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Benedikt Bösel: Rebellen der Erde (II)

Kapitel II - Vom Banker zum Bauern (hier geht es zu III und IV)

Benedikt Bösel hat seine Erfahrungen auf 256 Seiten zusammengetragen. Ich werde diese Erfahrung extrem verdichten – ich bin ja im Übrigen Lyriker. So sehr ich auch schwafeln kann, ich verstehe mich auch auf die Kunst der Verdichtung!

Und Benedikt Bösel hat mit seinem Weg – nolens volens – einen Plot, der neugierig macht. In diesem Kapitel erklärt er seinen Weg – und ich bin ihm dankbar dafür – mit wendepunktträchtigen biografischen Splittern. Sie geben im Endergebnis hohen Sinn, weil sie uns allen Hoffnung machen auf die Kraft der Einsicht, der Visionen und die Fähigkeit umzukehren! Aber zunächst zur bilderbuchhaften Tellerwäsche-Karriere des Benedikt Bösel:

Rebellen der Erde I - hier geht es zu Kapitel II

Vom Cover eines vor wenigen Tagen spontan erworbenen Buches schaut mich ein bärtiger, sympathisch erscheinender junger Kerl an; Kappe auf dem Kopf – umgedreht mit Schirm im Nacken. Er hält in seinen beiden Händen einen Haufen Erde. Mit großen weißen Buchstaben ist auf dem himmelblauen, weit geöffneten Hemd, dass Benedikt Bösel trägt, zu lesen: Rebellen der Erde: Wie wir den Boden retten – und damit uns selbst! Das 2023 (bereits in zweiter Auflage) im Scorpio-Verlag erschienene Buch hält auf seinem Cover – in Art eines kreisrund gestalteten Siegels – eine weitere Info bereit: „Direkt vom Feld – Lösungen und Hoffnungen aus der trockensten Ecke Deutschlands. Mit einem Vorwort von Maja Göpel“. Ich erinnere mich, dass ich den Hart-Cover-Band von vorn nach hinten und von hinten nach vor durchblätterte. Die grafische Gestaltung war absolut ungewöhnlich, gleichwohl ansprechend, ebenso wie Kapitelaufbau- und gestaltung. Außerdem fixte mich die Widmung enorm an: Für meine Eltern, die mir täglich zeigen, was die Grundlagen des Lebens sind – Familie, harte Arbeit und Großzügigkeit.“

Ich stand und stehe unter dem Eindruck von Eva von Redeckers Bleibefreiheit. Mir war intuitiv klar, dass ich mit diesem Buch ganz offenkundig eine praktische Entsprechung ihrer Philosophie in den Händen hielt; einer Philosophie im Übrigen, die seit mehr als 25 Jahren meiner erklärten und auch praktizierten Lebensphilosophie entspricht.

Eltern beeinflussen das Lebensglück ihres Nachwuchses weniger, als sie denken

Mit dieser These nähert sich Tillmann Prüfer in der aktuellen Ausgabe des ZEIT-Magazins (25/23) einer zentralen Frage, die Eltern und Kinder – und Kinder, die dann irgendwann selbst Eltern sind – seit Jahrzehnten umtreibt. Prüfer setzt eine Klammer, indem er Sigmund Freud zitiert. Der schrieb wohl nachweisbar den Satz:

„Wenn man der unbestrittene Liebling der Mutter gewesen ist, so behält man fürs Leben jenes Eroberergefühl, jene Zuversicht des Erfolges, welche nicht selten wirklich den Erfolg nach sich zieht.“

Die Jahre zwischen Geburt und Erwachsensein (nach deutschem Recht ist Kind, wer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat) – so Prüfer – führten für die einen zu einem mystischen Meer, in dem sie nach Erklärungen für das eigenen Leben fischten. Für andere türmten sie sich zu einem Gebirge auf, bei dessen Ersteigen man sich ständig die Frage stellte: „Machen wir es richtig? Sind wir empathisch, fördernd, führend, liebend genug? Und was richten wir an, wenn wir es falsch machen?“

Tillman Prüfer bezieht sich auf den französischen Philosophen Bernard-Henry Lévy, der auf die Frage nach Kindheitserinnerungen meinte:

„Ich glaube nicht an die Kontinuität zwischen dem, der man als Kind war, und dem, der man als Erwachsener geworden ist.“

Mit Blick auf die Ernsthaftigkeit und den Anspruch, mit denen Tillmann Prüfer für diesen langen Beitrag recherchiert hat, muss ich zunächst einmal einräumen, dass ich ihm mit diesem knappen Beitrag in meinem Blog nicht gerecht werde. Mir geht es um die Prüfung seiner Eingangsthese und eine Zuspitzung, die mir im engeren Kontext meiner Beziehungswelt zu schaffen macht. Dort gibt es – nachweisbar – einen Fall, der, weil sich die Lebensläufe räumlich und zeitlich in einem äußerst engen Feld (Hausbacke an Hausbacke mit gemeinsamem Garten) in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren und auch darüber hinaus entfalteten. Alle Fragen, die Tillmann Prüfer auf wissenschaftlich erforschtem Terrain stellt, lassen sich hier mit Blick auf Lebensläufe, die sich – bis auf wenige Stunden – im gleichen historischen, kulturellen, sozialen Umfeld ereigneten, auch hier stellen. Hinzu kommt, dass die beiden Protagonisten sich über ihre Mütter auch blutsverwandtschaftlich verbunden sind (diese Bindung hat bis heute auch ihre verlässliche emotionale Fundierung).

Die Frage, die Tillmann Prüfer in den Mittelpunkt stellt, lautet schlicht: „Was weiß man darüber, wie Kindheit und Erwachsenenalter wirklich zusammenhängen?“ Ich verkürze nun enorm und vielleicht unbotmäßig; halte dem aber entgegen, dass man sich das aktuelle ZEIT-Magazin problemlos beschaffen kann, um sich ein eigenes Bild zu machen.

So schnell komme ich von Eva von Redecker nicht los - für meine Cousine

So schnell komme ich von Eva von Redecker nicht los. Sie zitiert Simone de Beauvoir im Zusammenhang mit einer Vorstellung, was denn Glück wohl sein könnte? Und aus diesen Überlegungen zieht Eva von Redecker ihre Schlussfolgerungen (Bleibefreiheit, Seite 92-97)?

„Das Glück ist eine weniger verbreitete Berufung, als man annimmt. Ich glaube Freud hat völlig recht, wenn er es von der Erfüllung kindlicher Begierden abhängig macht. Ein normales Kind, das man nicht bis zum Stumpfsinn vollstopft, birst vor Gelüsten: was es in Händen hält, ist so wenig im Vergleich zu dem unendlich vielen, das es wahrnimmt und um sich fühlt.“

Eva von Redecker - Bleibefreiheit V

hier: II III - IV

Dysbiose – Ungezwungene Regeneration - Redundanz

Zum Einstieg in ihre Schlussargumentation bietet Eva von Redecker mit George Monbiot über einen der Medizin entlehnten Begriff zunächst einmal ein nachvollziehbares Analogie-Verständnis zwischen der Gefährdung des menschlichen Organismus und der ökologischen Empfindlichkeit des von uns bewohnten Planeten an:

„>Dysbiose< meint den Zusammenhang der Darmflora, wenn die eigentlich symbiotisch angelegten mikrobiologischen Vorgänge außer Balance geraten (Seite 132).“ Im übertragenen Sinn nimmt sie den Kollaps der Systemregeneration in den Blick, „weil sich Gezeiten entkoppeln oder gekappt werden“.

Eine evolutionsbezogen beobachtbare Anpassungsleistung – von Redecker spricht von der Neujustierung einzelner Gezeiten, um unter veränderten Bedingungen weiterhin regenerieren zu können. Dies zeichne dynamisierte Ökosysteme aus:

„Wenn der Anpassungsdruck allerdings >unnatürlich< groß wird, etwa durch Eintrag toxischer Stoffe oder durch Klimaverschiebungen, führt das dazu, dass Gezeiten auseinanderdriften (Seite 131).“

Dem Co-Vorsitzenden des Welt-Biodiversitätsrats, Josef Settele entlehnt sie zu einem besseren Verständnis folgende Metapher:

„Eine fehlende Niete wäre – entfernte man sie einem Flugzeug im vollen Flug – nicht weiter schlimm, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem zu viele Nieten fehlen und das Flugzeug stürzt ab.“

Das trügerische an dieser Metapher sei aber, dass man ein Flugzeug nachbauen könne – ein Punkt, den man nicht genug betonen könne: „Ökosystemischer Kollaps ist irreversibel. Die verlorene Zeit ist wirklich verloren. Es ist keine Krise, aus der sich Erneuerung schöpfen kann, denn das Schöpferische – die kreisende, formende Zeit – ist zerbrochen (Seite 131).“

Auf das Jäten und Mulchen – dem Eva von Redecker zentrale Aufmerksamkeit widmet – komme ich weiter unten zurück. Sie gehören zu einer wohlverstandenen Reproduktionsarbeit. Und diese Vorstellung von Reproduktion und Regeneration möchte ich an der Stelle mit Eva von Redecker etwas näher beleuchten:

„Damit ist nicht nur die Fortpflanzung gemeint, sondern jeder Beitrag zur Lebenserhaltung, angefangen von der Kleinkindversorgung über jede Mahlzeit und Waschmaschine bis hin zur Psychotherapie und Demenzbetreuung. Im patriarchalen Kapitalismus ist ein Großteil dieser Arbeit von der gewinnträchtigen Warenproduktion abgespalten, in den privaten Raum verbannt und an Frauen delegiert.“

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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