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Hans Jonas und Georg von Boehm - 2. September 1987 - vor 38 Jahren???

Oder: Ne schöne Jroos an os un an all die...  un natürlich an dat Pack: Als solches werden wir epochal in Erinnerung bleiben (wenn es denn noch jemand geben sollte, der des Erinnerns fähig ist)

2. September 1987: Unsere älteste Tochter ist eben erst exakt einen Monat alt. In weniger als zwei Jahren – in exakt einem Jahr, zehn Monaten und 12 Tagen wird unsere jüngere Tochter geboren werden. Inzwischen sind vier Enkelkinder zwischen 6 Jahren und gut drei Wochen hinzugekommen. Das ist der engere Kreis der Familie. Warum das Bezugsdatum 2. September 1987? Reine Willkür? Ja - wenn man einmal von der vollkommen unbedeutenden Tatsache absieht, dass am 2. September 1987 Georg von Boehm ein Interview mit Hans Jonas führt (in: Begegnungen – Menschenbilder aus drei Jahrzehnten, München 2012, Seite 159-167). Mit Georg von Bohm und Hans Jonas frage ich mich:

Was hast Du getan – wenn man einmal absieht von der Schärfung des eigenen Bewusstseins und der Tatsache, das ein oder andere Gedicht geschrieben zu haben? Die Antwort liegt klar auf der Hand: Zu wenig – zu wenig als Individuum – viel zu wenig als Kollektiv!

N i m b y  - Not in my back-yard oder:
Sankt Florian wird uns schon retten

Wir saßen einst im Café Hahn
und tranken klares Wasser.
Wir fingen an zu grübeln und hatten nichts im Tee.
Zuletzt entstand der Eindruck, ich sei ein Menschenhasser.

Es waren nur drei schlichte Fragen,
und doch ging es um Kopf und Kragen:
Kommt der Strom nur aus der Dose und das Wasser aus dem Hahn?
Und die Freiheit zu Bleiben und zu Gehn, ist nicht nur leerer Wahn?

Da rief von Malle Pinkwarts Omma* übers warme Meer:  
Freitag, Samstag ist hier alles dicht - kommt doch alle her.
Layla ist schon da und viele ihrer Freier -
hohl im Kopf, doch in der Hose dicke Eier.

Ich kann nicht, ruft Herr Schultz: Hab Land Sickness** und fliege nach Korea.
Da ruft die Eva, die von Redecker***: Bleibt doch alle hier!
Und du, Herr Schultz, denk an Medea,****
bevor die (Groß)Mutter wird zum Tier!

Der Welt, in der, von der wir leben, sind wir egal.
Gleichwohl geraten Fluten, Dürren uns zur Mahnung,
und die Vergnügen werden schal.
Im Ahrtal hat man davon mehr als eine Ahnung.

Und doch gehn uns die Kleber auf den Sack,
bald gibt es Feuer unter Pflegebetten,
N i m b y- Not in my back-yard - ruft das Pack,
Sankt Florian wird uns schon retten!

* Von 2017 bis 2022 war Andreas Pinkwart Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen in den Kabinetten Laschet und Wüst I. Bei Lanz plädierte er dafür, dass auch die Omma es sich leisten können müsse, Urlaub auf Malle zu machen.

** Immer mehr Menschen leiden unter Landkrankheit - Land Sickness. Seit mehr als zwei Jahrzehnten untergräbt der Klimawandel das Lebensgefühl vieler Menschen - möglicherweise mit nachhaltigen Folgen für ihr bio-psycho-soziales Wohlbefinden (so definiert die WHO im Übrigen ihre Vorstellung von allumfassender Gesundheit). Elisabeth von Thadden geht in der ZEIT (30/2023, Seite 43) der Frage nach ob sich "eine angemessene und bewegende Sprache für das Unbehagen finden lässt, das der Klimawandel für uns moderne Menschen mit sich bringt". Dazu stellt sie uns Nikolaj Schultz vor und sein Buch Land Sickness (einfach mal im Internet aufrufen).

***Eva von Redecker: Bleibefreiheit, S. Fischer-Verlag, Frankfurt 2023

****Griechische Mythologie: Die Königstochter Medea wird von ihrem Mann Jason, für den sie ihre eigene Familie zurückgelassen und verraten hatte, verstoßen und rächt sich grausam, wobei sie auch ihre eigenen Kinder tötet.

Ich beziehe mich im Folgenden auf einen Aspekt im Gesprächsverlauf: Irgendwo auf Seite 160 stellt Georg von Boehm folgende Frage: „Sind die Naturwissenschaften in den letzten zwanzig Jahren nicht dabei, den Leib beherrschbar zu machen?"

Hans Jonas tastet sich zunächst langsam an das heran, was man einen Paradigmenwechsel nennt:

„In der seit der Geburt der modernen Naturwissenschaften von ihren philosophischen Wortführern eingeleiteten und dann immer mehr anwachsenden Bewegung kamen wir auf einen Pfad, in dem die von Bacon als Aufgabe der Wissenschaft proklamierte menschliche Macht durch Benutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einer wachsenden Umgestaltung menschlicher Lebensformen und der Umweltnatur führte.“ Diese Feststellung führt er dann auf der folgenden Seite weiter aus, und er stellt Fragen:

„Immer wieder hat sich die Menschheit in ihrer Technik, auch im Fortschritt der Naturwissenschaft, auch erkenntnismäßig, aber vor allem technologisch selber überrascht. Und es gibt doch sehr verschiedene Voraussagen, wohin diese oder jene Entwicklung führen wird. Wie viel kann man der Atmosphäre zumuten an Kohlendioxidanreicherungen, wie viel kann man den Strömen und den Meeren zumuten, und wie viel kann man dem Boden zumuten an künstlichen Chemikalien? Oder wie viel kann man dem Sauerstoffgehalt der Erde durch die Abholzung der Wälder zumuten? Wo liegen da die Schwellenwerte? Ich glaube, das steht in keinem einzigen Punkt fest.“

Georg von Boehm bemerkt, es gebe doch schon recht gute Prognosen. Sie seien vielleicht noch nicht konkret, das sei ganz klar: „Das werden wir vielleicht erst wissen, wenn es zu spät ist, wie sie selbst gesagt haben.“

Hans Jonas: „Zu diesem >zu spät< darf es natürlich nie kommen! […] Wenn wir so weitermachen wie bisher, mit der Unbedenklichkeit, die im Anfang der Industrialisierung durch das ganze 19. Jahrhundert noch fröhlich herrschen konnte, bringen wir uns damit unter Umständen ins Unglück. Die Antwort ist – und das ist die praktischere Seite der Vorsicht – Bescheidung. Man muss anfangen, das zu bremsen und in den Griff zu bekommen, indem man die eigenen Gewohnheiten etwas ändert.“

Der darauf folgende Einwand von Georg von Boehm liegt auf der Hand: "Wenn Sie annehmen, dass diese Bescheidung menschenmöglich ist, was ich fast bezweifeln möchte, haben Sie ein Rezept dafür oder kennen Sie den Weg? Und er insistiert, als Hans Jonas von Bescheidung, Mäßigung und Maßhalten spricht: "Aber das ist ja gerade meine Frage. Wie könnte man solche Prinzipien wieder einführen, abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass das möglich ist? Und da wir schon bei Prinzipien sind: Wie könnte Ihr Prinzip Verantwortung dabei helfen?

Hans Jonas: "Ja, es gibt ja so etwas wie Überredung, die man nicht ganz gering veranschlagen soll. Dass man von zwei Seiten her den Menschen doch zu gewissen Berichtigungen seiner Vorstellungen und Bestrebungen bringt. Das eine ist nicht sehr nobel, aber wirksam: die Angst. Und wo die Weisheit oder das rechte Wertgefühl fehlt, kann die Furcht sehr wohl als Ersatz dienen."

Bevor wir dann in der Tat zu den resignativ-fatalistischen Schlussfolgerungen des ehrenwerten Hans Jonas gelangen, wollen wir uns noch ein wenig quälen. Pardon: wer quält sich denn heute noch? Wo doch Freuds These von der kollektiven Intelligenzhemmung, die Jan Philipp von Reemtsma in das unaufhebbare Nichtbescheidwissen der Mehrheit überführt und die Peter Sloterdijk wendet in die sarkastische Schlussfolgerung, es gebe kein Menschenrecht auf Nicht-Überforderung das Bewusstsein der Massen zutreffend charakterisiert?!?!

Hans Jonas spricht von einer Ethik der Befürchtung:

"Die Befürchtung, wenn sie um sich selbst ist und um die Familienmitglieder, die kann sehr wirksam sein. Aber eine Befürchtung für spätere Nachkommen in dritter oder vierter Generation und von Leuten, die vielleicht selber gar keine Nachkommen haben, das setzt sich sehr schwer durch. Um das wirksam zu machen, muss man ein wirkliches Gefühl für die Zukunft der Menschheit erziehen. Das ist eine Aufgabe der Bewusstseinbildung. Und Menschen sind dafür nicht ganz unempfänglich, denn ein Gefühl der Verantwortung für andere, die erst im Werden sind und von einem abhängen, ist ja tief eingepflanzt in den Menschen, von der Erfahrung der Elternschaft, vom Eltern-Kind-Verhältnis her."

Georg von Boehm: "Sie meinen, das müsste reaktiviert werden? Wir sprechen jetzt über die Forscher."

Hans Jonas
: "Ja, man kann voraussetzen, dass für den normalen Menschen etwas da ist als innerster Trieb, diese Verantwortung für das hilflose Kind auch auszudehnen auf die weitere Zukunft."

Ja und wovon sollen wir nachts träumen???

Wo sind denn die normalen Menschen???

N i m b y  - Not in my back-yard oder: Sankt Florian wird uns schon retten! 

Das ist doch heute die Haltung des normalen Menschen - selbst die Tatsache, Kinder und Enkelkinder zu haben, macht - sieht man die Masse - keinen Unterschied mehr!

Georg von Boehm  q u ä l t uns und Hans Jonas noch ein bisschen weiter:

Hans Jonas meint: "Das Zur-Verantwortung-Ziehen ist eine Frage für sich. Da die Folgen gewöhnlich erst eintreten, wenn die, die sie verursacht haben, längst tot sind, könnte ja dieses Zur-Verantwortung-gezogen-Werden nur beim Jüngsten Gericht vor dem Richterstuhl Gottes stattfinden.

Georg von Boehm wendet ein: Aber ist das nicht zu abstrakt, um ein Gefühl der Verantwortung übernehmen zu können?

Noch wehrt sich Hans Jonas: Nein, mir scheint Ihr Einwand zu abstrakt zu sein. Natürlich, gewisse Sachen, die geschehen sind, können nicht ungeschehen gemacht werden. Aber man kann doch Lehren ziehen aus der Erfahrung und sich dann künftiger Missgriffe enthalten oder jedenfalls sehr viel vorsichtiger, zögernder und umsichtiger zu Werke gehen, als man sich es früher geleistet hat. Die Unfälle, die passieren, können ja durchaus erzieherisch wirken.

Kurzer Einwand meinerseits

Der Welt, in der, von der wir leben, sind wir egal.
Gleichwohl geraten Fluten, Dürren uns zur Mahnung,
und die Vergnügen werden schal.
Im Ahrtal hat man davon mehr als eine Ahnung.

Gero von Boehm meint dazu: "Aber viele kleine Katastrophen können auch zur Gewöhnung führen und die Menschen abhärten gegen die große Katastrophe."

Nun hat er Hans Jonas soweit. Er erkennt das gebotene Schach-Matt an und meint: Ja, das ist alles möglich. Wenn der Menschheit nicht zu helfen ist, dann ist ihr nicht zu helfen. Solche >vielleicht<, wie Sie eben angedeutet haben - ich will gar nicht verneinen, dass es darauf vielleicht hinausläuft, schrecklicherweise, aber es ist doch nur ein >vielleicht<. Man kann doch nicht auf ein >vielleicht< hin die Hoffnung aufgeben, das heißt, die Sache der Menschheit verloren geben."


Randbemerkung: Im Morgen-Magazin von heute: 25% der Befragten wollen der AfD ihre Stimme geben - und es sind gewiss am wenigsten jene, die von einer Politik der Klima-Leugner tatsächlich Gewinn hätten.

 

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Okay

Wer wir sind, und was wir tun? An alle, die ein Wählervotum für die AfD erwägen

Diese Frage habe ich mir schon im Rahmen meiner Kästner-Adaption gestellt!

Wer wir sind?
Wie können wir das wissen?
Wer wir sind als Kind?
Schaut euren Eltern ins Gewissen!

Gewiss kann heute jeder seh‘n
dass – wo die Seele grob verroht,
wo Solidarität und Mitgefühl vergeh‘n
ein steter Kreislauf droht.

Klaus Theweleit ruft in die Runde:
„Seht dort, die halb-gebor‘ne Brut*,
wie ein Fanal trägt sie die Wunde,
verwandelt sie in rohen Hass und Wut.

Was heißt hier: halb-gebor'ne Brut?“
Nicht jedes Kind wird angebrüllt, geschlagen,
alleingelassen – ohne Zuspruch, ohne Mut,
auf sich gestellt in allen Lebenslagen!

Du meinst, es fehlt an Liebe und an Wärme –
vielleicht ganz schlicht: an Urvertrau'n?
Und Angst schürt das Gelärme?
Worauf soll man denn bau'n?

Ja, Angst bereitet immerfort den Grund,
mit dem beginnt die Welt sich aufzulösen,
- nur noch Fragment, kaputt und wund -
wer sind die Guten, wer die Bösen?

Natürlich ist es leicht, die Bösen auch zu packen,
in einer Welt, in der das Fremde droht.
Wir sind es nicht! So brüll(t)en immer schon die rechten Spacken.
Und sehen ab von sich – reflexhaft und verroht.

Und brüsten sich als singulär und arisch,
als einzigartig grenzt man and're aus.
Und geht ein Fremder fehl, dann ist das exemplarisch,
und alle Fremden müssen raus!

Der eigne Körper wird zur Waffe,
gestählt und taub negiert er jeden Schmerz.
Und nur ein Feind nimmt an, da klaffe
tief in uns ein triefend-blutend Loch im Herz.

Und immer wieder frag ich nach den Müttern.
Wer gebiert denn einen Hurensohn?
Es müsst ihr Herz und den Verstand erschüttern,
wenn Söhne würdelos verlieren sich in blankem Hohn.

Wer glaubt denn heute noch der Haarer
und lässt sein Kind verwahrlost schrein?
Es müsst ein Schmutzfink sein von Pfarrer,
gewissenlos im Anblick fremder Pein.

*um diese Begriffswahl nachvollziehen zu können, muss man sich mit Klaus Theweleit auseinandersetzen (geht über diesen Link)

Und wollt ihr wirklich wieder

"Mütter, die im Schoße tragen
Ein hart Geschlecht, das wie aus Erz geschweißt
Und ohne Knechtsinn, bänglich zagen
Sich kühn den Weg zum neuen Aufstieg weist?

Wollt ihr wirklich wieder

Mütter, die nicht abseits stehen,
Wenn blonde Söhne ruft der Kampfesschall,
Die schützend im Gebet zur Seite gehen
Und segnend Hände breiten überall?

Ja, wollt ihr wirklich wieder

Mütter, die da opfernd geben,
Was sie genährt mit ihres Leibes Blut.
Und wenn der Wunde tiefste schlug das Leben
Sich selbst verströmen in der Liebe Glut
?" **

**den Urheber/die Urheberin dieser rot gesetzten Zeilen konnte ich nicht ermitteln

Hört doch Björn, den Höcke reden,
hört des Krahs Gekräh!
Ich frage von euch jeden:
Wollt ihr's wirklich wieder flink und hart und zäh?

Schluss mit eurem billigen Protestgehabe,
ein jeder weiß und hat gewußt -
ein jeder, auch die letzte Schabe,
wer sich bedient und labt an eurem Frust.

Steht auf und nehmt das Leben in die Hand,
steht ein für eure Sache,
ihr lebt in einem freien Land -
schon sieht sie sich - die AfD - als Wache.

Wollt ihr den totalen Sieg
zum Preise eurer Freiheit?
Wenn nicht, dann seht ihn endlich - ihren Krieg,
mit dem sie spalten uns're Einheit!



   
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