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Hadde och Bärchje?
Danke, Sabine Friedrich – Wer wir sind (Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2012), verrückt genug, diente mir vor Jahren als Quelle. Es gibt viele markierte Textstellen und Post-its, zur Orientierung in einem mehr als 2000 Seiten umfassenden Roman. Ich war schon immer auf der Suche nach einer Meta-Studie über den deutschen Widerstand. Sabine Friedrich hat sie in Gestalt eines Mega-Romans geliefert.
Sabine Friedrich schreibt in ihrem Werkstattbericht (ebenfalls München 2012) zu ihrem Roman auf Seite 15:
„Das Thema entwickelte einen Sog. Es riss mich davon. Ich verlor den Boden unter den Füßen.“
Ich hatte nie Boden unter den Füßen. Das wird mir umso klarer, wenn ich bei Sabine Friedrich lese:
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Benedict Wells: Die Geschichten in uns - Vom Schreiben und vom Leben VI
hier geht es zu I und II und III und IV und V
Meine Auseinandersetzung mit Benedict Wells hat unverhofft einen völlig unerwarteten Anstoß bekommen, einen Impuls, der mich dazu verführt, Erwartungen zu phantasieren – nein, nicht zu hegen –, Erwartungen, die so illusorisch sind, wie meinetwegen die frühen Phantasien Benedict Wells‘ ein erfolgreicher Autor zu werden. Auf Seite 337 meint er, es gebe Autoren, die „an ihrem Leben entlang schreiben“. Andererseits gebe es Autoren, die ihre Einfälle aus der Außenwelt bezögen: „aus den Geschichten anderer Menschen und Beobachtungen“:
„Manche fangen mit der eigenen Geschichte an, ehe sie sich zunehmend anderen Themen zuwenden. Andere landen zu Beginn weit draußen im Fiktiven und müssen sich dem eigenen Leben annähern; das Schreiben als Rückkehr zu sich selbst.“
Am vergangenen Samstag – ein Tag vor dem zwanzigsten Geburtstag meines jüngsten Patenkindes – trafen sich Patenonkel auf der einen Seite, Vater, Mutter, (Paten-)Kind auf der anderen Seite. Im Geburtsjahr meines Patenkindes hatte ich mit einer Kladde begonnen und diese Kladde dann völlig vergessen. In meinem Urlaub auf Juist habe ich dann den unmöglichen Versuch unternommen, der damit ausgelösten Bringschuld gerecht zu werden. Insofern ein Glücksfall, als dies zumindest ermöglichte eine Spanne von zwanzig Jahren zu überschauen und damit zu wissen, was an wichtigen äußeren Wendepunkten im Lebenslauf meines Patenkindes durch Beobachtung belegbar schien. Ich habe unter anderem Odo Marquards Unterscheidung des Schicksalszufälligen vom Beliebigkeitszufälligen bemüht (siehe: hier).
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Benedict Wells - Die Geschichten in uns - Vom Schreiben und vom Lesen IV
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Benedict Wells ist erst vierzig (40) Jahre alt. In Die Geschichten in uns sind Sätze zu lesen wie: "Nur bei Themen, die uns im Innersten berühren, können wir selbst in die Tiefe kommen." (Seite 336) "Manche fangen mit der eigenen Geschichte an, ehe sie sich zunehmend anderen Themen zuwenden. Andere landen zu Beginn weit draußen im Fiktiven und müssen sich dem eigenen Leben erst annähern; das Schreiben als Rückkehr zu sich selbst." (Seite 337f.) "Nur habe ich - beim Schreiben - etwas nicht kommen sehen: Die Bücher fingen irgendwann an, auch über mich zu sprechen. Denn je mehr Geschichten man in die Öffentlichkeit bringt, desto mehr wird man von einem am Rande fläzenden Beobachter zu einem im Mittelpunkt stehenden Beobachteten." (Seite 338f.)
In der Tat beruht die galaktische Differenz zwischen einem von Millionen Lesern Beobachteten und jemanden, der das Privileg des am Rande fläzenden Beobachters für sich beanspruchen kann, nicht nur in den 32 Lebensjahren, die uns trennen. Benedict Wells ist es gelungen durch die frühe Namensänderung - wie man lesen kann - die eigene familiäre Herkunft bis nach dem Erfolg seines dritten Romans zu verbergen. Im Wikipedia-Eintrag ist zu lesen:
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Benedict Wells - Die Geschichten in uns - Vom Schreiben und vom Lesen V
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"Ein soziales System kann nicht denken, ein psychisches System kann nicht kommunizieren." (Niklas Luhmann: Was ist Kommunikation? in: Fritz B. Simon, Lebende Systeme, Frankfurt 1997, Seite 28) Mit dieser ungeheuerlichen Provokation bringt Niklas Luhmann die Fundamentalprämisse seines Verständnisses von Kommunikation auf den Punkt. Um das Agieren Benedict Wells' und das - teils orientierungslose - Driften seines Vaters im Familiensystem von Schirarch zu beschreiben, gibt es vermutlich keine passendere Ausgangsprämisse als die Niklas Luhmanns. Das ist natürlich insofern Unsinn, als mit Luhmanns Verständnis von Kommunikation die Ausgangsprämisse zum Verständnis sozialer Systeme generell markiert werden kann (hier ein sehr persönliches Beispiel). In meinem Blog hat Luhmanns Kommunikationsverständnis tiefe Spuren hinterlassen (Was ist Kommunikation? - in Kurzform - in Langform). Dies gilt gleichermaßen für seine Skizze zu einer Theorie des Lebenslaufs!
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Benedict Wells - Die Geschichten in uns - Vom Schreiben und vom Leben III
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Bert Hellinger schreibt in Der Friede beginnt in den Seelen (Carl-Auer-Systeme, Heidelberg 2003) unter der Kapitelüberschrift: Die Grundlagen des Familien-Stellens (Seite 111):
„Die wichtigste Einsicht hinter dem Familien-Stellen ist, dass jede Therapie erst dann gelungen ist, wenn jemand im Einklang ist mit seinen Eltern. Wo das gelungen ist, das Anerkennen der Eltern und das Nehmen des Lebens von ihnen mit aller Liebe, ist der Einzelne gerüstet für alles, was im Leben auf ihn zukommt.“
Benedict Wells bezieht sich in Die Geschichten in uns – Vom Schreiben und vom Leben auf Seite 99 auf Alexander Kluge (das erwähnte Interview ist verlinkt):
„Der Publizist Alexander Kluge sagte in einem Interview auf die Frage, wieso er schreibe, er habe im Grunde in all seinen Werken versucht, seine Eltern wieder zusammenzubringen. Vielleicht ist so ein Satz zutreffend. Vielleicht ist auch mein Schreiben geprägt von dem unmöglichen Versuch, die Brüche im Leben meiner Eltern oder meiner Kindheit zu reparieren. Von dem Wunsch, fremde und eigene Fehler zu korrigieren. Und von der Hoffnung meines jugendlichen Ichs, endlich von anderen Menschen gesehen zu werden und all die unausgesprochenen in mir schlummernden Gefühle, Ängste und Gedanken mit ihnen zu teilen. Sie sind die weißen Blätter, auf die ich bis heute schreibe.“
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