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Versöhnt euch!? - Von der Freiheit eines emanzipierten Menschen

Ich habe mein diesjähriges weihnachtliches Seelenfutter gefunden. Ich habe es mir schenken lassen. Und ich habe es mir zusammengebastelt. Was ich hier aufschreibe, ist gedeckt von einem satten Scheck realitätsverbürgender Priviliegien, deren Status als Privilegien - wie immer - aus dem Vergleich mit den durchschnittlichen gesellschaftlichen Realitätsbrüchen resultiert. Mit vielen weiß ich mich einig; und wenn ich sozusagen exemplarische Quellen benennen soll, die mir auf einer nackerten Kugel gleichwohl Heimat und Geborgenheit bescheren, bleibt mir neben dem Blick in meine Kindheit vor allem eine erlebensdichte Gegenwart, die in die Zukunft strahlt:

Carla Baum hat mir mit dem Segen der Großeltern gestern ein Geschenk gemacht, das meine eigenen Erfahrungen in einem breiten, satten Erlebenspendant spiegelt. Auf der Titellseite derselben ZEIT-Ausgabe findet sich ein Imperativ, den Evelyn Finger zu vertreten hat: Versöhnt euch! Nach ehrenrettenden und warmherzigen Bekundungen, die Josef Maria gegenüber endlich in eine Position auf Augenhöhe befördern, stellt sie die Kardinalfrage, wie das mit der Versöhnung nun gehen soll - in einer Welt, deren Bewohner sich aller Orten so unversöhnlich zeigen. Und so fügt sich auch Evelyn Finger in eine realitätsbewusste Sichtweise von Versöhnungsprozessen ein:

"Wenn der Westen, wenn insbesondere die Christen helfen wollen, müssen sie sich von der Illusion verabschieden, dass es schon reicht, selbst die Hand zum Frieden auszustrecken, um einen Krieg zu beenden und sich den Gegner zum Freund zu machen. Manche Gegner muss man zuerst stoppen. Versöhnung aber verlangt, wie das Beispiel des Josef zeigt, Mut und Großherzigkeit."

Man müsse sein Rachebedürfnis hintanstellen - und: "Wer sich ewig als Opfer sieht, wer unversöhnlich bleibt, bestraft sich gleich selbst mit." Evelyn Finger legt den Finger in die Wunde und fragt, ob denn Versöhnung folgerichtig bedeute, Unrecht zu dulden?

"Nein eben nicht. Aber es heißt, sich von dem Leid, das einem widerfahren ist, und von dem Zorn darüber nicht bestimmen zu lassen [...] Vielleicht fängt Versöhnung damit an, sich einzugestehen, wie schwer das ist: verwundet worden zu sein, aber aus der Opferrolle herauszutreten. Sich von Schmerz und Wut nicht beherrschen zu lassen, aber auch nicht von Schuld. Wer sich versöhnen will, muss vergeben und bereit sein, sich vergeben zu lassen. Wer das kann, der lebt nicht nur in Frieden, der ist befreit."

Das Leben angesichts der nackerten Kugel hat auch schon Alexander Kluge umgetrieben. Zu seinem 80sten Geburtstag hat er Denis Scheck verraten, wie man auf der nackerten Kugel selbst nicht als nackertes, erbärmliches Opfer dasteht:

"Sehn sie, wenn die Zeiten sich so verdichten und beschleunigen, dass sie unheimlich sind - wenn die Zeiten sozusagen zeigen ein Rumoren der verschluckten Welt, als seien wir im Bauch eines Wals angekommen... wenn das alles so ist, dass man sich wie im Bauch eines Monstrums fühlt, dann kommt es darauf an sich zu verankern. Es ist am leichtesten sich zu verankern in dem, was wir in uns tragen! Sehen Sie, wenn wir beide unsere 16 Urgroßeltern nehmen - unter der Zahl werden wir nicht geboren sein - dann können sie sagen, die sind so extrem verschieden und wussten so wenig, in welchen Körpern sie einmal zusammen kommen werden, dass wir eigentlich denken müssten, bei uns müsste Bürgerkrieg herrschen."

Die eigene Stellung in einem uns so unfassbar weit übersteigenden systemischen Nexus zu erkennen und zu betrachten, kommt, wenn es denn gut ist/gut sein soll - in eine positive Analogie gefasst - dem Privileg gleich, sich wiederzufinden in einem sinnerfüllten Leben - körperlich und seelisch gesund (die Maximaldefinition der WHO hinsichtlich umfassender Gesundheit spricht denn auch von einem - im basso continuo - bio-psycho-sozialen Wohlbefinden). Die Koblenzer bringen es in ihrer Hymne folgendermaßen auf den Punkt:

E lustich Kowelenzer Schängelche ich sein,

Gedaaft met Rhein- on Musselwasser on met Wein,

Gesond an Herz, an Lewer on der Lung,

On sein och meiner Modder ihrer allerbeste Jung!

Dem ist nichts hinzuzufügen!

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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