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Der Überfall Russlands auf die Ukraine - Parallelen zum Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion

(für meinen Freund Herbert)

Gerd R. Ueberschär und Wolfram Wette traten 1984 als Herausgeber mit einem Buch an die Öffentlichkeit, das unter dem Titel Unternehmen Barbarossa den deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 dokumentierte und analysierte. In einer erweiterten Neuausgabe von 2011 findet sich auch die Vorbemerkung zu einer 1990 erschienenen Taschenbuchausgabe. Höchst aufschlussreich - mit Blick auf den derzeitigen Diskurs zum Überfall Russlands auf die Ukraine - finden sich folgende Bemerkungen, die ich hier auch zu einem besseren Verständnis meines Dialogs zwischen Franz und Jurij - mit kurzen eigenen Kommentaren versehen - wiedergebe:

Franz und Jurij

Franz, der Vater meiner Schwester, liegt auf einem deutschen Soldatenfriedhof in der Ukraine/Saporoschje. Über 400.000 deutsche Soldaten verloren im Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet der Ukraine ihr Leben. Jurij verlor sein Leben als 23jähriger Angehöriger der russischen Invasionsarmee in den ersten Tagen des völkerrechtswidrigen Einmarsches der Russen in die Ukraine. Franz und Jurij beginnen ein Gespräch, in dem die Lehren aus der deutschen und der russischen Aggression zu ziehen sind.

Ich danke Marisa Brass für: Francesca Melandri, Kalte Füße (Wagenbach, Berlin 2024) - "Was bedeutet Krieg? Und was, wenn man auf der falschen Seite kämpft? Francesca Melandri erzählt die Geschichte ihres eigenen Vaters - und bringt die Stille einer ganzen Generation zum Sprechen." Zum Einsatz italienischer Verbände im Rußland-Feldzug (Barbarossa) siehe: hier!

Franz: Was ist das seit Wochen für ein Höllenlärm da draußen? Wer stört unsere Totenruhe und dringt ein in das Reich der Toten?

Jurij: Verzeih, wir wollen Euch nicht in Eurer Totenruhe stören. Wir haben uns die Zeit nicht ausgesucht, und keiner von uns wollte sterben, hier in der Ukraine, im März 2022! Aber was machst Du hier? Du bist doch offensichtlich ein Deutscher?

Franz: Ich liege seit Ende September 1943 auf diesem Friedhof. Ich bin auf dem Rückzug meiner Einheit hier in der Nähe gefallen – vor fast 80 Jahren. Die Generation Deiner Großeltern hat gegen uns gekämpft. Heute – nach fast 80 Jahren – kann ich sehen, was damals geschehen ist. Es ist übrigens in allen Geschichtsbüchern nachzulesen.

Der Freiheitskampf der UkrainerInnen

„Dass die Ukrainer heute mit so großer Zähigkeit um ihre Unabhängigkeit kämpfen, hat auch mit diesen historischen Traumata zu tun. Noch einmal wollen sie nicht auf dem Amboss eines Imperialisten zermalmt werden.“

Mit diesem Satz endet Hauke Friederichs kurze Erinnerung an Fritz Hartnagel, der im Mai/Juni 1942 als Wehrmachtssoldat aus Mariupol/Ukraine Briefe an seine Freundin Sophie Scholl schreibt (ZEIT 12/22, S. 17). Noch im Lazarett in Lemberg (Lwiw/Ukraine) erfährt er, dass seine Freundin am 18. Februar 1943 verhaftet worden ist und nach einem Schnellverfahren sofort hingerichtet wurde.

H I S T A L I T L E R N  - ein Anagramm

Ich hatte einen Freund – früh in der Schule bis in die Achtziger;
Irgendwann war der erwachsen.
Wir hingegen traten an in Bonn - im Hofgarten - gegen das Gleichgewicht des Schreckens.

Dem misstraute auch er und setzte auf Stahlbeton!
In den Fördernischen des Bundes
Und unter entstehenden Neubauten verschwanden Millionen.
Wir lachten uns einen Ast, an dem wir gleichzeitig sägten.

In den Bunkern tauschte und erneuerte man Notrationen -
Doch irgendwann gab auch der Freund auf und verfrühstückte mit uns die Friedensrendite.
Die Kriegseltern selbst – vor hundert Jahren in das Minenfeld eines verfeindeten Europa hineingeboren – mussten nicht einsitzen!
Die Bunker verfielen und Wehrhaftigkeit zog ein in das Wörterbuch des Unmenschen.

„Als ‚Historiker‘ wirkt Putin wie ein gelehriger Schüler Hitlers“

Heinrich August Winkler hat diesen Satz formuliert in seiner in der ZEIT (11/22, S. 8) veröffentlichten Analyse „Was Putin mit Hitler verbindet“. Gerd Koenen ruft im SPIEGEL (10/22, S. 68/69) „Das Ende unserer moralischen Komfortzone“ aus. Ich nutze beider Argumentation um mich mit Bauchschmerzen und mit Bitterkeit jenem „grellen Blitz der Erkenntnis“ auszusetzen, der – so Gerd Koenen – „in der Mitte der bundesdeutschen Öffentlichkeit und des Berliner Parlaments eingeschlagen hat“.

Wenden wir uns zunächst einmal Heinrich August Winkler zu, dem sicherlich eine Sonderstellung in der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte des 20. Jahrhunderts zukommt. Sein Wort hat Gewicht und sollte nicht vorschnell von einer friedensbewegten Geste hinweg gewischt werden. Winkler beschreibt in einem ersten Schritt „die Analogie des Vorgehens“ (mit Blick auf Hitler und Putin) und nennt sie „schlagend“.

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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