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Immer auch für Rudi - Rudi Krawitz ist tot
- Am 30. November 2024 und immer wieder: Wer redet, ist nicht tot! Unser Codewort, unser Ritual der Selbstvergewisserung und der Vergewisserung unserer Freundschaft. Immer in den letzten 31 Jahren gab es einen Anschluss - einen wechselseitigen Anschluss, der uns garantierte, dass wir uns nicht ganz verloren, auch in Zeiten der Anspannung und der Missverständnisse. Der Tod war unser Begleiter von Beginn an: Am 21. Juni 1994, als Rudi mir - als mein Dienstvorgesetzter - zum Tod meines Bruders kondolierte, 1997 als ich ihm zum Tod seines ältesten Sohnes, Björn, kondolierte: Und erst recht seit dem 27. August 2016, als mit Andreas sein zweiter Sohn bei einem Autounfall ums Leben kam. Diesen Kelch habe ich eine mächtige Kelle Anteil nehmend mit ihm gemeinsam ausgetrunken, als wir in der unerträglichen Hitze der frühen Septembertage den Unfallort im Odenwald besuchten und einen ganzen Tag des tiefsten Schmerzes miteinander gestalteten, uns beide stützen - war Andreas meiner Familie doch auf so ganz besondere Weise verbunden - unvegessen unsere gemeinsame Reise nach Irland, wo ich meine Flugangst gänzlich besänftigen konnte, indem ich Andreas die Hand hielt. Rudi und ich - wir haben uns oft gemeinsam an den Händen gehalten, ungläubig, was das Leben uns bescherte. Wir sehnen uns nach Hause und wissen nicht wohin! Diesen Eichendorff-Vers - wie so viele Verse, so unendlich viele Anregungen verdanke ich Rudi. Wo darf ich sterben, selig geborgen? Dies hat Rudi nun entschieden - vermutlich, in freier Verfügung über sich selbst. Bei all unseren Gesprächen in den letzten Monaten hat er betont, wie sehr er sich im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Gesellschaft für Humanes Sterben eben für ein selbstbestimmtes Sterben einsetze.
Kommt, reden wir zusammen -
wer redet, ist nicht tot!
Du wusstest wohl: es züngeln doch die Flammen
schon sehr um Deine Not – und hast mir zugerufen:
Kommt öffnen wir die Lippen,
so nah schon an den Klippen
in Deinem schwachen Boot.
Nur wer redet, ist nicht tot! (immer auch für Rudi - hinzugefügt am 24.02.2024)
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Sophie Auster ... Ich bin Agnostikerin
Mit wem unterhalte ich mich heute morgen? Klar - privilegiert wie ich bin - immer zuerst mit meiner Frau. Die liest mir heute morgen einen Brief vor, mit dem ein alter Bekannter sein bedauernswertes Schicksal über die letzten zehn Jahre Revue passieren lässt - kaum auszuhalten, kaum vorstellbar, wenn man relativ gesund ist; zumal wenn erinnert wird an gemeinsame Schi-Exkursionen, verbunden mit einem Erinnerungsleuchten, das eindeutig von besseren Zeiten zeugt. Nun gehe ich meinen alltäglichen Ritualen nach, wozu auch das kursorische Sichten der aktuellen ZEIT-Ausgabe gehört: >"Es flattert in mir" - Die Künstlerin Sophie Auster hat gerade ihren Vater, ihren Bruder sowie ihre Nichte verloren - und ein Kind zur Welt gebracht. Wie schafft sie es, glücklich zu sein, während sie den Verlust ihrer Lieben noch nicht fassen kann.<
Höre mir eben
Sophie Auster (eine weitere Hörprobe) ist ein paar Wochen älter als meine älteste Tochter. Sie hat vor 18 Monaten ihren Sohn Miles auf diese Welt gebracht. Sie vermag den Bogen zu spannen von den tiefgreifendsten Verlusterfahrungen zur Tatsache, dass sie Mutter des 18 Monate alten Enkels ihres Vaters ist. Der Verlusterfahrung gegenüber bleibt Sophie Auster skeptisch, was ihre Verarbeitung anbelangt:
"Die Menschen reden immer von Verarbeitung, aber was ist das eigentlich genau? Bei mir war da erstmal nur ein Schock. Bis heute. Der nimmt so viel Raum ein, dass wenig anderes entsteht. Es fühlt sich immer noch nicht real an. Wenn dann Feiertage oder Geburtstage kommen, dann haut die Realität um, und du merkst, die Person ist wirklich nicht mehr da." Und ob sie denn überhaupt trauern konnte? "Es fiel mir schwer. Vor allem war es schwer, meine Art der Trauer mit Menschen zu teilen. Trauer ist so unterschiedlich, und sie nimmt ständig eine andere Gestalt an. Ich erinnere mich an einige sehr manische Momente, auf eine Art auch hysterisch, es flatterte in mir. Ich wusste nicht, wie ich mit dem, was passierte, umgehen sollte. Manchmal dachte ich: Wie soll ich den Rest meines Lebens ohne diese Person existieren? Und dieses Gefühl geht nicht weg. Es verändert sich."
Im Rahmen des Interviews gibt es ein paar erläuternde Hinweise:
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sparring partner (Paolo Conte)
In den letzten Wochen habe ich mich intensiv wieder Hildes Geschichte zugewandt. Heute habe ich diese Arbeit abgeschlossen. Das 31. Kapitel weist insofern über Hildes Geschichte hinaus als es den Bogen spannt bis hin zu Hildes Tod am 27. Juli 2003. Mehrfach habe ich betont, dass in erster Linie Henning Sußebach mit: Anna oder: Was von einem Leben bleibt den Anstoß zu dieser neuerlichen Auseinandersetzung geliefert hat. Aus Hildes Geschichte ist ja kein (SPIEGEL-)Bestseller geworden. In der exemplarischen Bedeutung, die Henning Sußebachs Arbeit zukommt, wird denn auch deutlich, wie irrelevant dieser Aspekt des Schreibens und Publizierens ist. Nachhaltige und konstruktive Effekte ergeben sich (genea-)logischer Weise innerhalb der Dynamiken des damit angesprochenen Familiensystems - interessant erscheint Götz Alys Anregung, ob es uns gelingt, zu zeigen, wie sich das Große im Kleinen spiegelt.
Es ist ja inzwischen eine Binsenweisheit, wie sehr das kraftvolle Exempel in widrigen Zeiten, die Bewältigung tiefgreifendster Krisen für die Nachkommenden eine Kraftquelle darstellen können. Hilde, die unvermutet und unverhofft in jene Vorleistung tritt, die in Gestalt ihrer Kinder Bestätigung findet, und die - so die Hoffnung - in ihren Enkel:innen und Urenkel:innen gleichermaßen positive Kraftquellen sprudeln lassen möge, wäre einverstanden mit der Art und Weise meines Erzählens sowie mit den richtungsweisenden Impulsen, die ich mit ihrer Geschichte verbinde. 2020 kam ich zu der Überzeugung, es nicht nur mit dem geschriebenen Wort zu versuchen, sondern eben auch das (gesprochene) Wort für mich in Anspruch zu nehmen. Dies hing aber in erster Linie zusammen mit einem Phänomen, dem im folgenden fast halbstündigen Vortrag eine zentrale Rolle zukommt.
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Ergänzung zu sparring partner
Die mit sparring partner online gestellten Youtube-Formate haben (leider) nie den Weg in eine breite Öffentlichkeit gefunden. Das werde ich nun ändern. Die nachstehende mail von Valarik Minasian hat mir noch einmal bewusst gemacht, wie sehr sich die Welt, wie sehr sich auch Deutschland verändert. Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als ich die Familie Minasian als Deutschlehrer betreute - immer zu Hause, immer empfangen wie ein Ehrengast - war ich verwundert, als sie mir erklärten, sie würden ihre Zukunft eher in den Vereinigten Staaten sehen. Herr Minasian hatte eine Ausbildung bei einer Daimler-Benz-Niederlassung begonnen, verfügte über ein abgeschlossenes Ingenieur-Studium. Das Angebot für Daimler in der Vereinigten Staaten zu arbeiten, war gewiss attraktiv, und ich habe noch mitbekommen, dass die Familie in Los Angelos Fuß gefasst hat. Ich stelle sparring partner in diesem Kontext noch einmal in der speziellen Absicht online, von Valarik zu hören, wie es weitergegangen ist und wie sie die besorgniserregenden Veränderungen in den Vereinigten Staaten wahrnehmen und inwieweit sie betroffen sind von der Trumpschen Ausländerpolitik. Ich bin mir aber nahezu sicher, dass die Familienmitglieder vollkommen integriert sind, natürlich lange über die amerikanische Staatsbürgerschaft verfügen. Was machen Estiné und ihre Schwester heute?
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@valarikminasian8479
Hello Dr. Franz it is nice to see you in this video - sparring partner - after all these years. This is Valarik, Estineh ‘s mom, Germany 1986. I hope you also remember us. I wish You and family are doing well dear. Hopefully we will be able to see all of you.
Dear Valarik, your brief feedback on "Sparring Partner" was three years ago. I was very happy to hear from you back then. When you went to America, it was the right decision. I hope you don't regret it today. But in Germany, too, we are concerned about an increasingly powerful right-wing radical party – the AfD. In all my texts and videos, I speak out against the right-wing populists' obliviousness to history. I would love to hear from you. How are Estiné and her sister doing? All the best to you, Franz
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Wie ist Hildes Geschichte weitergegangen? (31) - immer mit dem Verweis auf J. Lear - Dankbar? Wofür?
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Henning Sußebach hat mich auf die Idee gebracht, meinen Blog zu nutzen und Hildes Geschichte noch einmal Kapitel für Kapitel zu erzählen - ganz im Sinne seiner Überzeugungen, die er mit dem Aufschreiben der Geschichte seiner Urgroßmutter verbindet. Hilde, meine Mutter ist inzwischen auch Urgroßmutter, und ich stelle mir vor, dass sie ihre Hand nicht nur über mich hält, sondern über alle, die aus ihr hervorgegangen sind. Bert Hellinger macht uns noch einmal darauf aufmerksam, dass zu diesem Hervorbringen unter Umständen - und Hilde hat solche Umstände erlebt - auch die schlimmen Gesellen gehören. Aber werden wir beispielsweise dem Vater meiner Schwester tatsächlich gerecht, wenn wir ihn als schlimmen Gesellen sehen. Der Ausschluss, das beharrliche Weigern auch jenen Ahnen zu sehen und anzunehmen, dem meine Mutter, die Mutter meiner Schwester, die Großmutter meines Neffen, meiner Kinder und meiner Nichten und die Urgroßmutter aller Enkel:innen in Hingebung und Liebe begegnete, verhindert dort anzukommen, wo ich mich wähne - als jemand der irgendwann die Augen öffnet, sich noch einmal umblickt, aufsteht und geht - im Einklang mit sich selbst und seiner Geschichte.