<<Zurück

 
 
 
 

Großeltern - Eltern und Enkel (mit Bezug auf Fulbert Steffensky) Teil I - Teil II hier

Wir kommen weit her
liebes Kind
und müssen weit gehen
keine Angst
alle sind wir bei Dir
die vor Dir waren
Deine Mutter, Dein Vater
und alle, die vor ihnen waren
Weit weit zurück
alle sind bei Dir
keine Angst
wir kommen weit her
und müssen weit gehen
liebes Kind

Mit diesem Text, den Heinrich Böll kurz vor seinem Tod für seine Enkeltochter Samay geschrieben hat, schließt Fulbert Steffensky seinen Brief an die Enkelkinder ab. Im Folgenden nehme ich Bezug auf diesen Brief und die unmittelbar davor platzierten Gedanken, die Fulbert Steffensky mit Letzte Lieben – GROSSELTERN UND IHRE ENKEL überschrieben hat; beides in: Fulbert Steffensky: Schwarzbrot-Spiritualität, Stuttgart 2006 (RADIUS-Verlag), Seite 197-205 bzw. Seite 207-214

Wo ist die Zukunft hin? ZEIT-Dossier (21/24, Seite 11-13) von Henning Sussebach

Auf seiner Reise durch Deutschland macht Henning Sussebach unter anderem Station beim Ehepaar Marina und Herfried Münkler. Ganz nebenbei fordern die Münklers, das Bildungssystem zu reformieren: „Das dreigliedrige Schulsystem abschaffen, die Klassengrößen halbieren, die Lehrpläne von >Überfrachtung< befreien.“ Willkommen in einem seit Jahrzehnten geforderten Umbruchsdenken, dass nun wirklich nicht neu ist.

Aber ich erwähne die Münklers hier, um auch noch einmal kurz innezuhalten und nach einem halben Leben meinen Wechsel von der SPD zu den Grünen zu bedenken: Die Münklers bemerken, das sich viele ihrer Forderungen auf ein Oben richten, Forderungen an den Staat sind:

Du hast noch dein ganzes Leben Zeit das herauszufinden

Dieser Beitrag ist ein besonderer - er ist meinen beiden Nichten gewidmet. Mehr noch: verdankt sich die folgende gleichermaßen wundervolle wie wundersam-berührende Geschichte der jüngeren meiner Nichten - Kathrin Witsch -, so klingen in ihr Botschaften an, die uns Alte - gewiss aber auch die Jüngeren - gleichermaßen verzaubern wie zur Besinnung ermuntern. Selbst wenn man sich eingestehen mag, dass einige Formulierungen und szenische Rahmungen sanft an Hedwig Courths-Mahler erinnern, entwirft die siebzehnjährige Autorin ein philosophisches Hintergrundrauschen, das so überaus realitätsnah eine existentielle Ausgangslage an uns heranträgt. Die damit ausgelösten Lernchancen sind beachtlich, nehmen sie doch das existentiell Wesentliche auf literarische Weise in den Blick.

In diesem Blog ist in den letzten Beiträgen viel die Rede von der Kantschen Lektion: Mir selbst kommt es so vor, dass ich 72 Jahre alt werden musste, um die Idee endlich fassen zu können, dass mein Antrieb zur verdichteten, prägnanten lyrischen Form sich dem Bedürfnis verdankt, einen Angelpunkt für die eigene Position zu finden. Unser aller Bemühungen geschahen und geschehen in einem (historischen) Kontext, der uns (auch uns Nachgeborenen) auferlegt(e) im Sinne der umstrittenen kantischen Lehre vom radikal Bösen zu unterscheiden, ob jemand sich für das Böse entscheidet, weil es böse ist, und eben nicht nur, weil man es fälschlicherweise für gut hält (siehe Boehm/Kehlmann, der bestirnte Himmel über mir – Ein Gespräch über Kant, 2. Auflage, Berlin 2024, Seite 75). 

Die siebzehnjährige Autorin der folgenden Geschichte stellt diese Frage so deutlich und unumwunden, dass es mich beim Wiederlesen nach 18 Jahren gleichermaßen beeindruckt und verblüfft.

In meinen Papierhalden stoße ich heute Morgen auf einen Literarischen Kochkurs aus dem Jahr 2006. Im Kompendium des Kurses, der wohl am Are-Gymnsium abgehalten wurde, fällt mir ein Beitrag auf – die Autorin ist eben erst 17 Jahre alt. Es ist meine Nichte, Kathrin, die mir zeigt, wie sehr eine fundierte Bildung bereits den Kompass generiert, der uns ein Navigieren durch ein immer verrückter, schneller, chaotischer, brutaler prozessierendes Weltgeschehen erlaubt. Wenn sie demnächst eine Zeit lang ihre beruflichen und auch lebensbestimmenden Erfahrungen an der Wiege der Menschheit suchen und machen wird, kann ihr der im folgenden Text markant in Erscheinung tretende Kompass gewiss weiterhin ein zuträgliches, gewiss zuweilen auch hartes Navigieren am Wind (an den Stürmen) des Weltgeschehens erlauben.

Im folgenden der Originaltext - nur die Dialoge habe ich farblich abgesetzt, um den Dialogen leichter folgen zu können.

Muttertag oder: Was ist eine gute Mutter?

Ja, es ist mal wieder Muttertag – von den einen als Zeichen geschätzt, von den anderen als Zumutung geächtet, ja geradezu verachtet. Was den einen die Bindung, die Erinnerung an die Mutter zu einem Schatz macht, macht sie für die anderen zu einer Last, zu einem unabwendbaren schicksalsmächtigen Umstand, den man leider nie los wird.

Ich habe schon darauf gewartet, wie denn die von mit geschätzte ZEIT in diesem Jahr einen Weg finden würde, dem Muttertag Rechnung zu tragen. Wendet man diese Erwartung schlicht in die Frage, wie werden Kindern ihren Müttern gerecht und wie wird eine Gesellschaft den Müttern gerecht, endet man flugs in der Falle danach zu fragen, was denn eine Mutter ist, was eine gute Mutter ist, wie Mütter sich selbst sehen, wie sie in der (post-)modernen Gesellschaft mit der Doppelrolle umgehen, die eigene Identität zu begründen, zu finden, sie möglicherweise mit Mutterschaft zu vereinbaren. So richtig herausfordernd gerät eine Auseinandersetzung aber erst, wenn man das generative Zusammenspiel mit dem Faktor Bildung reflektiert.

Elisabeth Kolbert: Das sechste Sterben

Jetzt mal was ganz, ganz anderes!

Menschen, die herkunftsmäßig unter bibliophiler Knappheit gelitten haben, bilden in extremen Fällen – wenn die Zugänge und Mittel es erlauben – eine Sammelwut aus; man bezeichnet sie auch als Hamsterei. Um zu verhindern, dass ihnen jemals der Lesestoff ausgeht, sammeln sie Druckabsonderungen an, sofern sie in irgendeiner Hinsicht ihre Interessen berühren. Auf diese Weise füllen sich Regale, bilden sich Zeitschriftenstapel; kurzum: alles, was in einer digitalen Welt schlichtweg einen Anachronismus darstellt.

Aus einem dieser Stapel zog ich heute eine Ausgabe des Sterns – die Nr. 29 vom 9.7.2015. Irgendein Beitrag aus dieser Nr. 29, die auf dem Cover Helene Fischer zeigt, muss mich dazu veranlasst haben, das Lesezirkelexemplar - vermutlich aus der Wartezone einer Arztpraxis - mitgehen zu lassen. Ich blätterte das Heft durch, und die Doppelseite 66/67 zeigt das Porträt einer Frau, halbsitzend/halbstehend vor einer Bücherwand. Der Beitrag kündigt sich mit dem Titel an: Wir sind ein verrückter Unfall der Evolution – Der Mensch zerstört in irrwitzigem Tempo den Lebensraum von Tieren und Pflanzen. Sagt die Wissenschaftsjournalistin Elizabeth Kolbert, die für ich Buch >Das sechste Sterben< gerade den Pulitzer-Preis erhielt

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.