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Jussi Adler-Olsen - Reden wir über den Tod

In wenigen Tagen - am 2. August - wird Jussi Adler-Olsen fünfundsiebzig Jahre alt. Reden wir über den Tod - Wie macht man weiter, wenn man unheilbar krank ist? Der Bestsellerautor über seinen Kampf gegen den Knochenmarkkrebs. Man kann das in der akteullen ZEIT-Ausgabe (31/25) nachlesen. Jussi Adler-Olsen ist fast 1 1/2 Jahre älter als ich. Ich habe ältere Freunde, einer der engsten hat mir eröffnet, dass er seit geraumer Zeit Mitglied der Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS) ist. Wir reden viel über den Tod - eigentlich vergeht kein Tag, ohne dass er gemeinsam mit uns am Tisch sitzt (siehe: Leben und Sterben, wo ich hingehöre). Natürlich sterben signifikant mehr Menschen im Umfeld, in den Alterskohortem der jungen Alten und der alten Alten. Für die meisten von uns markiert der Tod der eigenen Großeltern und Eltern und naher Verwandter jene Wegmarken, die manchmal den Charakter und die Bedeutung von Wendepunkten annehmen. Im Kontext so gravierender gesellschaftlicher Veränderungen wie sie Andreas Reckwitz mit: Verlust - Ein Grundproblem der Moderne (Suhrkamp-Verlag, Berlin 2024) aufgreift, mag mich das nicht verwundern. Die Verwunderung hält sich deshalb in Grenzen, weil ich von jenem Wendepunkt an, der mit dem Tod meines Bruders im Jahre 1994 verbunden ist, mein eigenes Leben nicht nur der Achterbahn ausgesetzt habe, sondern es einer radikalen Neuorientierung unterzogen habe.

Nun erfahren unendlich viele Menschen finale Diagnosen. Und man kann sich immer die Frage stellen, wie gehen Menschen damit um? Man bekommt häufig zu hören, dass man sich nicht vor dem Tod fürchte, allerding schon vor dem Sterben; auf dieses Geschehen möchte man gerne Einfluss haben. Die Mitgliedschaft in der DGHS folgt in erster Linie dem Motiv, dass sie ihren Mitgliedern seit 2020 die Vermittlung einer professionellen und rechtssicheren ärztlichen Suizidassistenz (Sterbehilfe) anbietet (siehe dazu auch die von Bernhard Schlink vertretene Position).

Auszüge aus dem Interview Jörg Böckems mit Jussi Adler-Olsen:

Jörg Böckem: Wovor haben sie Angst?
Jussi Adler-Olsen: Vor dem Schmerz. Und davor, dass meiner Familie etwas zustößt.
Jörg Böckem: Bereiten Sie sich auf den Tod vor? Oder schieben Sie den Gedanken beiseite?
Jussi Adler-Olsen: Ich habe großes Vertrauen in meine Ärzte - ich weiß auf jeden Fall, dass ich mit dieser Krankheit sterben werde, sie ist nicht heilbar. Aber meine Ärzte sind fest davon überzeugt, dass ich nicht an ihre sterben werde. ich weiß, dass weltweit nach besseren Behandlungsmethoden geforscht wird, und hoffe, dass ich davon noch profitieren kann. Darüber hinaus führt die Behandlung dazu, dass meine Gesundheit gut überwacht wird. In vielerlei Hinsicht wird besser für mich gesorgt als vorher. Dennoch hoffe ich, dass ich, wenn der Tag kommt, keine Schmerzen haben und von meinen Liebsten umgeben sein werde.
Jörg Böckem: Ist es möglich, schwer krank und im Sterbeprozess seine Würde zu bewahren?
Jussi Adler-Olsen: Da bin ich mir sicher. Ich habe viele gute Erfahrungen mit dem dänischen Krankenhauswesen gemacht und viele freundliche, engagierte und kompetente Menschen getroffen, die genau wissen, wie sie helfen können. Für unheilbar Kranke ist die Palliativversorgung hier hervorragend, das Personal ist bestens ausgebildet, und es gibt genügend Palliativstationen.

Der Mensch ist, weil er sich verdankt, und die letzte große Aufgabe, mit der er sich auseinandersetzen muss, ist, sich selbst aus der Hand zu geben - so Fulbert Steffensky (ausführlich in: Die Mohnfrau, Seite 97-105). Für mich war die Lektüre des Interviews mit Jussi Adler-Olsen vor allem in diesem Kontext - dass der Mensch ist, weil er sich verdankt - aufschlussreich und beeinddruckend:

Jörg Böckem: Ihr Vater war offensichtlich die prägende Figur in Ihrem Leben. Was machte ihn so wichtig für Sie?
Jussi Adler-Olsen: Ich habe ihn sehr geliebt. Er war freundlich, geduldig und einfühlsam: jemand, zu dem ich in jeder Hinsicht aufschauen konnte, als Mensch und als Arzt. Er war hochintelligent und hielt sich über aktuelle gesellschaftliche und politische Ereignisse auf dem Laufenden. Er war eine Inspiration für mich.

Jörg Böckem bietet Jussi Adler-Olsen im Sinne Max Frischs - Biografie - ein Spiel - ein Gedankenspiel an:

Jörg Böckem: Machen wir ein Gedankenspiel: Stellen Sie sich vor, Sie könnten in der Zeit zurückreisen und Ihr jüngeres Ich treffen - zu welchem Punkt in Ihrem Leben würden sie reisen, was würden Sie Ihrem jüngeren Ich sagen?
Jussi Adler-Olsen: Ich würden in die Pubertät zurückreisen, die Zeit im Leben, in der sich alles verändert. Ich würde mir wahrscheinlich unendlich viele Ratschläge geben, aber am Ende würde alles auf einen Ratschlag meines Vaters hinauslaufen, den mein Vater mir gegeben hat: Folge deinem Herzen, tue, was dir wichtig ist, und sei gut darin. Und mach dir keine Sorgen, wenn es dich in eine andere Richtung zieht. Mache deine Erfahrungen. Bildung ist wichtig, aber nicht unbedingt eine formale Bildung oder ein Diplom. Lerne von den Menschen, von ihren Eigenarten und Besonderheiten. Und höre nie auf damit.

Jörg Böckem erwähnt, dass auch Politik eine Rolle in Jussi Adler-Olsens Büchern spielt:

Jörg Böckem: Journal 64 erzählte 2011 vom Aufstieg einer rechtsradikalen Partei. Was waren Ihre Gründe, sich mit diesem Thema zu befassen?
Jussi Adler-Olsen: Mir fiel auf dass rechtsradikale Parteien im Aufwind waren und sich deren Gedankengut immer weiter verbreitete. Ich wollte zeigen, welches Menschenbild und welches Wertesystem hinter einer solchen Partei stecken kann. Die Menschen dafür zu sensibilisieren, was um sie herum geschieht, sie auf Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch aufmerksam zu machen, zieht sich in vielerlei Hinsicht wie ein Leitmotiv durch meine Bücher.

Dies allein bildet sicherlich schon ein starkes Motiv, die Bücher Jussi Adler-Olsens zu lesen und ihm noch ein paar Jahre in geistiger Frische und einen erträglichen Krankheitsverlauf zu wünschen.

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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