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Dr. Franz Josef Witsch-Rothmund
Am Heyerberg11,56072 Koblenz, am 27.9.2022

Rhein-Zeitung vom 27.9.2022, Seite 5: Alles, was Precht ist – Umstrittenes neues Buch über die vierte Gewalt und die Meinungsmacht der Medien - Siehe auch: Die fabelhaften Jammer-Boys zum Interview Prechts und Welzers mit der ZEIT

Alles, was Precht ist

Sven Gösmann ist zuzustimmen: Richard David Precht und Harald Welzer haben die Seiten gewechselt. Seit geraumer Zeit sind sie wesentliche Protagonisten im Medienzirkus, die uns jetzt belehren wollen, wie dieser Zirkus zu funktionieren hat. Sie inszenieren sich wie gekränkte Jungs, die gleichermaßen enttäuscht und beleidigt ihre Schäufelchen aus dem Sandkasten eines einseitigen Medienspektakels zu retten versuchen.

Sie schießen dabei weit über ein legitimes Ziel hinaus, ließen sie ihre Streitschrift vom S. Fischer Verlag mit dem Blick auf den deutschen Journalismus doch tatsächlich mit dem Begriff der „Selbstgleichschaltung“ bewerben. Wie abgehoben und einer soliden Bodenhaftung verlustig gehend Precht inzwischen argumentiert, mag man daran erkennen, dass er sich dazu versteigt, „vom Publikum da draußen zu sprechen“. Precht und Welzer zahlen inzwischen den Preis für ihre Zugehörigkeit zum inneren Zirkel derer, die in Deutschland durch ihre massenmediale Omnipräsenz an der (ver-)öffentlichten Meinung mitstricken. Nur weil man eine Minderheitenmeinung (im Konflikt um die Ukraine) vertritt und dafür jedes erdenkliche Forum geboten bekommt, muss man die „andere Seite“ nicht der „Selbstgleichschaltung“ bezichtigen. Es war dringend geboten, diesen Begriff mit seiner assoziativen Nähe zu Nazi-Deutschland und anderen totalitären Regimen zurückzuziehen. Zur Ehrenrettung Welzers muss man zumindest darauf hinweisen, dass er mit den gemeinsam mit Sönke Neitzel vorgelegten Studien zum historischen Referenzrahmen des Handelns deutscher Soldaten im zweiten Weltkrieg (Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben – Frankfurt 2011) Maßstäbe gesetzt hat für ein grundlegendes Verständnis von „Kriegswahrnehmung von Soldaten in historischer Echtzeit“. Seine seit 2002 publizierte Studie zum kommunikativen Gedächtnis (Eine Theorie der Erinnerung, erschienen in der Beck’schen Reihe) gibt uns bis heute Gelegenheit, profunde Einblicke in den Aufbau dessen zu gewinnen, was wir „autobiographisches Gedächtnis“ nennen. Um Seriosität und erworbenes Renommee nicht zu verspielen, sollten sich die beiden besinnen. Eine Minderheitenmeinung offensiv und bei jeder Gelegenheit vertreten zu können – genau das ist eines der zentralen Gütesiegel einer funktionierenden Demokratie. Und man muss im Übrigen nicht Andrij Melnyk heißen, um zumindest der Auffassung zu sein, dass Wladimir Putins Vorgehensweise für eine Gewaltherrschaft spricht, für die ein deutscher Staatsrechtler, nämlich Carl Schmitt, die Partitur geschrieben hat: Als einzige „spezifische politische Unterscheidung, auf welche sich politische Handlungen und Motive zurückführen lassen", nennt er die Unterscheidung von Freund und Feind. Auch bei Putin kann man sehen wohin es führt, wenn man genau diese Unterscheidung zur Leitdifferenz seines Handelns macht:

„Die Unterscheidung von Freund und Feind hat den Sinn, den äußersten Intensitätsgrad einer Verbindung oder Trennung, einer Assoziation oder Dissoziation zu bezeichnen [...] Der politische Feind braucht nicht moralisch böse, er braucht nicht ästhetisch häßlich zu sein; er muss nicht als wirtschaftlicher Konkurrent auftreten, und es kann sogar wirtschaftlich vorteilhaft scheinen, mit ihm Geschäfte zu machen. Er ist eben der andere, der Fremde, und genügt zu seinem Wesen, daß er in einem besonders intensiven Sinne existenziell etwas anderes und Fremdes ist, so daß im extremen Fall Konflikte mit ihm möglich sind, die weder durch eine im voraus getroffene generelle Normierung, noch durch den Spruch eines ‚unbeteiligten‘ Dritten und daher ‚unparteiischen‘ Dritten entschieden werden können (Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen, Berlin 1932 – Nachdruck 1963, S. 27).“

Ein bisschen mehr solide Recherche würde auch Precht und Welzer gut zu Gesicht stehen!

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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