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Carla Baum: Die Unersetzlichen

Für alle, die sich zwischen den Stühlen fühlen

Carla Baum: Die Unersetzlichen – Gemeinsame Zeit mit den Großeltern. Für unsere Autorin Carla Baum sind das die schönsten Kindheitserinnerungen. Über das Geheimnis einer besonderen Beziehung, in: ZEIT 54/24, Seite 29/30

Danke Carla Baum! Mein Dank spiegelt sich in einer  Schlüsselpassage wider – fast zum Schluss. Da heißt es:

„>Wir hatten nicht mehr damit gerechnet,  noch Großeltern zu werden<, sagte meine Oma manchmal. >Und dann kamst du.< Bei diesem Satz empfand ich immer Stolz, so als hätte ich ihnen mit meiner bloßen Existenz ein Geschenk gemacht.“

Liebe Carla Baum, den Konjunktiv können Sie vergessen. Zumindest aus dem Blickwinkel vieler Großeltern. Und all die wissenschaftsvalidierten Mosaiksteine, die Sie zusammengetragen haben, rahmen dieses Erleben für viele zu einer nachhaltigen Erkenntnis:

Necdet Avunc - so schreibt seine Tochter, Esrin Korff-Avunc - wurde am 4. September 1939 in Manisa in der Türkei geboren und wuchs in Izmir auf. Er kam mit Mitte zwanzig als Gastarbeiter nach Deutschland. Er heiratete eine Deutsche, wurde Bankkaufmann; die beiden - Necdet und Uta - wurden Eltern dreier Töchter. Ich zitiere nun einen Abschnitt aus Esrin Korff-Avuncs Artikel, mit dem sie in der ZEIT (17/21, S. 60) anlässlich des Traueraktes für die Toten der Corona-Zeit am 18.4.2021 den Verlust ihres Vaters beschreibt:

"Leider weiß ich nicht viel über die Kindheit meines Vaters in der Türkei, er sprach kaum davon. Allerdings: Von meiner Tochter Clara erfuhr ich jetzt, dass ihr Opa ihr vorschwärmte, wie er als Kind im Meer mir rosa Delfinen schwamm. Zu seiner Enkelin hatte er eine ganz besondere Bindung und sagte mir noch vor seinem Tod, dass es keine Worte für seine Liebe zu ihr gebe."

Ja, und jenseits dieser – für viele – so nachvollziehbaren Vorstellung, dass Enkelkinder durch ihre bloße Existenz ein Geschenk für ihre Großeltern sind, kann man dann auch nüchtern und empirisch validiert feststellen:

Im Anschluss an Carla Baums Beitrag, den ich gewiss noch ausführlicher würdigen werde – denn das Thema Familie und Großeltern prägt wesentliche Teile meines Blogs (hier ein passabler Einstieg) – findet sich ein Interview mit der Familienanwältin Franziska Hasselbach. Die Sinnhaftigkeit dieses Beitrags ergibt sich schon aus einem schichten Hinweis Carla Baums, die damit Bezug nimmt auf die Forschungsarbeiten Francois Höpflingers zu Mehrgenerationenbeziehungen:

„In den meisten Familien läuft es zwischen Großeltern, Eltern und Enkeln harmonisch ab. >Das ist bemerkenswert<, sagt Höpflinger, >denn es ist eine hochkomplexe Drei-Generationen-Beziehung.< Auf die Zwischengeneration komme es dabei an. Sei deren Kontakt zu den eigenen Eltern gut, gelte das auch für die Beziehung von Großeltern und Enkeln.“

Solche Erkenntnisse mögen trivial klingen. Sie scheinen allerdings folgenreicher zu sein, als wir uns das möglicherweise vorstellen:

Die Forschung gibt mir recht. Sie weiß längst, wie Kinder an der Liebe und Nähe ihrer Omas und Opas wachsen, sogar durch sie gesunden. Großeltern sind nach den Eltern oft die Ersten, die ein Kind auf der Welt begrüßen, es halten, ihm vermitteln: Du bist nicht allein. Psychologinnen und Psychologen wissen, dass Kinder mit der Gewissheit aufwachsen sollen, ja müssen, aufgefangen und geliebt zu werden. Und das am besten von mehreren Personen. Kinder, die eine enge Bindung an ihre Großeltern haben, sind erwiesenermaßen weniger gefährdet, später an einer Depression zu erkranken.“

Im Interview mit Franziska Hasselbach kommt die Sprache sehr schnell auf den „Klassiker“, der darin kulminiere, dass Paare mit Kindern sich trennten. Und dazu gehört dann idealtypisch das Leid einer Großmutter, die ihre Enkelkinder schon lange nicht mehr sehen konnte. Sie betont die Liebe zu ihren Enkelkindern, und dass es ihr das Herz breche, sie nicht sehen zu können.

Auswege gibt es aus der Erfahrung Franziska Hasselbachs nur über die Zwischengeneration. Bei Vor- oder Grundschulkindern gelte das Hauptaugenmerk, Kinder nicht in Loyalitätskonflikte zu stürzen. Sie empfiehlt Großeltern – wortwörtlich – wachsweich darum zu bitten, dass sie wenigstens etwas Kontakt zu den Enkeln haben dürfen. Und sie spricht – mit Blick auf Heranwachsende – davon, dass auch Enkel älter werden und irgendwann selbst entscheiden können, ob sie Kontakt zu ihren Großeltern haben wollen.

Ich verlinke den Beitrag zu Carla Baums Der Segen der Großeltern mit meinem letzten Beitrag zu der Frage: Was ist eine Familie und was macht eine Familie besonders?

Und damit man sehen kann, wie sehr das Lebensgefühl eines Großvaters von den Enkelkindern beflügelt wird (in diesem Fall August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens Nußknacker nachempfunden), Der Nußknacker und mein Büblein:

Der Nußknacker und mein Büblein, das heißt Leo

Du Büblein mir zur Seite,
Machst Freude mir und lässt  mich strahlen.
Ich wanderte mit dir
Durch Feld und Flur
Zu sammeln Nuss um Nuss!
Die trugen wir nach Hause voller Freude und Vergnügen.
Dort steht der Kerl, den unser Dichter meint, und wartet schon -
Stets hilfsbereit und uns zu Diensten.
Er hilft die Nüsse uns zu knacken
Mit seinen festen, dicken Backen.
Bei jedem knackknackknack
Seh ich dich nun vergnügt und ganz erwartungsfroh.
Denn auch wir beide wollen nun die Kerne gern verzehren,
Dem wackren Kerl, dem Nussknacker zu Ehren!

Der Nüsse sammelte ich schon viele und viele Jahre zieh ich durch die Flur.
Doch seit du da bist, strahlen alle Nüsse rein wie Edelsteine.
Mit dir zu sammeln, macht die Freude doppelt groß,
Weil deine Augen strahlen hell bei jedem knack, knack, knack!

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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