichnen. Und sehr viel wesentlicher wird es sein, wie mehr oder weniger belämmert wir - die Schafherde - sich in den nächsten Wahlrunden und grundsätzlich verhalten wird. Dazu benötigen wir eine gute Portion Starkbier.

"Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir."

Zu Beginn der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts - auch gegen Ende der 20er Jahre, also 1928, haben das nicht alle wirklich ernst genommen, viele haben es schlicht zu leicht genommen. Wenn dieses Zitat schon unter den Bundestagsabgeordneten kursiert, und wenn Gauland, Höcke oder jener Stephan Brandner den Delegierten auf dem jüngsten AfD-Parteitag offenkundig nach dem Verlust des Vorsitzes des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag zugerufen hat: "Jetzt bin ich von der Kette gelassen", wenn diese und andere also keine Gelegenheit auslassen, zu betonen, dass man sie jagen werde, dass man sich die deutsche Geschichte zurückholen werde - wenn dies so ist, wenn also Begriffe - wie Jürgen Habermas sagt -  aus dem Wörterbuch des Unmenschen, wie Volksverräterentartete Politik oder Umvolkung bzw. des Völkischen wieder hoffähig gemacht werden, dann ist es an der Zeit sich zu besinnen und einmal zu schauen, wie denn der binäre Code von

Freund - Feind

theoretisch begründet und praktisch angewandt worden ist: Carl Schmitt führt dazu in seiner 1932 veröffentlichten und 1963 nachgedruckten Schrift "Der Begriff des Politischen" (Berlin, 7. Auflage 2002 - 5. Nachdruck d. Ausg. v. 1963) folgendes aus (alle Hervorhebungen - Fettdruck durch mich):

"Eine Begriffsbestimmung des Politischen kann nur durch Aufdeckung und Feststelllung der spezifisch politischen Kategorien gewonnen werden. Das Politische hat nämlich seine eigenen Kriterien, die gegenüber den verschiedenen, relativ selbständigen Sachgebieten menschlichen Denkens und Handelns, insbesondere dem Moralischen, Ästhetischen, Ökonomischen in eigenartiger Weise wirksam werden. Das Politische muß deshalb in eigenen letzten Unterscheidungen liegen, auf die alles im spezifischen Sinne politische Handeln zurückgeführt werden kann. Nehmen wir an, daß auf dem Gebiet des Moralischen die letzten Unterscheidungen Gut und Böse sind; im Ästhetischen Schön und Häßlich; im Ökonomischen Nützlich und Schädlich oder beispielsweise Rentabel und Nicht-Rentabel. Die Frage ist dann, ob es auch eine besondere, jenen anderen Unterscheidungen zwar nicht gleichartige und analoge, aber von ihnen doch unabhängige, selbständige und als solche ohne weiteres eineleuchtende Unterscheidung als einfaches Kriterium des Politischen gibt und worin sie besteht (S. 26)?"

Carl Schmitt nimmt nun eine Unterscheidung vor, die fortan sein gesamtes staats- und gesellschaftspolitisches Koordinatensystem dominiert:

"Die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von

Freund und Feind (S. 26)."

Carl Schmitt präzisiert im Folgenden die angebotene Definition mit äußerster Schärfe:

"Wenn der Gegensatz von Gut und Böse nicht ohne weiteres und einfach mit dem von Schön  und Häßlich oder Nützlich und Schädlich identisch ist und nicht unmittelbar auf ihn reduziert werden darf, so darf der Gegensatz von Freund und Feind noch weniger mit einem jener anderen Gegensätze verwechselt oder vermengt werden. Die Unterscheidung von Freund und Feind hat den Sinn, den äußersten Intensitätsgrad einer Verbindung oder Trennung, einer Assoziation oder Dissoziation zu bezeichnen [...] Der politische Feind braucht nicht moralisch böse, er bracht nicht ästhetisch häßlich zu sein; er muß nicht als wirschaftlicher Konkurrent auftreten, und es kann vielleicht sogar vorteilhaft erscheinen, mit ihm Geschäfte zu machen. Er ist eben der andere, der Fremde, und es genügt zu seinem Wesen, daß er in einem besonders intensiven Sinne existentiell etwas anderes und Fremdes ist, so daß im extremen Fall Konflikte mit ihm möglich sind, die weder durch eine im voraus getroffene Normierung, noch durch den Spruch eines 'unbeteiligten' und daher 'unparteiischen Dritten entschieden werden könnten (S. 27)."

Carl Schmitt geht es um eine "der realen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen, die einer ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht" (S. 29). Wenn wir nun noch lesen, dass die Begriffe Freund und Feind in ihrem "konkreten, existentiellen Sinn" zu nehmen sind undnicht als "Methaphern oder Symbole", dass sie "nicht vermischt und abgeschwächt durch ökonomische, moralische und andere Vorstellungen, am wenigsten in einem privat-individualistischen Sinne psychologisch als Ausdruck privater Gefühle und Tendenzen", dann gelangen wir quasi-automatisch und zwangsläufig zu der aberwitzigen von Heinrich Himmler in seiner berüchtigten Posener Geheimrede vom Oktober 1943 vor 200 NS-Würdenträgern geäußerten Auffassung: „Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammenliegen, wenn 500 oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht und ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.“

Carl Schmitt meint, was er sagt, denn:

"Der politische Gegensatz ist der intensivste und äußerste Gegensatz und jede konkrete Gegensätzlichkeit ist um so politischer, je mehr sie sich dem äußersten Punkte, der Freund-Feingruppierung, nähert (S. 30)."

Ich räume gerne ein, dass Carl Schmitt 1932 sicherlich nicht wirklich gesehen hat, wohin diese Begriffsbestimmung des Politischen führen sollte. Genau diese Annahme sollte uns warnen vor Blauäugigkeit und dem Versuch eine antidemokratische Grundhaltung demokratisch einzuhegen. Es wird zu überlegen sein, wie man sich die Schmittsche Zuspitzung des Politischen zu Eigen machen muss, wenn Antidemokraten - Feinde der Demokratie - demokratische Verfahren nutzen, um Ämter und Einfluss, schlicht Macht zu gewinnen. Die Absetzung Brandners stimmt in dieser Hinsicht durchaus zuversichtlich und Miriam Laus laue Darstellung des parlamentarischen Schulterschlusses diesseits der AfD ist ein Zeichen - aber nur solange es sich die CDU/CSU untersagt auch nur über den Hauch einer Kooperation mit der AfD nachzudenken.

Conclusio - cum ira et studio

Zumindest Wolfgang Klafki (im aufgerufenen Link Kapitel 3) zeigt uns in seinen Ausführungen einmal exemplarisch, wie man aus den sozialisationsbedingten Verstrickungen in die Nazi-Ideologie einen respektablen Weg findet. Auch wir - zumindest die große Überzahl - der in den 60er und 70er Jahren politisch Sozialisierten hat sich radikal von der Schmittschen Begriffsbestimmung des Politischen distanzieren können - mit Ernst Fraenkel, Karl Popper, Ralf Dahrendorf, Jürgen Habermas, schlicht mit den Vätern und Müttern des Grundgesetzes, übrigens auch mit Niklas Luhman, bei dem der binäre Code des Politischen auf die verfahrensmäßig regulierte Frage hinausläuft Ämter innezuhaben oder eben nicht. Letzteres wird nicht reichen, wenn es um die Frage geht, ob man den (erklärten) Feinden der Demokratie zugesteht auf legalem Wege Ämter zu beanspruchen mit dem Anspruch demokratische Verfahrensweisen in Frage zu stellen. Es geht hier um die Gratwanderung, die Schmittsche Typologisierung auf die Feinde der Demokratie anzuwenden. Ich weiß, wir können uns hier keine Anleihe bei Sus Scofra gestatten: Die Überlebensgarantie des Wildschweins - wir erinnern uns - hängt zentral zusammen mit dem Suhlen im Schlamm, dem damit möglichen Einhegen der Parasiten und ihrer Entledigung durch das Scheuern an den sogenannten Malbäumen. Aber als Metapher und symbolische Geste darf eine solche Phantasie doch wohl noch gestattet sein.

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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