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Thomas Assheuer: Die Heimsuchung – Mythen und Verschwörungstheorien

Mythen des Alltags und Verschwörungstheorien sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Thomas Assheuer erörtert dies in der aktuellen ZEIT (14/20, S. 49f.) unter dem Titel: „Die Heimsuchung“. Mittelbar schreibt er damit natürlich auch an gegen die von Bernd Ulrich eine Woche zuvor flapsig eingebrachte These, die Klimakrise habe sich ein neues Gesicht gegeben – die langsame Krise sattele auf die schnelle auf, um sich effektiver im kollektiven Gedächtnis zu verankern.

Assheuer beginnt mit den Mythen, wonach Viren kommen, wenn es an der Zeit ist: „Das kulturelle Narrativ ist fast immer identisch. Wie ein feindlicher Agent schleicht sich das Virus in den Alltag und infiziert die gedankenlos durch den Lebensstrom treibenden Menschen mit Krankheit und Tod.“ Viren seien nicht nur unheimlich, sondern auch unheimlich konservativ. Niklas Luhmann hätte seine Freude gehabt an Assheuers Deutungsweise, die Viren erinnerten die Normalbürger an die Vergänglichkeit ihres Daseins und machten ihnen vor allem unbarmherzig klar, „dass es ein Wunder ist, wenn eine so unbegreiflich komplexe Gesellschaft, wie die moderne eine ist, überhaupt funktioniert“.

Noch einmal: Carl Schmitt

- anlässlich des Briefwechsels zwischen Reinhart Kosselleck und Carl Schmitt (Der Briefwechsel, Suhrkamp - Berlin 2019)

Ich zitiere aus einem Briefwechsel mit Winfried Rösler, dem ich im übrigen zu seinem 69sten Geburtstag alles Gute wünsche:

lesen -schreiben - lesen - schreiben und dann unter Luhmanns tröstlicher conditio das Gespräch suchen, wo wir doch wissen: Ein soziales System kann nicht denken, ein psychisches System kann nicht kommunizieren - nur die Kommunikation kann die Kommunikation beeinflussen. Ich möchte einmal kurz illustrieren, auf welch brutal-bedenkliche Weise mir das bei der Lektüre des erwähnten Briefwechsels zwischen Kosselleck und Schmitt deutlich wird. Im Materialienteil (S. 373-391) ist ein Interview enthalten: Reinhart Kosselleck über Carl Schmitt. Interview mit Claus Peppel vom 14. März 1994.

Covid 19: Apokalypse oder Paradigmenwechsel? Auf Youtube

Heute schreiben wir den 22. März 2020. Eine gute Freundin teilte mir gestern Morgen mit, sie habe ständige Auseinandersetzungen mit ihrem Mann, weil sie selbst – wortwörtlich – die ganzen Aktionen immer noch für extrem übertrieben halte. Mich hingegen schockieren die Bilder aus Italien, aus Cremona und Bergamo – moderne Pesthelfer fahren in Militär-Lastwagen im Morgengrauen durch die norditalienischen Städte und verbringen die Leichen der Verstorbenen in die Krematorien, die inzwischen Überlast fahren; ähnliche Bilder erreichen uns aus Madrid, aber auch in Würzburg hat das Sterben im institutionellen Kontext eingesetzt. Das medizinische Personal in Norditalien bewegt sich physisch und psychisch in absoluten Grenzregionen und wirkt angesichts der nicht mehr beherrschbaren Dynamik zunehmend traumatisiert. Gibt es da irgendjemanden, der den Schuss noch nicht gehört hat?

Jetzt fang ich auch noch an zu sprechen - Youtube als Chance und Herausforderung

Viel länger hätte ich sicher nicht warten dürfen - inzwischen erlauben mir die technischen Möglichkeiten und das gegenwärtig bedrängende und alternativlose Social Distancing Dinge anzugehen, zu denen bislang Zeit und Mut fehlte. Bei meinem HNO-Arzt stoße ich immer auf ein kleines bonmot mit großer Botschaft - auf einem Plakat steht zu lesen: Das Nicht-Sehen-Können, also Blindheit trennt von den Dingen, das Nicht-Hören-Können, also Taubheit trennt von den Menschen. Also habe ich mir gedacht, wenn andere ein wenig teilhaben sollen/wollen an deinen Überlegungen, dann entlaste sie vom mühsamen Lesen und gib ihnen was zu hören (wobei die Video-Formate noch den charmant-uncharmanten Nebeneffekt haben, dass man sehen kann, wie alt der Jupp inzwischen geworden ist. Aber gerade der alte Jupp entdeckt mehr und mehr wieder seine kämpferische Ader; außerdem lebt der schon relativ lange sehr zurückgezogen, reist kaum und hat sein Driften im Raum auf einen Bierdeckelradius begrenzt. Deutlich wird das bereits in einem der ersten Videos covid-19.

Theodor W. Adorno: Erziehung nach Auschwitz 

Der Vortrag von Theodor W. Adorno am 18. April 1966 im Hessischen Rundfunk beginnt mit der gleichermaßen lapidaren wie exorbitanten Formulierung: "Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung." Adorno ist zugleich ein erklärter Skeptiker mit Blick auf das, was mit Erziehung zu erreichen sei:

"Da aber die Charaktere insgesamt, auch die, welche im späteren Leben die Untaten verübten, nach den Kenntnissen der Tiefenpsychologie schon in der frühen Kindheit sich bilden, so hat Erziehung welche die Wiederholung verhindern will, auf die frühe Kindheit sich zu konzentrieren (Zitate aus: Theodor W. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, 5. Auflage, Frankfurt 1977, S. 88-104 - hier S. 90)."

Adorno stellt mit Blick auf Auschwitz fest, schuldig seien allein die, "welche besinnungslos ihren Hass und ihre Angriffswut an ihren [den Opfern] ausgelassen haben" (S. 90).

   
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