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Uwe Timm und Shila Behjat

haben nichts miteinander zu tun. Shila Behjat fragt im aktuellen SPIEGEL (38/25): "Wo habe ich versagt? Die Welt wird härter, autoritärer - und das sickert auch in die Familien ein. Warum es so schwer ist, Söhne zu Solidarität und Gerechtigkeit zu erziehen.

Wir alle haben versagt - wir alle versagen, sofern es uns nicht gelingt, die in Dirk Baeckers Gewalttraktat formulierten Trivialitäten zum allgemeinsten aller Allgemeinplätze zu machen. Niemand - auch der letzte Hartzer bzw. Bürgergeldempfänger bzw. Grundsicherungsbegünstigte und erst recht nicht gut situierte Hasardeure und geschichtsvergessene Flachpfeifen - darf in Frage stellen, was in jeder Autokratie, die nach innen und nach außen das Recht des Stärkeren praktiziert, immer schon zur Disposition steht bzw. stand: Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit! Uwe Timm lässt an diesem zivilisatorischen Minimum nicht den geringsten Zweifel gelten. Auch Shila Behjat lässt keinen Zweifel zu an ihrer grundlegenden Position:

"Wladimir Putin führt Krieg in Europa. Donald Trump destabilisiert die Weltpolitik. Beide sind nicht die Ursache, sondern Symptome des Backlash. Die Historikerin Anne Applebaum nennt diese Phase eine neue Ära ohne klare Ordnung, in der die >Pax Americna< Geschichte ist. Der Journalist Gideon Rachman beschreibt in >Welt der Autokraten<, wie autoritäre Führer weltweit im Aufstieg begriffen sind - nicht trotz, sondern wegen der großen Verunsicherung. Klimaschutz wird zurückgefahren, Frauenrechte stehen wieder zur Disposition. Begriffe wie >Meinungsfreiheit< werden instrumentalisiert, um Hass und Ausgrenzung zu legitimieren. Moral ist nicht mehr Kompass - sie ist Schlachtfeld."

Gewalt

Dirk Baecker hat am 18. Januar 2005 in die tageszeitung einen Beitrag veröffentlicht - überschrieben schlicht mit dem Begriff Gewalt. In vielen Beiträgen habe ich mich mit Carl Schmitt und seiner epochmachenden Schrift: Der Begriff des Politischen (Berlin 1932) auseinandergesetzt. Schmitt, auf den die programmatisch richtungsweisende Definition von Souveränität zurückgeht in dem Sinne, dass souverän derjenige sei, der über den Ausnahmezustand verfüge, reduziert Politik auf die binäre Konfiguration von Freund-Feind-Konstellationen, in deren praktischer Konsequenz sich jegliche legitimationsrelevanten Aspekte von Gewaltanwendung relativieren bzw. auflösen. Vor allem relativiert sich ein staatliches Gewaltmonopol in dem Sinne, dass es sich erst konsekutiv ergibt aus der Gewalt des Stärkeren. Bei Carl Schmitt wird ein durch Rechststaatlichkeit und Gewaltenteilung eingehegtes Gewaltmonopol obsolet. Genau hier setzt Dir Baecker an. Bei ihm ist zu lesen:

"Gewalt ist unverzichtbar, weil über die Androhung von Gewalt, nicht über ihre Ausübung, soziale Ordnung hergestellt wird. Die Ausübung ist nur nötig, damit anschließend glaubwürdig angedroht werden kann. Das ist der Kern jeder Politik, die Verhandlung darüber, wer wem welche Art vn Gewalt zur Aufrechterhaltung welcher Art von sozialer Ordnung glaubwürdig androhen kann. Und dies ist nicht etwa deswegen der Kern der Politik, weil sich jeder von überlegt, welchem Stärkeren er sich tunlichst unterwirft, bevor dieser zu unangenehmen Maßnahmen greift. Obwohl auch das richtig ist, sonst wäre wohl kaum jemand bereit, Steuern zu zahlen, seine Kinder einzuschulen und die Gesetze zu wahren. Sondern dies ist deswegen der Kern der Politik, weil die Androhung von Gewalt die Voraussetzung dafür ist, dass die soziale Ordnung für jeden von uns berechenbar wird. Politik ist die Kontrolle meiner nahen und fernen Nachbarn. Ich kalkuliere die Glaubwürdigkeit der Androhung von Gewalt, um abschätzen zu können, wie sehr ich mich darauf verlassen kann, dass ich mich einigermaßen sicher in öffentlichen Räumen bewegen und einigermaßen verlässlich meine privaten Räume vor Eindringlingen und Zugriffen schützen kann. Wir brauchen die Androhung von Gewalt durch die Politik, um uns gegenseitig an der Ausübung von Gewalt hindern zu können. Politik löst das Problem des unberechenbaren Dritten."

Selbstreferenz

Nach mehr als 600 Beiträgen in meinem Blog zeigt sich ein Phänomen, dass man mit dem Begriff der Selbstreferenzialität umschreiben kann. Selbstreferentielle Systeme leiten ihr Handeln aus ihren eigenen Beobachtungen, Erfahrungen und Bewertungen ab, was wiederum zu neuen Handlungen führt. In ihren Prozessen beziehen sie sich nur auf sich selbst. Sie reagieren nur noch auf Veränderungen in ihrem eigenen System. Die Ressourcenschöpfung allerdings ist unabhängig davon zu betrachten. So tauchen in den beiden folgenden Blog-Beiträgen eine Reihe von Verlinkungen auf, die ihrerseits darauf hinweisen, was dem Beobachter, dem handelnden Subjekt einerseits unverhofft und eher zufallsbedingt begegnet und was ihm andererseits wichtig bzw. erkenntniserweiternd erscheint. Alte Menschen bewegen sich vorwiegend in einem Spannungsraum, der sich grundlegend aus Erfahrungen mit unserer Endlichkeit - also aus abschiedlichen Perspektiven - speist. Hat man als alter Mensch Glück, erweist sich der Spannungsraum wahrhaftig als solcher und man erfährt Generativität in Gestalt zur Welt kommender Enkelkinder. Im Verlauf der endenden Woche offenbarte sich dieser Spannungsraum mit dem erzwungenen Abschied von Rudi und der erhofften Geburt unseres vierten Enkelkindes. In den sich aufdrängenden Referenztexten zeigt sich nun, wie sehr meine Wahrnehmung als junger Alter von abschiedlichen Perspektiven geprägt wird. Auf der anderen Seite halten meine Enkelkinder den Raum auf Spannung, insofern wir das Glück haben, im familiären Erleben nicht nur abschiedliche, sondern auch aufbrechende Perspektiven in Gestalt unserer Enkelkinder zu erleben.

Dankbar

Die Intensität eines Erlebens hängt wohl zentral mit der Nähe zusammen, aus der heraus man etwas erlebt. Dies mag so weit gehen, dass man mit der Nähe unter Umständen jeglichen Abstand verliert. Dirk Baecker (Heidelberg 2008, Seite 632f.) hat einmal in Anlehnung an Karl E. Weick und James G. March mit Blick auf die Wirklichkeit festgehalten, sie entspreche in der Regel ja nie den klaren Sachordnungen, von denen wir alle träumten. Da sei es entscheidend, wie man mit Nähe und Distanz umgehe. Dirk Baecker geht sogar soweit zu behaupten, dass jemand, der sich in bestimmten Situationen fest koppeln lasse, wer sich also beispielsweise für Nähe oder Ferne so entscheide, als gäbe es diese in der Form einer eindeutigen, sich wechselseitig ausschließenden Alternative, zwangsläufig verrückt werden müsse.

Wir müssen also entscheiden: Das ist >nahe genug<. Es gehe - so Baecker - zweifellos um die Kunst des Abstands. Es sei in der Tat eine Kunst, die mit der Distanz, mit der Differenz, mit dem Unterschied beginne und sich von dort aus die Verhältnisse anschaue, um sich dann in ihnen und mit ihnen zu entscheiden. Es handele sich um eine Kunst, die in der Lage sei, jede Einheit der Beziehung zu übersetzen und aus der Beziehung heraus zu variieren:

Dirk Baecker redet von einer Kunst: ">Nahe genug< ist mir das, wozu ich einen Abstand suche, weil ich die Beziehung nicht aufkündigen möchte. Ich übersetze feste Kopplung in lose Kopplung, rechne nicht mit Zukunft, sondern mit der Gegenwart, und weiß, dass die Wahrheit Gründe hat, ihre Gründe nicht sehen zu lassen."

Lassen sich Situationen vorstellen, in denen der Abstand - ohne unser Zutun - auf ein Minimum zusammenschrumpft - allenfalls noch Körpergrenzen wahrnehmen und respektieren kann bzw. muss? Ich bewege mich im Aufschreiben meiner Überlegungen in solchen Grenzsituationen, ohne auch nur annähernd in der Lage zu sein, diesen Wirklichkeiten mit ausreichender bzw. angemessener Sprachmächtigkeit zu begegen.

Carlottas Auftrag - Ein Buch von Julia Jawhari

Wir alle haben einen Lebensauftrag - Unser Neujahrstag mit Carlotta (der Tag, an dem Ulrich Beck verstarb)

Wir sind sehr spät an diesem Neujahrstag 2015 aufgestanden - für unsere Verhältnisse ungewöhnlich spät. Wir gönnen uns ein ausgedehntes Frühstück, besuchen Lisa, Claudias Mutter, meine Schwiegermutter, die Großmutter von Laura und Anne auf dem Heyerberg, beglücken sie mit Christstollen. Sie bedankt sich sehr herzlich und wünscht uns ein gutes neues Jahr. Wir unternehmen zum zweiten Mal einen ausgedehnten Spaziergang über den Heyerberg - ohne unsere Biene. Auf dem Weg nach Hause besuchen wir Leo auf dem Gülser Friedhof. Dort begegnen wir Rebecca und Berti, der sich vor einem 10wöchigen Schiffstripp rund um Südamerika verabschiedet; wir begegnen Gülsern, die wir nur vom Sehen kennen, wünschen Ihnen ein gutes, neues Jahr, nehmen Neujahrswünsche entgegnen und freuen uns auf einen Kakao vor dem Kamin - und vor allem auf die zweite Runde zu "Carlottas Auftrag" (von Julia Jawhari: BoD-Books on Demand, Norderstedt: ISBN: 978-3-7386-0314-9).

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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