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Für einen Freund
Martin Buber hätte sich besser an Albert Einstein und Sigmund Freud gewandt - auch deren Erkenntnisse klingen bitter, aber eben nicht zynisch wie im Folgenden die Empfehlungen Gandhis an Martin Buber.
Seit dem Februar 2022 führen uns die Kontroversen um den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Dabei räume ich gerne ein, dass ich mich vermutlich - summa summarum - weiter auf meinen Freund zubewegt habe als umgekehrt. Inzwischen geht es mir überwiegend nur noch um die Dilemmata, die sich zwischen extremen Positionen eines radikalen Pazifismus und dem legitimen Recht auf Selbstverteidigung ergeben. Tief bin ich in den ideologischen Marianengraben eingestiegen und bin zu dem Ergebnis gelangt, dass Carl Schmitt über Immanuel Kant obsiegt. Heute lass ich schreiben. Ich werde zitieren aus: Heribert Prantl - Den Frieden gewinnen - Die Gewalt verlernen (Heyne Verlag, München 2024).
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Sonett für Mascha Kaléko
Denk ich der Tage, die vergangen sind,
Und all des Lichtes, das aus uns strahlte,
Da Zuversicht und Glaube Bilder malte,
Und aus goldnen Fäden unsere Zukunft spinnt.
Denk ich, wie Träume damals in uns ras(t)en,
Wie wir im Rausch entwarfen unser Land
Ganz zielgewiss mit starker Hand,
Das Land, zu dem die Braunen immer schon den Weg vergaßen.
Lasst uns als Wächter stehen vor den Toren
Und ringen wir um das, was falsch ist und was wahr.
Blau sei nur der Himmel, vertreiben wir die braune Schar;
Damit das Licht, das Licht in uns nicht geht verloren.
Nicht nur im Traume soll es glühn und funkeln.
Kein brauner Sumpf soll unsern Horizont verdunkeln.
Horst Krüger leitet den dtv-Band: Mascha Kaléko - Die paar leuchtenden Jahre (München 2003) mit eigenen Erinnerungen ein: Meine Tage mit Mascha Kaléko. Auf 366 Seiten vereinigt diese Veröffentlichung Texte von Mascha Kaléko. Im kurzen Vorwort von Gisela Zoch-Westphal verwendet sie den Begriff der Gebrauchslyrik: "Als solche wurden Mascha Kalékos Gedichte hier und da etwas von oben herab abgestempelt. Gebrauchslyrik - einverstanden. Ich brauche sie - zum Leben. Meine eigene geplante Veröffentlichung - Das lyrische Klärwerk - wird die Gattung der von Erich Kästner und Mascha Kaléko begründeten Gebrauchslyrik in alten und neuen Kontexten wiederbeleben. Aber zurück zu Horst Krüger. Im Frühherbst 1974 verbringt er mit Mascha Kaléko "drei ruhelose Tage, unvergeßlich". Aus seinen Erinnerungen gebe ich folgende Eindrücke wieder:
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Albert Einstein - Sigmund Freund: Warum Krieg? Ein Briefwechsel
Aus dem Jahr 1932 ist ein Briefwechsel zwischen Albert Einstein und Sigmund Freud belegt. Als Kleines Diogenes Taschenbuch ist er 1996 im Diogenes Verlag Zürich einem breiteren Publikum zugänglich gemacht worden. In der gegenwärtigen weltpolitischen Lage, zu der ich die belegbare These vertrete, dass Carl Schmitt gegenüber Immanuel Kant obsiegt hat, werden die Auslassungen Einsteins und Freuds einerseits verblüffen, andererseits dafür sorgen, dass die gegenwärtigen Kontroversen eher befeuert denn relativiert werden.
Dem Briefwechsel ist ein Statement Albert Einsteins vorangestellt mit dem Titel: Für einen militanten Pazifismus. Ich gebe die zentralen Thesen bzw. Positionen wieder:
Man kann die Eröffnung Albert Einsteins in der gegenwärtigen politischen Lage in Deutschland an die Adresse der FDP und der CDU/CSU – auch der AfD richten. Der erste Satz lautet: „Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftsdoktrinen oder –traditionen zu machen.“ Und gleichermaßen höchst umstritten die zweite – auf Benjamin Franklin gestützte – Auffassung: „Es hat niemals einen guten Krieg und niemals einen schlechten Frieden gegeben.“ Gegenwärtig bleibt genau diese harte Unterscheidung zu verifizieren am drohenden Diktatfrieden, den die USA und Rußland der Ukraine aufzuzwingen drohen. Darin steckt auch die Begründung, warum ich innerhalb der deutschen Parateienlandschaft unterscheide zwischen jenen Parteien, die die Aggression Putin-Rußlands unwidersprochen hinnehmen und jenen, die Einsteins Forderung nach einer Zurückweisung des Rechts des Stärkeren untermauern.
Weiterlesen: Albert Einstein Sigmund Freund Warum Krieg? Ein Briefwechsel
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Tahsim Durgun: >Mama, es reicht<
Die Sinnhaftigkeit dessen, was ich hier tue, erschließt sich aus einer Haltung, aus der heraus sich Deutschland lernt zu verstehen als Schmelztigel:
In der Soziologie und in den Politikwissenschaften beschreibt der Begriff „Schmelztiegel“ (engl.Melting Pot) die Assimilation und die Integration von Einwanderern in die Kultur eines Landes. Die verschiedenen Kulturen und Werte sollen sich zu einer gemeinsamen integrierten nationalen Kultur mischen. Neben „Melting Pots“ sind aber immer auch so genannte „Salad Bowls“ vorzufinden, in denen nicht alle Kulturen verschmolzen werden, sondern Einwanderergruppen je für sich eigene, klar abgegrenzte Kulturen pflegen. Dies kann – wie in Kanada als „multikulturelles Mosaik“ praktiziert – ausdrückliches Ziel sein oder auch auf mangelhafter Detail-Umsetzung einer Schmelztiegelpolitik beruhen.
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Für Johann
Vergangene Nacht hat ein Freund Hand an sich gelegt. Heute Morgen erfahre ich von seinem Bruder, dass er sich das Leben genommen hat. Gestern Abend sind wir auseinandergegangen, haben profane Angelegenheiten besprochen und geregelt. Die finale Krebsdiagnose kam vor einem Jahr; eine nüchterne Auseinandersetzung mit dem Unausweichlichen begleitete seither unsere Begegnungen. Diese waren gleichermaßen unausweichlich, weil unsere Freundschaft auch einen sachlichen Hintergrund hatte. Ich war sein Vermieter. Er war Vater, Großvater, so wie ich, aber von seinem Kind und seinen Enkelkindern über viele hundert Kilometer getrennt. Aber er hatte einen Bruder - Willi (der heißt so wie mein Bruder und ist mir nicht nur deshalb nah), um den er sich sorgte, so wie dieser sich um ihn sorgte. Ich denke an Maria, die Schwester, die ihm vorausgegangen ist. Mein Freund war von jenem Schrot und Korn, aus dem tapfere Persönlichkeiten gemacht sind; Menschen, die auch angesichts des Unausweichlichen eine Haltung an den Tag legen, die nicht nur Respekt abnötigt. Sein Tod war zu erwarten. Er hat den Zeitpunkt selbst bestimmt. Er hat Hand an sich gelegt. Dies war - wie Jean Amery sagt - die Antwort