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Olaf Scholz - klar und deutlich

Die grundsätzliche Frage bleibt, wie erreicht man heute noch ein Massenpublikum bzw. Teile davon, die sich in erster Linie über soziale Medien informieren und dabei in der Regel nur bedingt realisieren, welchen vertiktokten Rattenfängern sie auf den Leim gehen? Auch der SPD wird es nicht gelingen die Hürden und Barrieren zu überwinden, hinter denen sich jene versammeln, die politisch nur noch im Affekt handeln bzw. (re)agieren.

Ich bin vor zwei Jahren aus der SPD ausgetreten. Heute Morgen habe ich mir die Parteitagsrede von Olaf Scholz beim Spartensender Phoenix angehört. Dabei konnte ich durchaus spüren, wie sehr es dann doch auch befreit, wenn man (ämter)frei reden kann. Olaf Scholz hat mir noch einmal überzeugend und hautnah vermittelt, warum die SPD die Partei meiner Jugend, meines Aufbruchs bleibt - und warum ich ihr mit ein wenig Herzblut auch heute verbunden bleibe. Ohne den Veränderungswillen der SPD sowohl in der Bildungs- als auch in der Außenpolitik hätte unsere Republik entscheidende Weichenstellungen verpasst - und ich wäre gewiss nicht annähernd der, der ich heute (auch) bin und sein darf. Ob Mädchen oder Junge - für die in den frühen Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts Geborenen traf die von Renè König definierte und erzwungene Bildungsferne zu. Diese Mädchen und Jungen (zu denen auch ich gehörte), vereinten auf sich die Merkmale 1. vom Lande und 2. katholisch sozialisiert zu sein. Gewaltverzicht und die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie wurden von der Sozialdemokratie letztlich gegen eine Union durchgesetzt, die seinerzeit im wesentlichen noch von revanchistischen Kräften dominiert war.

Und Olaf Scholz - warum gestehe ich ihm nach seiner heutigen Rede das Gütesiegel zu, klar und deutlich geredet zu haben? Olaf Scholz hat an der für mich zentralen Stelle seiner Rede darauf hingwiesen, dass der Rechtsruck - auch in den westlichen Demokratien - an etwas anknüpfe, was im Übrigen vor mehr als 90 Jahren von Carl Schmitt als das Wesen des Politischen definiert worden ist, und was der Freund-Feind-Kategorisierung gegen alle anderen Motive wieder absoluten Vorrang einräume. Entscheidend dabei ist, dass Olaf Scholz in aller Klarheit und Deutlichkeit darauf hinweist, dass es nicht nur um die äußeren Feinde gehe, sondern dass alle Rechtspopulisten sich dadurch kenntlich machen, dass sie den inneren Feind benötigen und benennen; Sündenböcke, denen gewissermaßen zentrale Verantwortung für alles zugeschrieben wird, was in einer Gesellschaft schief läuft. Und Olaf Scholz nennt Roß und Reiter:

Während Putin dabei sozusagen nur seine DNA-gegebenen Großmachtsphantasien auslebt und rigoros - alles aus dem Weg räumt, was auch nur in irgendeiner Weise seinen absoluten Herrschaftsanspruch in Frage stellt, tastet sich Donald Trump auf dem Weg voran, die älteste Demokratie der Neuzeit zu schleifen. Dabei übt er sich fleißig an der von Carl Schmitt formulierten Vorstellung, souverän sei derjenige, der über den Ausnahmezustand befinde. Da scheint es nur noch ein kleiner Schritt zu Schmitts aberwitziger Behauptung (aus 1934 im Anschluss an den sogenannten Röhm-Putsch): Der Führer schützt das Recht! Dies lebt Putin inzwischen in radikaler Manier, während Donald Trump noch davon träumt, während er dabei ist, die Judikative ein ums andere Mal auszuhebeln.

Nebenbei bemerkt: "Hoch lebe die internationale Solidarität" - lange habe ich dies auf einem SPD-Parteitag nicht mehr gehört. Damit wurde Özgür Özel, der Vorsitzende der türkischen CHP verabschiedet, zugleich mit der Forderung den inhaftierten Istanbuler Bürgermeister Imamoglu freizulassen. Denn - wie Victor Orbán und andere - agiert auch Recep Erdogan, der Präsident der Republik Türkei - ständig in der Haltung eines Autokraten, der sich an den Blaupausen Carl Schmitts orientiert - wegräumen bzw. wegschließen, was nicht passt bzw. die eigene Machtposition gefährdet.

Unsere Aufmerksamkeit und unsere Wachsamkeit ist denjenigen gegenüber zu schärfen, die uns - neben dem äußeren Feind - vor allem den Feind im Inneren wieder nahebringen wollen. Wir sollten  s i e  in ihren Versuchen, die Demokratie mit ihren Prinzipien der Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit zu unterlaufen und radikal in Frage zu stellen, als die wahren Feinde erkennen, die das abzuschaffen versprechen, was uns ein Leben in Freiheit garantiert.

Weitere Mosaiksteinchen zum lyrischen Klärwerk

Das lyrische Klärwerk ist ein Ort unerschöpflicher Absonderungen - solchen, die der Schäbigkeit der Zeit geschuldet sind, sozusagen putinesken Zuschnitts; andere kommen daher als Geschenke, die sowohl der Daseinsgestaltung als auch der Daseinsbewältigung dienen. Schon 2003 erschien mir das Leben als Klang - Klang in all seinen beflügelnden wie lähmenden Ausprägungen. Seither ziehn sie in die Welt, und ich rufe ihnen hinterher:

So zieht nun in die Welt!

Ihr seid mir alle Zeit so nah.
Ich habe euch geboren,
wie immer das geschah,
nun seid ihr auserkoren:

Ihr leuchtet wie die Sonne,
glänzt in der Wörterwelt,
seid leicht, wie reine Wonne,
so licht wie ein Gedankenzelt.

Und doch tu ich mich schwer,
hab jedes Wort gewogen,
so häufig liegt ihr quer,
hab euch gezerrt, gebogen.

So zieht nun in die Welt,
der Wahrheit bleibet fern.
Wahrhaftigkeit die zählt -
sie ist ein heller Stern.

In seiner Aura kann man lesen,
sich selber neu erfinden,
ahnen, was gewesen
und neue Ziele finden.

Genießt der Menschen Huld,
und schießt ihr über's Ziel
so übt euch in Geduld.
Wir spielen dann ein neues Spiel.

Wir spielen nie alleine,
am Du wächst jedes Ich.
Die Quelle, die ich meine,
nährt alle, dich und mich.

Carl Schmitt und Immanuel Kant:


Sie haben es also getan!


Hinweise zur Bedeutung Carl Schmitts und Immanuel Kants mit Blick auf die gegenwärtige politische Weltlage - unter Zuhilfenahme von Thomas Assheuer

Sie haben es also getan! Völkerrecht hin – Völkerrecht her! Vor mehr als 90 Jahren hat einer der prominentesten Juristen seiner Zeit die Blaupause geschrieben. Wenn wir die schlichte Logik der Vorgehensweise Putins, Netanyahus oder Trumps auf ebenso schlichte wie frappierende Weise verstehen wollen, dann sollte man Carl Schmitt noch einmal lesen: Der Begriff des Politischen, 7. Auflage, Berlin 2002 (auf diese Ausgabe beziehen sich alle folgenden Seitenangaben) – aber nicht ohne Immanuel Kant im Hinterkopf zu behalten:

Für Willi - am 12.11.2024 und am 21.6.2025

Der Himmel zeigt sich heute wie am 21.6.1994 - blau und kalt, während es ähnlich heiß wird - wie weiland am längsten Tag. Wir registrieren die Abschiede im familialen Umfeld - auch wenn sie unendlich weit weg erscheinen (1968, 1970, 1988, 1994, 2003, 2004, 2010, 2020, 2025). Wir leben ja noch - ich schon mehr als 73 Jahre! Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen lachenden Munds. Wenn wir uns mitten im Leben meinen, wagt er zu weinen mitten in uns - so klingt es aus Rainer Maria Rilkes Feder; zuletzt mit Blick auf jemanden, der auch Willi mit begleitet hat - früh schon, als Willi noch nicht einmal ein Schulkind war. Schauen wir noch einmal zurück auf den 12.11. des vergangenen Jahres. Da gibt es eigentlich nichts hinzuzufügen?

Na klar würden  w i r  heut (am 12.11.) feiern – 69 – eine Schnapszahl, ineinander verdreht und magisch - für Willi allemal:
Willi hätte gestern vermutlich schon gefeiert, ne Karnevalsjeck am 11.11. – hinein in den 12.11., seinen 69sten Geburtstag.

So aber gibt es nichts zu feiern, und die Erinnerung schmerzt und beglückt gleichermaßen. Sie gilt ja dem, den wir gehabt haben und dem, den wir nicht mehr haben. Will sie uns mahnen?

Sorgt Euch – nicht nur um Euch, vor allem um die, die uns anvertraut sind?

Ach Quatsch: Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie?  Verkauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater. (Mt 10,29)

Das hätte Willi gefallen! Unser Willi war ja kein Sammler – er war ein Flieger über den Wolken (siehe auch: Katie Melua) und sein Sturz war bodenlos – hoffentlich nicht ohne seinen Vater?!

Wäre er heute unter uns, so würde er feiern und sich grämen gleichermaßen? Auch für ihn wäre die große Welt in Unordnung und kämpfen würde er für ein bisschen Ordnung in seiner kleinen Welt?!

Carl Schmitt - beginnen wir noch einmal von vorne

Fangen wir noch einmal ganz vor vorne an. Mehr als 90 Jahre nach Veröffentlichung der überschaubaren Publikation Der Begriff des Politischen (1. Auflage bei Duncker und Humblot, Berlin 1932) ist diese Schrift aktueller denn je. Es wird gewiss nicht um eine Rehabilitation des NS-Kronjuristen Carl Schmitt gehen. Gleichwohl lohnt ein genaueres Hinsehen, als ich es mir bislang gestattet habe. Dazu ist zunächst einmal festzuhalten, dass mir Der Begriff des Politischen in der 7. Auflage von 1963 vorliegt. Dazu hat Carl Schmitt – datiert mit März 1963 – ein Vorwort geschrieben und versieht den Neudruck mit einer Reihe von Hinweisen. Er betont dabei, dass all das umfangreiche Material, das in der Auseinandersetzung mit seiner Schrift hinzugekommen sei, in einem bloßen Neudruck nicht berücksichtigt werden könne; einem „Neudruck, dessen Sinn und Zweck gerade darin besteht, einen Text, der von der Unmasse der ihm gewidmeten Widerlegungen übertönt worden war, wenigstens für einen Augenblick wieder zu Wort kommen zu lassen“. (S. 116)

   
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