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Zwei lausige Dichter besingen das alte und das neue Jahr

Ein Duett mit Eugen Roth

Ein neues Jahr!
Besser als es das alte war?
Für Dich?
Für mich?

Es sind zuweilen laus'ge Dichter,
die sich gebärden oft als Richter;
sehn überall Gelegenheiten,
die unsrer Seelennot ein End bereiten.

Der Eugen Roth, der war so einer,
der kennt die Kandidaten:
Wähnt unsre Qualen kleiner,
säh er beherzte Taten:

Wir könnten miteinander reden,
und einander sehn.
Lieben – einen jeden?
Das nicht - doch mit Achtung könnt es gehn!?

Schlössen flugs Verträge,
 uns auch daran zu halten;
wir achteten das Schräge!
Und teilten die Gewalten.

Stattdessen sieht der Eugen,
wie wir den Rücken und die Seelen beugen.
Statt uns nun was zu raten,
beschreibt er unsre Taten.

Unsre Taten? Nein, er sieht uns klagen
und versäumen
statt dass wir wagen,
wovon wir nächtens träumen.

Neujahrsgrüße der eher humorvollen Art mit Joachim Meyerhoff

War das ein famoser Einstieg ins neue Jahr – Füße hoch, Kamin an, Beethoven auf dem Bildschirm und – wie jedes Jahr – unsägliches Feuerwerk über Güls, Neujahrsgrüße meiner Cousine aus den Dolomiten: Schneelage dramatisch (mit #unsere arme Umwelt), aber dafür wenigstens opulentes Silvestermenü der Kategorie: „Wer soll das schaffen?“

Wir genehmigen uns gegen 1.00 Uhr im neuen Jahre noch eine kleine Gute-Nacht-Bettlektüre und fallen mit einer so nicht erwarteten Lachattacke irgendwann in einen seligen Schlaf. Die Lachattacke verdanken wir Joachim Meyerhoff: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war, 41.(!) Auflage, Köln 2015.

Wir befinden uns im Kapitel Der große Klare aus dem Norden und nähern uns der Seite 125: Zur Einweihung eines neuen Bauabschnitts in der Landespsychiatrie wird Ministerpräsident Dr. Gerhard Stoltenberg erwartet, eben Der große Klare aus dem Norden. Vor unseren Augen – ich bin ja 52er Jahrgang, Claudia 56er Jahrgang – erscheint Gerhard Stoltenberg in seiner ganzen Größe (pardon Länge) vor allem mit seiner prononcierten Artikulation – einer gutturalen Phonetik, die ihm heute noch ein Alleinstellungsmerkmal sichert. Im Zuge seiner Funktion als Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein (von 1971-1982) kommt ihm – wie erwähnt – die Einweihung eines Erweiterungsbaus auf dem Gelände der Landespsychiatrie zu. Joachim Meyerhoffs Vater wurde 1971 ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Schleswig-Hesterberg. Die Familie lebte in einem Gebäude auf dem Gelände der Klinik. Dort verbrachte Joachim Meyerhoff seine Kindheit zusammen mit zwei älteren Brüdern, Martin und Hermann.

DER SPIEGEL 52/24 - Oma ist die Beste

Vorbemerkung: Es lohnt sich durchaus, sich mit dem gegenwärtigen Diskussionsstand zu grundlegenden familiensoziologischen bzw. -philosophischen Fragen auseinanderzusetzen, so beispielsweise mit dem Beitrag von Betzler/Löschke: Was ist eine Familie (bibliogr. Angaben im verlinkten Beitrag)

DER SPIEGEL (52/24) präsentiert sich mit der Headline: Oma ist die Beste – Neue Forschung: Wie Großeltern und Enkel einander stärken

„Was bleibt, wenn ein Mensch sich verändert, wenn die Persönlichkeit erlischt, wenn Großeltern sterben? Welche Oma-und-Opa-Geschichten behalten die Enkel zurück? Die tröstlichen oder eher die komischen, anstrengenden? Und verblassen sie nicht ohnehin irgendwann? Peter Hüll, der sportliche Großvater aus Pinneberg, will etwas erschaffen, das die Erinnerungen seiner Enkel an die Zeit mit ihm und seiner Frau lebendig hält. Jedes Jahr schenkt er jedem Enkelkind ein Fotobuch, >Beas erstes Jahr< steht auf dem einen, >Ennos viertes Jahr< auf einem anderen. Hüll nimmt die Bilder mit seiner Kamera auf. Er sammelt, sortiert, sucht die besten aus, lässt die Bücher drucken. Er selbst habe fast gar keine Bilder von sich und seinen Großeltern, sagt Hüll. Und das sei doch schade.“

Unter jedem Dach ein  A c h

Hommage an Benedict Wells (und auch an Erich Kästner)

angelehnt an Benedict Wells: Die Geschichten in uns, Zürich 2024
(Seitenzahlen in Klammern)

eine ausführliche Würdigung findet sich in: Benedict Wells - Die Geschichten in uns - Vom Schreiben und vom Leben I

 

Unter jedem Dach ein A c h

Ein alter Sinnspruch,
dass unter jedem Grabstein eine Weltgeschichte ruht –
unter jedem Dach ein Ach sich zeigt.

Benedict verleugnet gar seine Herkunft,
so groß und überwältigend muss das Ach gewesen sein:
Er heißt jetzt Wells – von well(s) done,
denn roh ist nicht zu genießen,
was selbst totgebraten noch im Halse stecken bleibt.

Hier gerät das Ach zum alles erdrückenden – Schir-ach:
Der Opa tatsächlich ein Obernazi – bis zuletzt:
„Ich hatte keine Worte für die Wut und Scham,
die ich angesichts meiner Vorfahren empfand“ (35).
der Vater ein Chaot -
die Mutter zuweilen statt lebendig fast schon tot. Und:
(„Die Frage, wer exzentrischer war, konnte sich je nach Schulden-
oder Medikamentenlage ändern“ <35>).

Peter Sloterdijk: Zur Welt kommen - Zur Sprache kommen (siehe auch: Benedict Wells)

Für meine Patenkinder

Zur Welt kommen – Zur Sprache kommen. Peter Sloterdijk öffnet Wege und Dimensionen der (Selbst-)Reflexion, indem er weit über die schlichte Registratur einer (nur) uns Menschen zukommenden Gabe der (Selbst-)Reflexion hinaus deren medialen Resonanzraum gleichermaßen in seiner - teils schmerzhaften - Bedingtheit wie als Möglichkeitsraum betrachtet und auslotet. Er deutet damit auch an, wie sehr sich Begabungen verschenken, verschleudern ans Hadern, ans selbstgerechte Sich-Grämen, statt vorzudringen zu dem was einem jeden von uns geschenkt ist – gleich aus welchen reinen oder verseuchten Wassern wir auch schöpfen mögen. Was damit gemeint sein könnte, hat Gottfried Benn en passent formuliert. Er behauptet Lyrik beispielsweise müsse exorbitant sein oder gar nicht. Das gehöre zu ihrem Wesen:

„Und zu ihrem Wesen gehört auch noch etwas anderes, eine tragische Erfahrung der Dichter an sich selbst: keiner auch der großen Lyriker unserer Zeit hat mehr als sechs bis acht vollendete Gedichte hinterlassen, die übrigen mögen interessant sein unter dem Gesichtspunkt des Biographischen oder Entwicklungsmäßigen des Autors, aber in sich ruhend, aus sich leuchtend, voll langer Faszination sind nur wenige – also  um diese sechs Gedichte die dreißig bis fünfzig Jahre Askese, Leiden und Kampf.“ (Probleme der Lyrik, Wiesbaden 1951, Seite 18)

   
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