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Andrzej Szczypiorski - Die schöne Frau Seidenman
Wo soll man da beginnen? Bei der schönen Frau Seidenman! Und da am Ende! Wir werden konfrontiert mit den Bildern aus dem Gaza-Streifen. Wir blicken auf abermillionen Tonnen Schutt - unter ihnen begraben: Tote! Wir sehen zur Exekution hinkniende Verräter vor den Gewehrläufen der Hamas, die in der Interpunktion der Gewaltexzesse am 7. Oktober 2023 eine weitere Zäsur setzte in einer seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden nicht enden wollenden Gewaltspirale. Wir sind am Ende - am Ende des Romans von Andrzeij Szczypiorski. Auch Marcel Reich-Ranicki, der 1988 - nach dem Erscheinen der Erstausgabe - seine Besprechung in der FAZ enden lässt mit der resignierenden, erbarmungswürdigen Verzweiflungsgeste jenes jüdischen Mädchens Joasia - Joasia, die in einem Kloster überlebt. Dort war aus Joasia das katholische Waisenkind Marysia Wiewióra geworden, das fleißig lernte und daran dachte Zahnärztin zu werden:
"Doch als sie zwanzig Jahre alt geworden war, vernahm sie eine Stimme, die sie rief. Und folgte ihr in Demut und Gehorsam. Sie wanderte nach Israel aus, wo sie nicht mehr Mayisia Wiwióra hieß, sondern Miriam Wewer." (S. 275)
Marcel Reich-Ranicki setzt mit der Metamorphose JosiasMarysiasMiriams in seiner Rezension einen dramatischen Schlusspunkt und wird wohl so Andrzeij Szczypiorskis fatalistischem Geschichtsbild am ehesten gerecht (ich ergänze die von Marcel Reich-Ranicki mit ... vorgenommenen Auslassungen durch die Passagen im Originaltext - aber Reich-Ranicki hat ja Recht: die eine Geste und die eine Tat stehen für alle Gewaltexzesse: gestern - heute - morgen!):
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Antonia Baum: Achte Woche
(erschienen bei Claassen, Berlin 2025)
Ich schätze Antonia Baum spätestens seit ihrem ZEIT-Beitrag: Zu wenig Körperkontakt (ZEIT, 10/20, S. 51). Im Literaturteil der ZEIT (43/2025) räumt man ihrem 2025 publizierten Roman Achte Woche den Raum für einen Auszug ein. Antonia Baum schaffe es, das zutiefst politische, gesellschaftlich heftig diskutierte Thema Schwangerschaftsabbruch ohne Kitsch und Pathos zu reflektieren - so in der Ankündigung des Verlags.
Inhaltsangabe des Verlags:
"Eine Frau sieht sich einer der schwierigsten Fragen gegenüber: die Entscheidung für oder gegen ein Kind
Eine junge Frau – eine Abtreibung, ein Kind, kein Partner – ist schwanger. Das ist ein Fakt, er ist greifbar und scheint ganz klar, obwohl ansonsten gar nichts klar ist. Die Frau, Laura, ist an der Uni, sie schreibt an ihrer Dissertation, jobbt in einer gynäkologischen Praxis. Tag für Tag versorgt sie dort schwangere Frauen, sieht ihre Scham, ihre Geduld, ihre Freude, ihre Angst. Für manche ist es das größte Glück, für andere eine Katastrophe. Für Laura ist es beides. Sie liebt ihr Kind, doch sie hat Panik beim Gedanken an ein weiteres. Und wie könnte es anders sein? Ist nicht eigentlich jede Frau darauf eingestellt, dass sie ihr Kind allein großziehen wird? Der neue Roman von Antonia Baum ist in einer einzigen gedanklichen Bewegung erzählt, einem langen Atemzug, bevor etwas beginnt oder endet."
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ZEIT 43/25., Seite 78 Volker Weidermann zu Mascha Kaléko
mit großem Dank an Volker Weidermann für: Wenn ich eine Wolke wäre. Mascha Kaléko und die Reise ihres Lebens (Kiepenheuer & Witsch, Köln 2025 – und mit Bedauern, das die Hommage an Mascha Kaleko sie hienieden nicht mehr erreicht.
Sonett in Moll*
Denk ich der Tage, die vergangen sind,
Und all des Lichtes, das tief in uns strahlte,
Da junge Liebe Wolken rosig malte
Und goldne Krone lieh dem Bettlerskind.
Denk ich der Städte, denk ich all der Straßen,
Die wir im Rausch durchflogen, Hand in Hand ...
Sie führten alle in das gleiche Land,
Das Land, zu dem wir längst den Weg vergaßen.
Nun stehn die Wächter wehrend vor den Toren
Und reißen uns die Krone aus dem Haar.
Grau ist die Wolke, die so rosig war.
Und all das Licht, das Licht in uns - verloren.
Im Traume nur siehst du es glühn und funkeln.
- Ich spür es wohl, wie unsre Tage dunkeln.
*wiedergegeben aus: Mascha Kaléko, Liebesgedichte - Ausgewählt von Elke Heidenreich - insel taschenbuch, Franfurt/Leipzig 2007, S. 80
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Andreas Kirchner: Das Ende als Anfang? (II) - hier geht es zu: Andreas Kirchner I
Von den ergänzenden Perspektiven, die Andreas Kirchner aufzeigt, hin zu der Frage: Was hat die Wissenschaft uns anzubieten? Andreas Kirchner weist einleitend darauf hin, dass auf das Thema Trennungen auch heute noch zumeist defizitorientiert, das bedeute, aus einer wertenden Perspektive geblickt werde, die das Scheitern von Beziehungen in der Vordergrund rücke: Oft gehe es um Scheidung und die damit verbundenen ökonomischen, finanziellen, rechtlichen, gesundheitlichen und psychischen Folgern, vor allem für Kinder und Frauen, um Leiden und Zerbrechen. Kirchner nimmt sich vor eine differenziertere Perspektive auf Trennungen anzubieten:
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Andreas Kirchner: Das Ende als Anfang? (I)
Elemente einer vernachlässigten Perspektive auf Trennung (Familiendynamik, 4/25, Seite 300-307)
Mach dich STARK - der Beitrag von Laura Bieg, Carmen Pfänder und Miriam Rassendorfer (ebenfalls in der Ausgabe 4/25 der Familiendynamik) widmet sich primär Beratungsangeboten und -möglichkeiten in Kontext von Trennungsprozessen. Andreas Kirchner kommt das verdienstvolle Unterfangen zu, den Blick auf Trennungsprozesse einerseits in differenzierter Weise auf dem Hintergrund - teils konkurrierender und widersprüchlicher Forschungsbefunde - zu schärfen. Zum anderen bietet er mit existenzphilosophischen Exkursen und den Prämissen systemisch fundierter Analyse eine neue, ungewohnte Blickrichtung, die möglicherweise ein angemesseneres Verständnis von Trennungprozessen erlaubt. Aus dieser veränderten Blickrichtung, die von Andreas Kirchner schlicht mit der Überschrift: Ergänzende Perspektiven auf Trennung versehen wird, gewinnt allein das Phänomen Trennung eine neue, vielschichtige Ausprägung. Daher beginne ich meine Auseinandersetzung mit seinen ergänzenden Perspektiven, allerdings versehen mit dem Hinweis, dass auch Andreas Kirchner ein komplexes Trennungsgeschehen damit nicht relativieren oder verniedlichen will. Was ihm mit seinen ergänzenden Perspektiven hingegen gelingt, wird von ihm selbst mit dem Anspruch verbunden, familiale Trennungsprozesse in eine größere Trennungsperspektive hineinzustellen und sie damit in einem allgemeinen Sinn zu betrachten.
