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Benedikt Bösel: Rebellen der Erde - (III und IV)

Kapitel III und IV: Die Dürren – immer weniger Wasser und Der Boden – immer weniger Humus

Ähnlich meinem eigenen Amoklauf in der Familienapp 2018, als auf dem Heyerberg das Obst verdorrte, die Felder - knochentrocken – Ernteeinbußen bisher kaum gekannten Ausmaßes erwarten ließen, verlässt Benedikt Bösel den avisierten Pfad einer lediglich agrartechnischen Revolution und gelangt an einen finalen Wendepunkt. 2022 ist dann das Referenzjahr, von dem Benedikt Bösel sagt, dass es alles bisher Dagewesene toppte:

„In Deutschland zeichneten drei Wetterstationen des Deutschen Wetterdienstes knapp über 40 Grad auf: in Hamburg, in Niedersachsen und in Sachsen-Anhalt. In Großbritannien wurde überhaupt erstmals die 40-Grad-Marke geknackt. In Spanien wurden Temperaturspitzen von 46 Grad gemessen […] Die Europäische Dürrebeobachtungsstelle gab für 47% unseres Kontinents eine Dürrewarnung aus.“

Es war der bislang wärmste, jemals in Europa gemessene Sommer. Die Folgen sind bekannt, und sie wiederholen sich. Die Dürrewarnung mit dem gemessenen Niederschlagsdefizit hatte eine Beeinträchtigung der Wassereinträge der Flüsse in ganz Europa zur Folge: „Die geringen Speichermengen hatten schwerwiegende Auswirkungen auf den Energiesektor, sowohl für die Erzeugung von Wasserkraft als auch für die Kühlsysteme von Kraftwerken.“

Alles nicht neu – alles sattsam bekannt und von namhaften Klimaforschern seit langem prognostiziert. Im Zusammenhang mit den drastischen Sommerphänomenen hatte die deutsch-britische Klimaforscherin Friederike Otto vor Jahren bereits gewarnt, dass die Hitzewellen, die vor der Industrialisierung etwa einmal pro Jahrzehnt zu beobachten waren, bei den heutigen Klimaentwicklungen bereits 2,8 Mal pro Jahrzehnt vorkämen und deutlich über ein Grad wärmer seien. Bereits seit 2011 - mit Ausnahme des Jahres 2012 – und ganz besonders in den letzten fünf Jahren erreichen die Dürreintensitäten und die betroffenen Flächen extrem bedrohliche Ausmaße. Benedikt Bösel zitiert Karsten Rinke, Experte für Wasserressourcen beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung:

„Wenn wir weiter ungebremst das Klima erwärmen, haben wir bis zum Ende des Jahrhunderts die ersten Areale im Osten, besonders in Brandenburg, die tatsächliche einer Versteppung unterliegen.“

Benedikt Bösel verwirft die aufwändige Bohrung von Tiefenbrunnen nicht nur aus finanziellen Erwägungen. Die langfristigen Risiken seien viel zu groß: „Die Aquiferen, die großen Grundwasserleiter in der tiefen der Erdkruste, sind die Arterien des Planeten […] Verlässliche Daten darüber, wie viel Wasser noch in den Aquiferen ruht, gibt es nicht.“ Besonders dramatisch erscheint die Feststellung, dass wir die Steppen, die uns vorhergesagt werden, bereits schon vor Jahrzehnten angelegt haben:

„Die Ironie der Geschichte ist, das wir in der Notwendigkeit, unsere Landschaften an den Klimawandel anzupassen, genau das Gegenteil von dem brauchen, was eine Steppe ausmacht. Die Hauptrolle dabei spielt der Boden.“

Benedikt Bösel spricht den unverzichtbaren Kreislauf für ein intaktes Ökosystem an:

Humus, das ist der lebendige und kraftstrotzende Teil unseres Bodens, aus dem sich unsere Pflanzen einerseits ernähren, zu dem sie andererseits aber auch wieder werden.“

Benedikt Bösel, der uns auf dem Cover nachdenklich anschaut, hält in seinen Händen einen Haufen Erde. Sieben bis acht Milliarden Lebewesen habe man in der Hand, wenn man in gesunden Waldboden greift:

„Und das sind keine Einzelgänger! Sie alle sind Teil eines komplexen, symbiotischen Systems, in dem Pflanzen, Pilze, Insekten, Würmer und Mikroben Lebensgemeinschaften bilden.“

Wir erhalten einen Schnelldurchgang in Bodenbiologie, der die meisten von uns in der Schule gelangweilt hat, der sich aber nun als die Grundlage allen Lebens auf diesem Planeten erweist. Denn:

„Es geht ja nicht nur um den Boden als unsere Nahrungsquelle. Neben der Funktion als Nährstoffproduzent und -speicher übernimmt er viele andere Ökosystemleistungen. Er ist der Ort, auf dem durch die Pflanzen die Fotosynthese stattfindet, er hält als Speichermedium die Wasserzirkulation am Laufen, er ist als Lebensraum Grundlage der Artenvielfalt. Gleichzeitig trägt der Boden zur Regulation unseres Klimas bei. Er dient als gigantischer Speicher von Kohlenstoff.“

Worin besteht die zentrale Wende im Denken und Handeln Benedikt Bösels? Diese Wende beruht auf einer Erkenntnis, die er folgendermaßen zusammenfasst:

Es steht so unheimlich viel auf dem Spiel. Neben den rasant zunehmenden ökologischen Risiken verlieren wir mit schlechter werdenden Böden die Sicherheit, weiterhin ausreichende Ernten liefern zu können. Vielerorts werden die schwindenden Ernten jedoch mit einem künstlichen Konstrukt bekämpft. Die Kettenreaktion und der damit einhergehende Teufelskreis gehen so: Düngen wir zu intensiv mit scharfem Flüssigdünger, greift dieser die Mikrobiologie des Bodens an. Das wiederum verringert die natürliche Widerstandsfähigkeit und Gesundheit der Pflanzen, die auf die Bodenbiologie und die von ihr gelieferten Nährstoffe angewiesen sind. Dadurch können sich die Pflanzen weniger gut gegen Schädlinge und Krankheiten schützen, weswegen wiederum Chemie benötigt wird, um darauf zu reagieren.“

Man wundert sich möglicherweise, wenn Benedikt Bösel nunmehr verkündet: „Wir haben uns für Kuh und Kompost entschieden – dies und anderes wird in den Folgekapiteln eingehend erläutert. Die Kehrtwende hängt mit Einsichten zusammen, die aus den Forschungsergebnissen zu einer regenerativen Landwirtschaft resultieren. Hier geht es um die Vorteile von Untersaat, ums Mulchen oder Agroforstsysteme. Benedikt Bösel berichtet, dass inzwischen auch endlich die Politik reagiere. Während die Europäische Union bisher das bestehende System mit Milliardensubventionen aufrechterhalten habe, habe sie nunmehr einen Ausschuss eingerichtet, der mit Blick auf die EU-Bodenstrategie 2030 den Weg zur Wiederherstellung gesunder und fruchtbarer Böden ebnen solle.

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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