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Es gibt kein Menschenrecht auf Nicht-Überforderung

Klimaziele? In seinem Beitrag Grüner wird's nicht (Süddeutsche Zeitung 24/25, Seite 5) zitiert Michael Bauchmüller das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach das deutsche Klimaschutzgesetz zu wenig präzise sei. Die große Koalition aus CDU und SPD habe seinerzeit nachgesteuert: "Nicht bis 2050, sondern schon 2045 müsse Deutschland klimaneutral sein, schrieben Union und SPD ins Gesetz." Vier Jahre später kommt Michael Bauchmüller zu folgendem Resümee:

"Man habe das Ziel fest im Blick, heißt es vieldeutig im Wahlprogramm der Union, verbinde es aber unbedingt mit dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Das klingt nach einem Spalt in der Hintertür, die von der FDP schon aufgestoßen wird: Die Liberalen wollen lieber 2050 anpeilen, dadurch lasse sich Zeit gewinnen. Einzig SPD und Grüne stehen ohne Wenn und Aber zur Klimaneutralität bis 2045. Die Linke würde sie gern bis 2040 erreichen, die AfD dagegen gar nicht: Die Rechtspopulisten können keinen menschengemachten Klimawandel erkennen, Deutschlands Klimapolitik sei gegen das Volk gerichtet."

2009 postulierte Peter Sloterdijk: Es gibt kein Menschenrecht auf Nicht-Überforderung. Es vollziehe sich eine voranschreitende Desintegrationskatastrophe, "die sich auf einen zeitlich nicht festgelegten, jedoch nicht endlos aufschiebbaren Crash-Punkt zubewegt". Wie man es von Sloterdijk gewohnt ist, zeigt er sich als Meister der Zuspitzung, indem er feststellt: "Die Vernunft der Nationen erschöpft sich noch immer in dem Bemühen, Arbeitsplätze auf der Titanic zu erhalten."

In Merzens Schädel haust eine Geist...

 

In Merzens Schädel haust ein Geist…

Lieber Friederich mit dem Namen Merz,
nun bist du fast so alt wie ich!
Gebrauch dein Köpfchen – nicht dein Herz
und leg die Karten auf den Tisch.

Handle klug und mit Verstand
und bedenk mit Schäuble, deinem Mentor,
stets die Folgen für dein Land -
sei weise und kein Tor!

So mahnten dich gewiss die Merkel-Klugen.
Welch Irrer kam dem denn zuvor,
dass dir die Welt gerät nun aus den Fugen?
Amnesie umnebelt jenen, der vor kurzem schwor:

Mit Blick auf aussichtsreiche Mehrheit
- und seien die Motive noch so lauter –
riskier ich nimmer nicht die Freiheit
zu bestimmen, wer hier sei Vertrauter!

Nun stehst du da mit deiner braunen Soße
und hast nicht mal ein Spülklosett!
Da saß der Führer einst, um nüchtern zu verkünden:
Ich bin der Souverän und sitze hier, die braunen Massen unter mir!

Die braune Soße gibt sich heute  b l a u  und klebt dir an den Händen.
Und wo gehobelt wird, da ist der Spahn nicht weit
mit Thorsten im Gefolge. Der ist so Frei und will nichts wenden!
Der Jubel kommt von Rechts und sorgt nur dort für Heiterkeit!

Ja, in der Tat: W i e  o f t  d e n n  n o c h ???

Zum naiven Umgang mit Carl Schmitt

In den letzten Tagen habe ich mich mit Jörn Leonhards fulminanter Studie: Die Büchse der Pandora – Geschichte des Ersten Weltkriegs (Verlag C.H. Beck, München 2014) befasst. Auf Seite 1009 dieser akribischen Anstrengung zitiert Jörn Leonhard Carl Schmitt:

„Aber die Debatte um das Wesen des Politischen nach den Erfahrungen des Weltkrieges barg noch ganz andere Positionen. Die >eigentlich politische Unterscheidung< sei, so Carl Schmitt 1927, die von >Freund und Feind<. Sie ermögliche erst jene begriffliche Bestimmung, ohne die es keine Kriterien in den Formen, Prozessen und Inhalten der Politik geben könne. Alle politischen Begriffe und Vorstellungen rekurrieren, so Schmitt, auf diese Gegensätzlichkeit, deren >letzte Konsequenz< sich >in Krieg oder Revolution äußere. Wenn aber das Politische auf das Paradigma von Freund und Feind zurückging und der Krieg die >äußerste Radikalisierung der Feindschaft< war, dann ließ sich die permanente Möglichkeit eines Krieges argumentativ als Voraussetzung des Politischen selbst beschreiben: >Das Politische liegt nicht im Kampf selbst, der wiederum seine eigenen technischen, psychologischen und militärischen Gesetze hat, sondern in einem von der realen Möglichkeit eines Krieges bestimmten Situation und in der Aufgabe, Freund und Feind richtig zu unterscheiden.< Daher sei eine Welt, in der es gelänge, die >Möglichkeit eines Krieges< restlos auszuschließen, eine >Welt ohne die Unterscheidung von Freund und Feind und infolgedessen eine Welt ohne Politik.<“

Entschluss und Ankündigung

Ich habe mir heute nach Jahren mehrere der von mir veröffentlichten Youtube-Videos angesehen und war gleichermaßen erschüttert wie fasziniert, wie sehr eines dieser Videos in gewisser Hinsicht hineinpasst in die Szenerie der bevorstehenden Bundestagswahlen am 23. Februar 2025. Nach dem unrühmlichen Ende der Ampel dümpelt die SPD in Umfragen bei 15% bis 16%-Punkten; die Grünen (denen ich nach meinem Austritt aus der SPD seit mehr als einem Jahr angehöre) einen Prozent-Punkt dahinter. Einzig CDU/CSU stabilisieren sich als Partei der bürgerlichen Mitte bei etwa 30 Prozent-Punkten. Die AfD scheint stabil um die 20%-Marke zu pendeln. Die FDP - mit etwa 4%-Punkten wird hoffentlich den Wiedereinzug in den Bundestag verfehlen. Wo das Bündnis Sarah Wagenknecht landet, bleibt offen - auch mit Blick auf einen Einzug in den Bundestag. Für die Linke bleibt zu hoffen, dass die drei Silberlocken es rocken.

Seit Jahren versuche ich auf meine Weise, die AfD zu adressieren. Das reicht von Entrüstung bis zu seriöser politischer Bildungarbeit mit aufklärerischer Intention. In Alexander Gauland, Björn Höcke - sollten wir vielleicht einmal miteinander reden findet diese Absicht ein solides Anwendungsformat, indem die unsäglichen, geschichtsklitternden Positionen Höckes und Gaulands mit historisch verbrieften Zeugnissen konfrontiert werden (hier geht's zum Video).

Armin Nassehi: Sachkenntnis zählt nicht, nur die richtige Haltung – In der angeblich so kritischen Öffentlichkeit wird nur noch über das Streiten selbst gestritten (SPIEGEL 4/25, S. 46-47)

Ich finde es gut, dass Intellektuelle, wie Armin Nassehi die Öffentlichkeit suchen. Zugleich dekonstruieren sie Öffentlichkeit als einen Ort, der infolge der Reduktion auf die Zwei-Seiten-Form von Zustimmung und Ablehnung an radikaler Selbstüberschätzung leide. Öffentliche Diskurse seien selten von Sachkenntnis bestimmt. Deshalb tue man gut daran, die öffentliche Diskussion nicht mit der Gesellschaft zu verwechseln. Nassehi – Niklas Luhmann lässt grüßen -, lässt keinen Zweifel daran, dass es die Gesellschaft nicht gibt. Wenn überhaupt lässt sich nur von Subsystemen sprechen (z.B. Recht, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Religion), die im besten Fall als Orte der Abkühlung dafür stehen, dass überhaupt noch nachhaltige Entscheidungen getroffen werden. Zuletzt noch ein Wort zum überaus menschenfreundlichen Armin Nassehi: Sie müssen nicht betonen, dass Pierre Bourdieus Anmerkung, wie sehr Denkungsarten und Praktiken den Habitus von Menschen formen, nicht hochnäsig gemeint sei. Ich empfehle uns dringend, die Nase hoch zu tragen - zumindest über dem Wasserspiegel. Denn spätestens seit Weimar wissen wir: Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber (Bertolt Brecht)! Jan Philipp Reemtsma spricht vom unaufhebbaren Nichtbescheidwissen der Mehrheit. Schlägt man die Seiten 64/65 in der gleichen SPIEGEL-Ausgabe auf und liest, was Peter Leibinger als Präsident des BDI zur AfD zu sagen hat, weiß man ziemlich genau, was Reemtsma meint; denn nicht nur „die Ausländerfeindlichkeit der AfD ist schlicht dumm“ (Peter Leibinger). Dabei spricht Peter Leibinger durchaus Klartext; der Subtext dazu lautet: Jemand der die AfD wählt, muss - er kann zumindetst - wissen, dass keine seiner Erwartungen auf Prosperität und Wohlstand sich erfüllen wird, dass hingegen einer der Kernpunkte rechtsradikalen Denkens durchaus offensiv vertreten wird. Peter Leibinger sagt in seiner Funktion als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI):

   
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