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Heinrich Heine - mit heißer Feder gegen kalte Füße

Nun stehe ich unter dem Eindruck Francesca Melandris und habe Kalte Füße. Und sie werden immer kälter. Vor mir liegen 708 Seiten eines Suhrkamp-Bandes aus dem Jahre 1981: Theodor W. Adorno – Noten zur Literatur. Unter römisch I findet sich auf den Seiten 95-100 eine überschaubare Notiz mit dem Titel: Die Wunde Heine. Sie endet mit der gewaltigen Aussage:

Es gibt keine Heimat mehr als eine Welt, in der keiner mehr ausgestoßen wäre, die der real befreiten Menschheit. Die Wunde Heine wird sich schließen erst in einer Gesellschaft, welche die Versöhnung vollbrachte.“ (Seite 100)

Heinrich Heine ist in Gestalt der ihm entgegengebrachten pervertierten Deutschtümelei, wie sie sich in der Loreley offenbart, gewiss die tragischste Variante eine Heimat suggerierenden Vereinnahmung. Adorno stellt dazu klar, dass Heines „von der kommunikativen Sprache erborgte Geläufigkeit und Selbstverständlichkeit das Gegenteil heimatlicher Geborgenheit“ nahelege:

„Nur der verfügt über die Sprache wie über ein Instrument, der in Wahrheit nicht in ihr ist.“ Heinrich Heines Tragik als Wanderer zwischen den Welten wird aus Adornos Sicht überdeutlich in der Tatsache, dass „die assimilatorische Sprache die einer misslungenen Identifikation ist“. Heines Vorwitz – so Adorno – sei einer Regung dessen entsprungen, „der für sein Leben gern aufgenommen sein möchte“. Darin manifestiere sich bis heute „das Trauma von Heines Namen“.

Warum hat Heinrich Heine sich dennoch und fortgesetzt der deutschen Sprache ausgesetzt und die deutsche Sprache zu einer gleichermaßen merkwürdigen wie bemerkenswerten Blüte geführt? Adorno meint:

Francesca Melandri zeigt uns, was wir zu tun haben!

Ich danke Marisa Brass für: Francesca Melandri, Kalte Füße (Verlag Wagenbach, Berlin 2024)

Der folgende Beitrag - Franz und Jurij - ist bereits Anfang April 2022 in diesem Blog veröffentlich worden. Wenige Tage nach der Invasion russischer Truppen in die Ukraine war mir bewusst, dass Wladimir Putin jener brutalen Politik - seiner imperialistischen Politik - die Krone aufsetzt, indem er den Befehl zum Einmarsch der russischen Armee(n) in die Ukraine gibt (siehe dazu die Links ganz am Ende). Ich zitiere Francesca Melandri in der Auseinandersetzung mit ihrem Vater aus dem letzten Kapitel ihres Buches: Kalte Füße (Verlag Wagenbach, Berlin 2024):

"Eins habe ich verstanden, Papa: Das Gegenteil von Krieg ist nicht Frieden um jeden Preis, sondern Rechtsstaatlichkeit. Es sind die Gesetze, die den Schulhoftyrannen daran hindern, den Schwächeren zu verprügeln, und die den Schwächeren vor Schikanen schützen. Aber Rechtsstaatlichkeit ist nicht ist nicht nur ein juristisches oder politisches Konstrukt, es ist vor allem ein Ziel, das wir anstreben. Sie kann nur dann in einer Gesellschaft verwurzelt werden, wenn das unmenschliche Recht des Stärkeren bei ausreichend vielen Menschen einen unbändigen Abscheu hervorruft [...] Der Satz, du hättest uns die Freiheit gelehrt, ist eine Phrase, und Phrasen sind uns bekanntlich verhasst. In Wahrheit hast du etwas Besseres getan, vielleicht ohne es selbst zu wissen: Du hast uns beigebracht, unsere Freiheit als naturgegeben und selbstverständlich anzusehen. Du hast Menschen aus uns gemacht, die sich wehren, wenn man ihnen ihre Freiheit nehmen will [...]

An alle Arschlöscher, die von libertärer Entfesselung schwafeln

Ulf Poschardt sollte sich über eines im Klaren sein: Konservative Intellektuelle seines Zungenschlages können Karl Heinz Bohrer oder Joachim Fest, Michel Foucault oder Gilles Deleuze nicht für sich vereinnahmen. Die dunklen Seiten eines Martin Heidegger oder die die intellektuell-schmutzigen Ergüsse eines Carl Schmitt (siehe Carl Schmitts Tagebücher oder seine faschistoiden Entartungen: Der Führer schützt das Recht oder Der Begriff des Politischen) hingegen passen zu den Kettensägenphantasien infantiler, kindergesichtiger intellektueller Tiefflieger à la Musk, Trump - oder eben eines Ulf Poschardt, der sich nicht entblödet als Wurmfortsatz solcher Flachpfeifen in Erscheinung zu treten.

Das Gedicht am Ende des Beitrags legt jene Schichten frei, die sich sowohl den Kinderaugen Ulf Poschardts entziehen als auch den gewaltverherrlichenden Phantasien rechter Intellektueller vom Zuschnitt Ernst Jüngers. Zu ihnen passt die Nihilismus-Attitüde des Kettensägen-schwingenden Erneuerers. Hingegen hätte Martin Heidegger womöglich jene Tiefenschichtung schauen können, hätte er seine Brillengläser nicht mit Hakenkreuzen verklebt.

Libertäre Entfesselung - Philipp Oehmke im SPIEGEL (6/25) zu Ulf Poschardts Shitbürgertum

Kontext:Ulf Poschardt, 57 Jahre alt, bis vor Kurzem Chefredakteur, inzwischen Herausgeber der >Welt<, hat bewegte Wochen hinter sich. Seine mehr oder minder letzte Amtshandlung als >Welt<-Chefredakteur hatte darin bestanden, einen Gastbeitrag von Elon Musk gegen den Willen von Teilen der Redaktion ins Blatt zu heben. In dem Text hatte Musk zur Wahl der AfD aufgerufen, der Beitrag war dumm und kenntnisarm und hätte nicht gedruckt werden dürfen. Das sieht Poschardt im Grunde auch so. Er hat ihn trotzdem ins Blatt genommen, als quasi nihilistischen Akt, was womöglich einen entscheidenden Hinweis auf Poschardts aktuelle Geistesverfassung gibt.“

Es gibt kein Menschenrecht auf Nicht-Überforderung

Klimaziele? In seinem Beitrag Grüner wird's nicht (Süddeutsche Zeitung 24/25, Seite 5) zitiert Michael Bauchmüller das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach das deutsche Klimaschutzgesetz zu wenig präzise sei. Die große Koalition aus CDU und SPD habe seinerzeit nachgesteuert: "Nicht bis 2050, sondern schon 2045 müsse Deutschland klimaneutral sein, schrieben Union und SPD ins Gesetz." Vier Jahre später kommt Michael Bauchmüller zu folgendem Resümee:

"Man habe das Ziel fest im Blick, heißt es vieldeutig im Wahlprogramm der Union, verbinde es aber unbedingt mit dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Das klingt nach einem Spalt in der Hintertür, die von der FDP schon aufgestoßen wird: Die Liberalen wollen lieber 2050 anpeilen, dadurch lasse sich Zeit gewinnen. Einzig SPD und Grüne stehen ohne Wenn und Aber zur Klimaneutralität bis 2045. Die Linke würde sie gern bis 2040 erreichen, die AfD dagegen gar nicht: Die Rechtspopulisten können keinen menschengemachten Klimawandel erkennen, Deutschlands Klimapolitik sei gegen das Volk gerichtet."

2009 postulierte Peter Sloterdijk: Es gibt kein Menschenrecht auf Nicht-Überforderung. Es vollziehe sich eine voranschreitende Desintegrationskatastrophe, "die sich auf einen zeitlich nicht festgelegten, jedoch nicht endlos aufschiebbaren Crash-Punkt zubewegt". Wie man es von Sloterdijk gewohnt ist, zeigt er sich als Meister der Zuspitzung, indem er feststellt: "Die Vernunft der Nationen erschöpft sich noch immer in dem Bemühen, Arbeitsplätze auf der Titanic zu erhalten."

In Merzens Schädel haust eine Geist...

 

In Merzens Schädel haust ein Geist…

Lieber Friederich mit dem Namen Merz,
nun bist du fast so alt wie ich!
Gebrauch dein Köpfchen – nicht dein Herz
und leg die Karten auf den Tisch.

Handle klug und mit Verstand
und bedenk mit Schäuble, deinem Mentor,
stets die Folgen für dein Land -
sei weise und kein Tor!

So mahnten dich gewiss die Merkel-Klugen.
Welch Irrer kam dem denn zuvor,
dass dir die Welt gerät nun aus den Fugen?
Amnesie umnebelt jenen, der vor kurzem schwor:

Mit Blick auf aussichtsreiche Mehrheit
- und seien die Motive noch so lauter –
riskier ich nimmer nicht die Freiheit
zu bestimmen, wer hier sei Vertrauter!

Nun stehst du da mit deiner braunen Soße
und hast nicht mal ein Spülklosett!
Da saß der Führer einst, um nüchtern zu verkünden:
Ich bin der Souverän und sitze hier, die braunen Massen unter mir!

Die braune Soße gibt sich heute  b l a u  und klebt dir an den Händen.
Und wo gehobelt wird, da ist der Spahn nicht weit
mit Thorsten im Gefolge. Der ist so Frei und will nichts wenden!
Der Jubel kommt von Rechts und sorgt nur dort für Heiterkeit!

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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