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Meine Weihnachtsgeschichte 2024 (hier: die bebilderte Version aus 2023)

Vorbemerkung:

Bevor ich nun auch 2024 zum wiederholten Male meine Weihnachtsgeschichte anhänge, gibt es aktuell Trauriges und im Traurigen Versöhnliches zu berichten:

Am 3. Dezember 2023 – vor gut einem Jahr - haben wir im kleinen Kreis den 86sten Geburtstag meines Schwagers – (des ersten Mannes meiner Schwester) gefeiert. Den 87sten Geburtstag vor wenigen Tagen haben wir in der „Kleinen Perle“ in Bad Breisig begangen – jeder auf seine Weise, verteilt über den Tag (oder auch im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld eben durch Besuche im Pflegeheim). Der Jubilar hat im September 2024 einen Schlaganfall erlitten. Nach seiner ReHa bekam er einen Platz in besagtem Pflegeheim. Die große Familie betrachtete es als großes Glück und Segen, dass meine Schwester und mein Ex-Schwager sich eingehend versöhnt hatten, dass alle Reste von Hader und Ressentiments nun Vergangenheit waren. So hat auch meine Schwester ihn in Bad Breisig – einmal mit Astrid und einmal mit unserer Cousine Gaby besucht. Die Beglückung und die Erleichterung standen und stehen meinem Schwager jeweils ins Gesicht geschrieben, wenn man ihn darauf anspricht. In Gesprächen zeigt er sich – trotz aller eingetretenen kognitiven Beeinträchtigungen – erleichtert und mit sich im Reinen. Dass das nicht alle in der großen Familie so wahrnehmen und sehen können, mag man dem Umstand zuschreiben, dass nicht alle im Gleichschritt marschieren und dass möglicherweise jemand nicht bereit ist, seine lange gehegte und gepflegte Sonderrolle aufzugeben.

Philippa Perry: Wir müssen verstehen, worüber wir im Leben keine Kontrolle haben

Immer häufiger kommt mir in letzter Zeit die Weisheit in den Sinn:
Mach dir einen Plan, und das Schicksal fällt lachend vom Stuhl.

Philippa Perry – vor nicht allzu langer Zeit war es allein der Titel eines ihrer zum Bestseller gewordenen Bücher, der Neugier weckte: „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen (und deine Kinder werden froh sein, wenn du es gelesen hast).“ Das Buch, von dem die taz sagt: „Philippa Perry hat ein sehr kluges, geradezu weises Buch geschrieben“, steht seit einem Jahr unbeachtet im Regal (sollte sich in absehbarer Zeit ändern).

Nun bietet der aktuelle SPIEGEL (48/24) mir ein Interview mit Philippa Perry (Jg. 1957) an: Wir müssen verstehen, worüber wir im Leben keine Kontrolle haben: „Die Psychotherapeutin Philippa Perry erklärt, wie uns eine düstere Weltlage beeinflusst – und warum schon ein Stück Papier helfen kann, seelisch gesund zu bleiben.“

Vielen Dank, lieber Walter!

Ein Teil der 74er-Abiturienten des Are-Gymnasiums in Bad Neuenahr traf sich im September 2024, also 50 Jahre nach Verlassen der Schule, im Ahrtal. Wir verbrachten miteinander den Tag – wie Walter in seinem Brief anmerkt – nicht nur im Erinnern, sondern durchaus auf der Höhe der Zeit und im Bewusstsein sowohl des Friedensprivilegs (für die in den 50er Jahren Geborenen eine historisch nahezu singuläre Phase ohne Krieg in Kerneuropa) als auch der gegenwärtigen Herausforderungen mit einem Wiedererstarken rechtsextremer Strömungen.

Ich bin Walter sehr dankbar, dass er sozusagen das zivilisatorische Minimum auf den Punkt bringt, das uns alle verbindet (der Begriff des zivilisatorischen Minimums resultiert aus der Auseinandersetzung mit Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser). Ich nehme Walters Brief in meinen Blog auf und gebe ihn nachstehend wieder. Auch Walter weist eindringlich darauf hin, dass wir nach mehr als 75 Jahren sehen und wertschätzen können, wie weitblickend die Mütter und Väter des Grundgesetzes gedacht und agiert haben. Und auch wenn wir schon zu den jungen Alten gehören, darf das gewiss nicht bedeuten, dass wir auch nur ein Jota nachlassen im Einsatz für die demokratischen Grundwerte und die Demokratie in Deutschland und in Europa. Es war für mich ein interessantes Unterfangen mich mit Barbara Supp (Barbara Supp: Happy Birthday Boomer, SPIEGEL 33/24, Seite 9-15) einmal auf eine kohortenspezifische Einordnung einzulassen.

Nach meiner Versetzung in den Ruhestand 2017 habe ich meine Anstrengungen verstärkt insbesondere im Sinne einer Verschränkung von politischer Grundbildung mit den sichtbaren Konturen unserer individuellen Lebensläufe: Wir no-names sollten uns nicht verpissen, sondern uns der Anstrengung des Begriffs unterziehen - "die individuellen und kollektiven Flugbahnen verbinden" in  der Gewissheit, dass man "zwar vorwärts leben muss, aber nur rückwärts verstehen kann". Von Dirk Oschmann (Der Osten: eine westdeutsche Erfindung, Berlin 2023) habe ich diese - auf Sören Kierkegaard gegründete - Einsicht übernommen. Sie bedeutet eine Verpflichtung nicht nur zur Selbsteinsicht, sondern auch zur Selbstpositionierung! Das sind wir allein schon unseren Ahnen sowie unseren Kindern und Kindeskindern schuldig.

Tränen sind hartes Wasser

Zuweilen sind Tränen hartes Wasser,
das über Steine rann. (Gottfried Benn)

Doch ohne Tränen, ohne Wasser,
was bleibt außer Seelenwüsten dann?

Ohne uns und die Unsren zu bergen,
veröden die Seelen – vereisen die Herzen.

Wir schrumpfen zu Zwergen,
verloren im eigenen Ich;

begegnen nur Fremden
und Fremdem in uns;

Du sehnst dich nach Hause
und weißt nicht wohin?! (J. von Eichendorff)

Wo darf ich sterben,
selig geborgen?

Was sind das für Fragen,
was treibt uns um?

Wozu die Klagen,
als seien wir hilflos und dumm?

Du mußt dir alles geben,
Götter geben dir nicht? (Gottfried Benn)

Hast du dich selber geboren?
Kehrst selber dein Häuflein Asche zusamm'?

Leben und sterben, wo ich hingehöre

Was sollten wir an die Stelle von Schuldgefühlen setzen?
Barbara Bleisch: Die normative Kraft, die uns verpflichtet, sollte das lebendige Interesse aneinander oder, im besten Fall, die wechselseitige Liebe sein. Ich plädiere dafür, nicht von der Schuld, sondern von der Gabe her auf die Familie zu blicken. Wir sollten uns nicht fragen, was wir einander schuldig sind, sondern welche Gründe wir haben, uns umeinander zu sorgen. Zwischenmenschliche Beziehungen sind ja mit das Wichtigste, was wir in unserem Leben haben, weil wir eben gerade keine >solitären Pilze< sind, wie der Philosoph Thomas Hobbes geschrieben hat. Mir geht es darum, zu zeigen, dass die Antwort auf die Frage, was Kinder für ihre Eltern tun sollten, von ihrer Beziehung zu ihren Eltern abhängt und nicht allein am Verwandtschaftsverhältnis liegt. (Barbara Bleisch)

   
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