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Zur kirchlichen Hochzeit von Anne und Sebastian am 15.9.2018 in der evangelischen Kirche zu Güls

Liebe Anne, lieber Sebastian,

der Lebenslauf besteht aus Wendepunkten, an denen etwas geschehen ist, was nicht hätte geschehen müssen! Was heute – hier und jetzt – geschieht, und was vor gut einer Woche bereits standesamtlich besiegelt worden ist, das beruht selbstverständlich auf der freien Willensentscheidung Annes und Sebastians. Selbstverständlich? Nun, selbstverständlich ist in dieser, unserer globalisierten und kulturell auseinanderdriftenden Welt so ziemlich gar nichts mehr – selbst, Regen, der für uns in der gemäßigten Klimazone immer selbstverständlich war, mag sich nicht mehr wie selbstverständlich einstellen. Nur am heutigen Tag Eurer Hochzeit mag ich mich persönlich damit abfinden und mich mit dieser Katastrophe arrangieren.

Für meine kurze Rede habe ich mir heute zwei Koautorinnen zur Seite geholt, Maren Keller und Julia Grosse. Die beiden werden mit mir gemeinsam ein paar Hinweise geben, die dazu taugen – wenn es in Eurem gemeinsamen Leben wirklich gut läuft –, dass Ihr in 50 Jahren einmal zurückschaut, vielleicht mit gemeinsamen Kindern, und zu dem verblüffenden Ergebnis kommt, dass doch alles auch ein bisschen war, als sei es selbstverständlich; zumindest wünsche ich Euch genau das.

Maren Keller schreibt für den SPIEGEL (28/18, S. 95-101) und geht der Frage nach, warum die einen die lebenslange Liebe finden und die anderen nicht. Ihre erste Feststellung ist ernüchternd und schlicht statistischen Befunden geschuldet:

„Die Zahl der Paare, die miteinander ein ganzes Leben verbringen, wird immer weiter sinken.“

Bereits die Standesbeamtin, Frau Hillesheim, hat letzte Woche sehr einfühlsam ein mögliches Kriterium definiert, das die Erfolgsaussichten für eine lebenslange, glückliche Ehe positiv zu begünstigen scheint: Sie meinte, wenn ein Paar den Blick nach vorne und vor allem in eine gemeinsame Richtung lenke, wenn man möglichst viele gemeinsame Interesse habe, dann könne sie schon gelingen – eine lebenslange Liebe und Partnerschaft. Beim anschließenden Mittagessen saß dann das Hochzeitspaar – anders als es nachher im Festzelt der Fall sein wird – nicht nebeneinander, die Blickrichtung gemeinsam ausgerichtet, sondern Sebastian meinte, er wolle seine Frau anschauen; deshalb saßen die beiden einander gegenüber. Das hat mich beeindruckt, weiß ich doch aus eigener Erfahrung, wie wichtig und belebend es für ein Paar ist, sich vor lauter Gemeinsamkeiten nicht aus dem Blick zu verlieren!

Liebe Anne, lieber Sebastian, die beiden Orte, an denen wir heute feiern, spielen in Eurem gemeinsamen Leben eine wichtige Rolle. Alleine, dass wir heute nicht in der katholischen, sondern in der evangelischen Kirche zusammenkommen, verbindet Euch – als Konvertiten – auf Eurem gemeinsamen Weg. Euer Engagement in der Kirchengemeinde und in der Jugendarbeit beeindruckt mich schon lange. Es zeugt von tiefen gemeinsamen Überzeugungen, und es birgt einen großen Schatz gemeinsamer Orientierung. Hier seid Ihr zu Hause, und hier sollt Ihr es bleiben. Das Durchtrennen von Fäden tradierter Zugehörigkeiten (z.B. zu einer Kirche – der katholischen Kirche) und das Knüpfen neuer Fäden (innerhalb der evangelischen Kirche) zeugen von Eigensinn und Selbstständigkeit. Hier ist ein dichtes Netz an Kontakten und Freundschaften gewachsen. Und das ist eine Antwort – vielleicht die wirksamste – auf eine globalisierte, schnelllebige und Flexibilität einfordernde Gesellschaft. Maren Keller zitiert im SPIEGEL zwei Standesbeamtinnen, die glauben, dass die Sehnsucht nach ewiger Liebe deshalb so stark geworden sei, weil alles so instabil geworden sei. Es passiere so viel auf dieser Welt, „da will man sich doch einen eigenen Kokon bewahren.“

Wenn wir in dieser verrückten Welt den untrüglichen Eindruck gewinnen, an keinem Ort mehr als Ganze, nämlich als die wahrgenommen zu werden, die wir sind und die wir sein wollen, so bleibt als letzte Bastion tatsächlich nur das Paar. Das Paar mit dem Willen – und hoffentlich auch mit der Fähigkeit – wie Peter Fuchs sagt - zur wechselseitigen Komplettberücksichtigung im Modus der Höchstrelevanz. Diese wechselseitige Komplettberücksichtigung im Modus der Höchstrelevanz schließt im Sinne der Komplettberücksichtigung und der Höchstrelevanz die Sexualität mit ein. Deshalb grenzt sich das Paar in einer einzigartigen Weise gewissermaßen als monadische Insel der Intimtität von allen anderen Formen des Zusammenlebens ab – auch von der Familie, die nur in der gegengeschlechtlichen Konstellation von Mann und Frau durch das Hinzukommen von Kindern gewissermaßen wie selbstverständlich entstehen kann. Allen anderen heute möglichen Optionen geht genau diese Selbstverständlichkeit ab!

Maren Keller erweist sich als nüchterne Analytikerin und stellt fest: „Die durchschnittliche Beziehung hält in Deutschland 4 Jahre. Die durchschnittliche Ehe immerhin 15.“ Selbst der von ihr als Kronzeuge interviewte Pastor Friese – so schreibt sie – habe schon vor Jahren eine zweite Trauformel in sein Repertoire aufgenommen. Er sage jetzt etwas von Lebensbegleitern, die die Schwächen des anderen liebten und die Stärken förderten, weil er wisse, „dass es oft eh nicht der Tod ist, der seine Paare scheidet, sondern das Amtsgericht Rendsburg“.

Ich möchte zum Abschluss Julia Grosse mit ins Boot nehmen; eine junge Frau, die von sich behauptet, die meisten auf dem Markt befindlichen Beziehungsratgeber gelesen zu haben, um dann schließlich selbst ein Buch über das Glück der lebenslangen Liebe zu verfassen. Sie hat mit einer Reihe von Diamantpaaren gesprochen und sich vor allem intensiv mit ihren eigenen Großeltern auseinandergesetzt, die 70 Jahre lang – nach eigenem Bekennen – eine glückliche Ehe geführt haben:

Ein Leben lang. Was wir von unseren Großeltern über die Liebe lernen können (Hoffmann und Campe; 240 Seiten).

Der Ertrag erscheint trivial und dennoch gibt es vielleicht einige Hinweise, die zur Übernahme ins Langzeitgedächtnis taugen:

  • Julia Grosse stellt eine Zutatenliste zusammen, die es wahrscheinlicher macht, dass eine Liebe gelingt: Respekt, notiert sie, miteinander reden, Wertschätzung, Toleranz, Pflege – immer wieder miteinander etwas Neues tun und die dringlichste Empfehlung der Diamantpaare: „Entspannt euch!“
  • Ganz nebenbei bemerkt fließt die statistisch signifikante Erkenntnis mit ein, wonach vor allem Männer in Partnerschaften gesünder leben und obendrein länger.
  • Besonders bemerkenswert erscheint Julia Grosse bei ihren Recherchen, dass eine ernst zu nehmende Studie herausgefunden haben will, dass es schon genügt, wenn sich Paare dreimal am Tag 90 Sekunden lang wirklich miteinander unterhalten, also einander angucken, sich ernst nehmen – und sich wirklich etwas zu sagen haben.

Aber auch Julia Grosse bekennt auf ihrer Reise zu den Diamantpaaren natürlich nicht das eine Geheimnis der ewigen Liebe gefunden zu haben. Es sei vielmehr so, dass jedes Paar sein eigenes Geheimnis und seine eigenen Antworten habe.

Findet und hütet Euer eigenes Geheimnis, seid glücklich miteinander! Und für die Zeiten, wo das Glück sich spärlich zeigt, füge ich Euch – wie vor zwei Jahren Laura und Thomas – den Sieben-Punkte-Katalog Arnold Retzers an, um dem Wunder der Ehe auf die Spur zu kommen und ihm eine Chance zu geben.

Ein Letztes möchte ich hier noch erwähnen. Das auf sich alleine gestellte Paar schränkt seine Überlebenschancen ein. Was ich – und wir alle im engeren Kreis – in den letzten Wochen erlebt haben, und was uns mit großer Freude und Stolz erfüllt, ist der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Familien. Hier ist einer für den anderen da. Und wenn alle, die nachher hoch oben in Bisholder mit uns feiern, einmal schauen, was dort in den letzten Tagen entstanden ist (einschließlich einer verlockenden Kuchentheke), so werden sie das Ergebnis familiären Zusammenhalts und verlässlicher Freundschaften zu sehen bekommen. Ein Dank an alle, die dieses Fest in dieser Form möglich gemacht haben.

 

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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