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Lesen interaktiv - eine Bereicherung für beide Seiten

seit ich Ruheständler bin, gewinnt das Lesen - und im Übrigen auch das Schreiben - noch einmal eine andere Bedeutung, und es nimmt auch noch einmal andere Formen an. Ich kann mich meiner Lektüre sehr viel ambitionierter und mit akribischer Aufmerksamkeit zuwenden, als dies zu Zeiten beruflicher Anspannung noch der Fall war; zuletzt beispielsweise bei Alex Schulmans Verbrenn all meine Briefe, oder bei Peter Härtlings Nachgetragener Liebe - stellvertretende Beispiele für eine auch meinerseits hochgradig in biografischer Wechselwirksamkeit geführte Auseinandersetzung. Es geht immer um die Fragen, die Friedemann Schulz von Thun mit den Umständen und Zufällen verbindet, die vielleicht - wenn man Glück hat - zu einem Erfüllten Leben führen. Er schrieb mir auf meine Auseinandersetzung mit seinem Spätwerk:

"Lieber Herr Witsch-Rothmund,
vielen Dank für den Hinweis auf Ihre Arbeiten! Eine beeindruckende Fundgrube der geistigen Auseinandersetzungen!
Es freut mich sehr, dass Sie sich so eingehend auch mit meinem jüngsten Buch beschäftigen - ich sehe einen Bruder im Geiste!

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Schulz von Thun"

Zuletzt - mich wundert sehr, dass Michael Kleeberg erst jenseits meiner Siebzig, sozusagen kurz vor meinem Einundsiebzigsten, diese fulminante Wirkung entfaltet mit seinen Vaterjahren. In einer Reaktion auf meine ausführliche Würdigung dieser höchst anregenden Auseinandersetzung mit Familie, Arbeitswelt und den schlichten Alltäglichkeiten, die uns beschäftigen - ich hatte angedeutet, dass Kleeberg schon dabei sei (als 59er Jahrgang), sich bereits im Zuge der 2014 erschienen Vaterjahre auf respektable Weise Perspektiven einer Großvaterschaft erlaube -, schrieb er mir:

"ich habe mich fasziniert festgelesen in diesem beitrag über mich (was kein gutes zeichen ist) und möchte nur anmerken, dass die mehrmals angesprochenen "grossvaterjahre" im kommenden herbst erscheinen werden unter dem titel 'dämmerung'."

Vielleicht ist es gleichermaßen der Abstand und die wachsende Nähe zum eigenen Driften in der Welt, die neue Zugänge eröffnen zu einer ambitionierteren Form der Lektüre so ungemein anregender Überlegungen, in denen offenkundig "Brüder und Schwestern im Geiste" in Erscheinung treten.

Ich bin gespannt auf die "Dämmerung" und vielleicht gelingt es mir doch noch einen meiner "Brüder im Geiste", der sich selbst immer wieder als "nur SPIEGEL-Leser" outet, zu einer unterhaltsamen und anregenden Lektüre zum Beispiel der angekündigten "Dämmerung" zu bewegen. Wie anregend und schockierend andererseits das Stöbern im unendlichen Fundes literarischer Absonderungen sein kann - ich nenne es eine "Archäologie des politischen Feuilletons" -, habe ich zuletzt in der Auseinandersetzung mit den Wiedergängern Adolf Hitlers erfahren müssen.

Es grüßt ein mühsam und langsam, aber akribisch lesender Literaturjunkie (:-)










   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund