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Freundschaft (I)

Wer nach (oder meinetwegen auch vor) der "Theorie" erste Ausflüge in die "Praxis" unternehmen mag - hier gehts weiter: Freundschaft (II); siehe auch Freundschaft (III) und Freundschaft (IV)

Der nach Niklas Luhmann aus Wendepunkten bestehende Lebenslauf wird von ihm einerseits als ein Medium im Sinne eines Kombinationsprogramms von Möglichkeiten und andererseits als eine von Moment zu Moment fortschreitende Festlegung von Formen verstanden, die den Lebenslauf vom jeweiligen Stand aus reproduzieren, indem sie ihm weitere Möglichkeiten eröffnen oder verschließen. Die „Wendepunktqualitäten“ in einer abschiedlich und versöhnlich gestimmten Rekonstruktion des eigenen Lebenslaufs nehmen sich besonders spannend aus mit (Rück)Blick auf Freundschaftsbeziehungen, vor allem, wenn sie – rein statistisch betrachtet – bereits mehr als ¾ eines Männerlebens in den Blick nehmen. Ein zukunftsoffener Möglichkeitsraum verengt sich von Moment zu Moment, in dem Maß, wie vergangene, bestehende und entstehende Freundschaftsbeziehungen abgeschlossen sind, als Möglichkeit sich andeuten oder als dynamischer Prozess der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft ihre besondere Qualität verleihen.

Arnold Retzer hat 2006 (Familiendynamik, Heft 2/2006, S. 130-151) einen Aufsatz vorgelegt, in dem er nicht nur Kriterien für Freundschaftsbeziehungen auslotet, sondern in spezifischer Weise auch danach fragt, ob Freundschaft einen „dritten Weg zwischen Liebe und Partnerschaft“ eröffnen könnte. Ich zeichne seine Argumentation weitgehend nach und schlage zwei Fliegen mit einer Klappe, indem ich einerseits mein eigenes Leben unter dem Aspekt von Freundschaftsbeziehungen betrachte und andererseits danach frage, ob 33 Ehejahre sich diesem „dritten Weg“ verdanken oder ganz im Gegenteil eher anderen Beziehungsmodalitäten verpflichtet sind?

Arnold Retzer greift systemtheoretisch begründete Thesen Niklas Luhmanns auf, der erstmals dafür plädiert, dass sich „Intimverhältnisse – wie etwa eine Paarbeziehung – vollständig von der Einbindung in eine vorgängige Gemeinschaft ablösen müssen“ (Retzer, 131). Sie seien gezwungen einen „radikalen Code“ auszubilden, der die Intimität sozial ortlos gewordener Einzelpersonen ohne gesellschaftliche Bezüge sicherstellen könne. Retzer räumt ein, dass der in seiner Einsamkeit verharrende heimatlose Einzelne eine (letzte) Chance in einer intimen Paarbeziehung sehe, um diese Einsamkeit aufzuheben. Anders als Luhmann sieht Retzer die Mittel dazu in unterschiedlichen Codes, „etwa dem der Partnerschaft, der Liebe und auch vielleicht, so will ich noch vorsichtig formulieren, dem der Freundschaft“ (Retzer, 131f.).

Was sehen Sie auf dieser Abbildung? Formulieren Sie Ihre Wahrnehmungs-Eindrücke in schriftlicher Form!
Ich sehe was, was du nicht siehst – Eine experimentelle Einführung in die Theorie und Praxis der Wahrnehmung - Eine szenische Aufführung in acht Bildern

2009 – nach der Pensionierung unseres Institutsleiters, Prof. Dr. Rudi Krawitz, mit langer anschließender Vakanz der Stelle – hatte ich das Vergnügen am Campus Koblenz die einführende Vorlesung im Modul 2 der Bildungswissenschaften (BiWi) halten zu dürfen (siehe Begrüßung der Erstsemester). Die Studierenden im ersten Semester kommen in der übergroßen Mehrzahl unmittelbar aus dem Durchlauferhitzer Schule ins verschulte modularisierte Dampfkesselsystem Hochschule. Sie wollen zurück in die Welt, aus der sie kommen – unter veränderten Vorzeichen, sozusagen als Mitarbeiter oder gar LeiterInnen der Anstalt und nicht als ihre Insassen. Da fragt man sich schon, ob die sich denn eigentlich alle halbwegs darüber im Klaren sind, worauf sie sich einlassen. Trotz der stetigen Professionalisierungsdebatte, in der beispielsweise Alfred Holzbrecher (2002) den Professionalitätskern an Grundkompetenzen bindet, die jeweils eine entsprechende Haltung voraussetzen bzw. einen Habitus im Blick haben (neben dem Wissenschaftsbezug nennt er den Subjektbezug verbunden mit einer gediegenen Selbstkompetenz und vor allem den Berufsfeldbezug, definiert als grundlegende Einsicht in die Widerständigkeit bzw. den Eigensinn des Systems Schule und der Menschen), wird die Berufswahl nach wie vor von recht naiven bis fahrlässigen Motiven beeinflusst (Vereinbarkeit von Familie und Beruf, viel Freizeit etc.). Was würde sich da mehr anbieten, als den Eigensinn und die Widerständigkeit der Menschen „experimentell“, als schockierende Erfahrung zu inszenieren.

Ulrich Becks Theoriebausteine „eigenen Lebens“

Eine kleine Reminiszenz anlässlich der Verabschiedung von Eva Liss-Mildenberger, der langjährigen Leiterin der Integrierten Gesamtschule Koblenz

(Auszug aus: Ich sehe was, was du nicht siehst – Komm in den totgesagten Park und schau, Koblenz 2002, S. 331-337)

Ulrich Beck – Ulf Erdmann Ziegeler: eigenes Leben – Ausflüge in die unbekannte Gesellschaft, in der wir leben, München 1997 - siehe ausführliche Auseinander-setzung unter "Biografie und Lebenslauf" - "Selbstversuche" - "eigenes Leben"

JuppigsWer sich mit der Gesellschaftstheorie Niklas Luhmanns auseinandersetzt, stößt unmittelbar auf die grundlegende Unterscheidung von System und Umwelt und die meistenteils mit Unverständnis aufgenommene Platzierung des Menschen in der Umwelt von Gesellschaft. Hier wird nur Bezug genommen auf die damit verbundene, nüchterne Feststellung, dass soziale Systeme sich ausschließlich über Kommunikationen (Kommunikationen, die an Kommunikationen, die an Kommunikationen... anschließen) reproduzieren, während Menschen als bewusstseinsbasierte oder psychische Systeme ausschließlich im Modus von Gedanken, die an Gedanken, die an Gedanken... anschließen, operieren. Beide Systeme sind gegeneinander abgeschlossen und Luhmann hat den Begriff der „strukturellen Koppelung“ von Maturana übernommen oder greift auf den Begriff der „Interpenetration“ zurück, um registrieren zu können, dass psychische und soziale Systeme Formen des Austauschs kreieren.

"Wir! sind! Weltmeister!" - Rhein-Zeitung vom 14.7.2014

 

Montag, 14.6.14

sms von Winfried Rösler, einer der kompetentesten Fußballkenner in meinem Freundeskreis:

„Das war ja wohl ein Ding – habe mit zunehmender Spieldauer vor lauter Nervosität immer weniger auf die Taktik und so achten können. Argentinien bärenstark. Nach dem Wechsel von Kramer zu Schürrle hat – soweit ich sehen konnte – Schweinsteiger ganz allein die Doppel-Sechs spielen müssen, da Kroos nach seinem Aussetzer nicht so die zentralen Funktionen einnahm, wie gewohnt. Das Ding mit Götze war natürlich ein Märchen. Vom einst hochgelobten Star fast zum Außenseiter und Edelreservisten und dann zum genialen Stürmer. Sein wundervolles Tor hat mich an eine WM-Tor von Pelé erinnert – der stand damals nicht links, sondern rechts: Annahme mit der Brust und mit rechtem Fuß den Ball gespielt; nur war es diesmal 30 Jahre später, alles rasanter, und auch der Durchmarsch von Schürle nach der langen Spieldauer eigentlich nicht zu fassen – beste Grüße

Winfried

Café Hahn – Impressionen (zwischen 1997 und 2003)

Auch Dichter haben ihre Orte. Mein Ort ist (war) das Café Hahn ("Café-Hahn-Lyrik" aus meinem ersten Lyrik-Bändchen: Das Leben - Ein Klang, Koblenz 2003)

Dichter müssen regenerieren. Ich kann mich dort entspannen in einer Clubatmosphäre, die eine Breite und Dichte an Facetten aufweist, die man allenfalls an mehreren Orten vermuten würde. Das hängt schlicht mit der einzigartigen Konzeption zusammen, die Berti Hahn und alle Initiativen, die ihren Beitrag leisten zum Bestand und zur Innovation dieses zwischen Köln und Mainz singulären Ortes, über die Jahre entwickelt haben: Der Förderverein Café Hahn e.V., der Jazz-Club, Bodos Blues-Box, früher die Country-Freunde, heute immer die Koblenz-Touristik haben ein feines Netzwerk gesponnen und sorgen so sicherlich quantitativ und qualitativ für ein einmaliges Angebot an Veranstaltungen. An einem einzigen Wochenende kann es geschehen, das der Club weltstädtisches Flair vermittelt, dass man sich in New York, Chicago oder New Orleans wähnt, wenn beispielsweise Maceo Parkers Funky-Sound ins Publikum übergeht, Bernard Allison den Blues zelebriert. Das Café Hahn bewahrt sich andererseits seinen experimentellen Charakter, indem es immer wieder unbekannten Newcomern ein Forum einräumt.

Diese Zeilen sind vor mehr als zehn Jahren geschrieben worden, als Berti Hahn mit dem Kulturpreis der Stadt Koblenz ausgezeichnet worden ist (2002) und lange bevor das Café Hahn LEA-Club ("Live Entertainment Award") des Jahres 2014 geworden ist. Das Café-Hahn ist inzwischen ein mittelständisches Unternehmen mit über 50 festangestellten Mitarbeitern. Auch wenn im Hintergrund eine hochprofessionelle Unternehmensführung agiert, hat das Café Hahn auf seinem Weg vom "Kaffee-Kult zur Kultur-Pilgerstätte" (Label 56) nichts von seinem Charme eingebüßt, sieht man einmal ab von der rauchgeschwängerten Atmosphäre der ersten zwei Jahrzehnte. Das Motto ist nach wie vor "Life & Lecker" und lässt kaum Wünsche offen.

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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