Björn Höcke, Alexander Gauland - Sollten wir vielleicht einmal miteinander reden?
Um es von vorne herein klarzustellen: Ich (FJWR) halte es eher mit Sascha Lobo - mit Rechten vom Zuschnitt Björn Höckes lohnt das Reden nicht! Daher werde ich mich selbst auch aus folgendem Gespräch heraushalten und mich lediglich auf's Moderieren beschränken. Es wird primär darum gehen, zu zeigen, wie Björn Höcke und Alexander Gauland auf kalkulierte Weise die Trennlinien verwischen zu einer totalitär ausgerichteten Gesinnung mit deutlichen verbalen Versatzstücken aus dem Wörterbuch des Unmenschen. Jedem halbwegs geschichtsbewussten Bürger dieser Republik muss die dreiste Form der Geschichtsklitterung hochnotpeinlich sein, weil das, was Höcke und Gauland infrage stellen, bereits seit mehr als siebzig Jahren als unbestreitbare Wahrheit in der Welt steht: So in: Heinrich Gerlachs Roman: Durchbruch bei Stalingrad, der seit 1944 verschollen war und 2012 im Moskauer Militärarchiv von dem Germanisten Carsten Gansel entdeckt und 2016 bei Galiani veröffentlicht wurde. So in Willy Peter Reeses Vermächtnis: "Mir selber seltsam fremd - Die Unmenschlichkeit des Krieges".
Da ich selbst Geschichtslehrer bin – so wie Björn Höcke – werde ich ihn und seinen Ehrenvorsitzenden heute nachsitzen lassen und einer Geschichtslektion unterziehen. Dazu habe ich mir neben Höcke und Gauland Gäste eingeladen: Heinrich Gerlach, der 1991 verstorbene Autor von „Durchbruch bei Stalingrad“ schickt mit Leutnant Wiese einen seinen Hauptprotagonisten, während Obergefreiter Reese persönlich das Wort nimmt.
In der nun folgenden – teils turbulenten Szene – sind also vertreten:
Björn Höcke: Er ist einer von zwei Sprechern der AfD Thüringen und seit der Landtagswahl in Thüringen 2014 Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag. Seit 2014 ist der in Hessen beamtete Gymnasiallehrer wegen seiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter beurlaubt.
Alexander Gauland: Alexander Gauland ist ein deutscher Jurist, Publizist und Politiker. Er ist seit 2017 einer von zwei Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion seiner Partei und seit 2019 Ehrenvorsitzender der AfD. Von 2017 bis 2019 war Gauland einer von zwei AfD-Bundessprechern.
Leutnant Wiese: Angehöriger der 6. Armee. Er ist der analytische Kopf in Heinrich Gerlachs Roman: Durchbruch bei Stalingrad. Im Januar 1943 eröffnet ihm sein Divisionskommandeur, Oberst von Hermann, dessen Ordonnanzoffizier er ist, dass er am nächsten Tag ausfliegen wird. Er begründet das mit den Worten: "Die Wahrheit über Stalingrad wird unerwünscht sein. Ich glaube aber das Deutschland diese Wahrheit brauchen wird. Es müssen Männer drüben sein, die den Mut haben zu berichten, was wirklich war."
Obergefreiter Reese: Angehöriger der vierzehnten Kompanie des Regiments 279 der 95. Infanteriedivision. Reese fällt lt. Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes zwischen dem 22. und 30. Juni im Alter von 23 Jahren in Rußland im Raum Witebsk. Reeses Aufzeichnungen sind 2003 im Claassen Verlag veröffentlicht worden.
FJWR: Sehr geehrter Herr Gauland, Sie signalisieren mit sehr deutlichen und pointierten Aussagen die Notwendigkeit, das in der Bundesrepublik tradierte und etablierte Geschichtsverständnis sei revisionsbedürftig. Würden Sie Ihre zentralen Aussagen bitte hier noch einmal wiederholen. Uns interessiert insbesondere Ihre Bewertung der Zeit von 1933 bis 1945.
Gauland: "Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Und das sprechen wir auch aus. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen."
FJWR: Sehen Sie das ähnlich, Herr Höcke?
Höcke: "Das große Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird. Aber wir alle wissen natürlich, das es in der Geschichte kein Schwarz und kein Weiß gibt."
FJWR: Ist eine solche Betrachtungsweise denn aus Ihrer Sicht gegenwärtig vertretbar oder sollten wir alle nicht Lehren ziehen aus der doch zweifelsfrei düstersten Epoche deutscher Geschichte, die mit der Verantwortung einhergeht für Terror und millionenfachen Mord? Ja, Moment Herr Gauland. Sie können sich gleich dazu äußern, aber zunächst hat Ihr Parteifreund Höcke noch das Wort!
Höcke: "Die Sehnsucht der Deutschen nach einer geschichtlichen Figur, welche einst die Wunden im Volk wieder heilt, die Zerrissenheit überwindet und die Dinge in Ordnung bringt, ist tief in unserer Seele verankert, davon bin ich überzeugt."
FJWR: Ja, Herr Gauland, ich weiß ja was sie sagen wollen - bitte!
Gauland: "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte!"
Höcke: (springt auf, stellt sich in Pose und ruft:) "1000 Jahre Deutschland! Ich gebe euch nicht her!"
FJWR: Aber Sie müssen mir doch zugestehen, dass man mit einem Abstand von mehr als 70 Jahren die Ausmaße des Terrors, mit dem Deutschland ganz Europa verheert und in Geißelhaft genommen hat, nicht als "Vogelschiss" bezeichnen kann. Die 12 Jahre des tausendjährigen Reiches mit der planmäßigen Vernichtung von 6 Millionen Juden, der planmäßige Vernichtungskrieg im Osten, das Terrorregime im Inneren muss doch auch Ihnen vorkommen als hätten sich Hekatomben Scheiße aus abertausenden brauner Gehirne und Gedärme über ganz Europa ergossen.
Gauland: "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte!"
FJWR: Sie bleiben dabei?
Gauland: "Wir haben das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen." "Wenn die Franzosen zu Recht stolz auf ihren Kaiser sind und die Briten auf Nelson und Churchill, haben wir das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen."
FJWR: Aber Sie wissen doch heute, dass auch deutschen Soldaten der von Ihnen reklamierte Stolz im Halse stecken bleiben müsste, wenn sie in umfassender Weise - wie wir heute, auch sie – sehen könnten, für welch verbrecherische Politik sie ihre Knochen hingehalten hat. Und vor allem: wir erkennen heute in vollem Ausmaß die Auswirkungen des sogenannten historischen Referenzrahmens auf das Verhalten deutscher Soldaten (Kommissarbefehl, Umgang mit Gefangenen vor allem im Vernichtungskrieg im Osten). Im Namen der deutschen Führung sind Millionen Menschen ermordet und dem Hungertod preisgegeben worden! Und sie wollen, dass wir wieder Stolz sein können auf die Leistungen deutscher Soldaten. Das können Sie nur, wenn sie leugnen, was deutsche Soldaten im Namen dieses verbrecherischen Terror-Regimes getan haben - Oder leugnen Sie etwa den Holocaust, den organisierten Genozid, die Notwendigkeit dies im Rahmen einer bewussten Erinnerung und eines „Nie wieder!“ wach zu halten?
Höcke: "Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Und: : "Die Sehnsucht der Deutschen nach einer geschichtlichen Figur, welche einst die Wunden im Volk wieder heilt, die Zerrissenheit überwindet und die Dinge in Ordnung bringt, ist tief in unserer Seele verankert, davon bin ich überzeugt." Und: "Das große Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird. Aber wir alle wissen natürlich, dass es in der Geschichte kein Schwarz und kein Weiß gibt."
FJWR: Dann nehmen Sie jetzt einmal Haltung an, meine Herren. Leutnant Wiese (Angehöriger der 6. Armee, die vor Stalingrad von ihrem Führer dem "Heldentod" preisgegeben wurde) und Obergefreiter Reese (gefallen im Juni 1944 bei Witebsk als Angehöriger der 95. Infanteriedivision) werden jetzt zu Ihnen sprechen. Sie werden sich Notizen machen. Ich werde Ihnen nach gründlichem Studium und sorgfältiger Aufarbeitung dieser Ihnen hier exklusiv vorgetragenen Aussagen sowie der zugrundeliegenden Quellen diesselben Fragen noch einmal stellen! Bitte, Leutnant Wiese, nehmen Sie das Wort! Ich bitte Sie zunächst Aussagen zu machen zur Person Adolf Hitlers.
Leutnant Wiese: "Hitler! Das Götzenbild, das die Propaganda errichtet hat und an das sich niemand heranwagt! Sie sehen den Kinderfreund, den warmherzigen Volksredner, der von Liebe zu seinem Volk überfließt. Sehen Sie ihn, wie er in Wahrheit ist! Was sehen Sie dann? Eine einzige Kette abgefeimtesten Betrugs und brutalster Gewalt! Konkordat - gebrochen! Feierliche Garantierung der Rumpftschechei - kurz darauf Einmarsch, Annexion! Flottenvertrag mit England - vertragsbrüchig aufgekündigt! Zehnjähriger Nichtangriffsvertrag mit Polen - gebrochen. Freundschaftsvertrag mit Rußland - schamlos gebrochen! Am 30. Juni 34 hat er seine politischen Gegner ermordet, darunter viele seiner ältesten Mitkämpfer, einfach ermordet, ohne Verfahren, ohne Urteil... Burgfrieden mit der Kirche für Kriegsdauer, groß herausposaunt! Was geschieht? Die KZs und Gefängnisse voll von Geistlichen, die Klöster ausgeplündert, enteignet! Hier lesen Sie, das bekam ich heute früh. Ein Brief von meiner Cousine aus Zibingen, Hildegardiskloster. Innerhalb von zwei Stunden hat man die Klosterfrauen auf die Straße gesetzt, mit kleinem Handgepäck. Alles andere gestohlen, das Kloster eine NS-Schule... Lesen Sie nur, lesen Sie! Das ist Hitler! So kann ihn jeder sehen, der nicht völlig verdummt ist, der nur die Augen aufmacht. Und dieser Mann ist für viele heute schon kein Mensch mehr, sie beten ihn an als einen Gott, als einen zweiten Christus, diesen... 'Empören Sie sich nur! Sie tun es ja nur, weil Sie fühlen, dass ich die Wahrheit spreche. Und die muss ich sagen, so wie sie mir gerade hier in den letzten Wochen zur Klarheit gediehen ist. Wir sind nicht mehr in Deutschland, in unserer guten, so bequemen friedlichen Bürgerwelt, wo man sich so schön um unangenehme Erkenntnisse herumdrücken konnte. Wir stehen hier zwischen Tod und Leben. Morgen schon kann es mit uns aus sein. Das verpflichtet zur Wahrheit... Sie sprechen von Hitlers Erfolgen. Sie sind errungen durch Betrug und Verbrechen. Das deutsche Volk ist nicht glücklicher dadurch geworden. Es hat seine Anständigkeit und Ehrlichkeit, seinen guten Namen dabei verloren. Und was waren es denn für Erfolge? Scheinerfolge waren es, Wechsel auf die Zukunft. Heute bezahlen wir die Zeche mit Strömen von Blut und Tränen. Krieg, das war für den Nationalsozialismus der Weisheit letzter Schluss. Dass wir heute hier im Dreck sitzen, das ist das klare und logische Ergebnis nationalsozialistischer Politik und Weltanschauung... Und nicht nur wir, ganz Deutschland sitzt heute schon in einem solchen Todeskessel! Die ganze Welt bekämpft und hasst uns als den schlimmsten Feind der Menschen!'
FJWR: Danke Herr Leutnant. Ich weiß, dass Sie den Kessel von Stalingrad nicht - wie Ihr Divisionskommandeur, Oberst von Hermann, es erhofft hatte - lebend verlassen haben. Heinrich Gerlach, der die russische Gefangenschaft überlebt hat, hat Sie dazu auserwählt, uns die Wahrheit zu sagen über Stalingrad und das Deutschland der Nazis. Die Veröffentlichung seines in Kriegsgefangenschaft geschriebenen Romans, in dem sie einer der Hauptprotagonisten sind, erfolgte posthum, 25 Jahre nach seinem Tod. Was möchten Sie, Leutnant Wiese, Herrn Gauland und Herrn Höcke noch mitteilen, jenen aufrechten Männern, die dem deutschen Volke heute wieder Stolz einhauchen wollen auf Sie und Ihre Kameraden?
Leutnant Wiese: "Die Folgen dieses verlorenen Krieges werden furchtbar sein. Man wird uns eine schreckliche Schlussrechnung vorlegen. Noch unsere Kinder und Kindeskinder werden daran zahlen... Aber es gibt keinen anderen Ausweg. Nicht ein gewonnener, sondern nur ein verlorener Krieg mit all seinen Folgen wird das Fegefeuer der Läuterung sein für unser Volk. Nur durch diese furchtbarste Erfahrung wird es das Verhängnis eines Irrweges erkennen und wieder zurückfinden zu Treue und Ehrlichkeit. Ich wünsche mit heißem Herzen, dass das deutsche Volk aus der Finsternis dieser Tage seine Seele rettet, und ich sehe nur diesen einen Weg."
FJWR: Sehr geehrter Leutnant Wiese, Sie befinden sich im Kessel von Stalingrad. Es ist der 24. Dezember 1942, der Heilige Abend, an dem sie Ihrem Kameraden, Oberleutnant Breuer, Ihre Sicht der Dinge offenbaren. Oberleutnant Breuer - das alter ego Heinrich Gerlachs - ist ein zweifelnder, verzweifelnder Nationasozialist, dem Sie mit Ihrer nüchternen Analyse die allerletzten Illusionen rauben und der sich Ihnen in seiner Verzweiflung offenbart. Glauben Sie, dass diese schonungslose Offenheit, die Klarheit des Blickes, den Sie hier walten lassen, glauben Sie, dass Sie mit dieser schockierenden Entlarvung des Naziterrors, der ein ganzes Volk betäubte, auch arme verirrte Seelen und Köpfe erreichen? Vielleicht erklären Sie Björn Höcke (beurlaubter Gymnasiallehrer für Geschichte) und Alexander Gauland noch, warum dieser Krieg von Deutschland nicht gewonnen werden durfte.
Leutnant Wiese: "Dieser Krieg darf von Deutschland nicht gewonnen werden! Wissen Sie, was geschieht, wenn dieser Krieg mit dem von Hitler erstrebten Siege endet?... Dann hat man die unumschränkte Macht. Dann ist niemand mehr da, vor dem man sich verstellen muss. Dann wird die letzte dünne Maske abgeworfen, durch die schon heute die Fratze des Satans grinst! Ich sage Ihnen, dann wird die Welt ein Schauspiel erleben, gegen das die Raserei eines Nero ein Kinderspiel war. Gesetz- und Sittenlosigkeit... Rassezüchtung mit Herdbuchmethoden... Die Vergottung des Starken, Brutalen, die Ausbeutung der Schwachen als oberstes Prinzip! Ganze Völker wird man ausrotten oder zur Sklaverei verdammen, nur weil ihre Haarfarbe nicht blond, ihre Haut nicht weiß ist. Und unser deutsches Volk, das Volk der Dichter und Denker, die Verkörperung von Treue und Rechtlichkeit? Barbaren wird man aus uns machen... eine Bande von räuberischen Bestien, von Schmarotzern und Drohnen! Wir sind ja schon auf dem Weg dazu. Sehen Sie nicht, wie wir alle vertieren durch diesen Krieg, den wir begonnen haben?'
FJWR: Ich danke Ihnen sehr, Leutnant Wiese. Ich erinnere mich, dass Sie ganz zum Schluss Ihrem Kameraden, Oberleutnant Breuer, gegenüber ein Bekenntnis ablegen, dass Sie zu einem wahrhaftigen Helden wider Willen werden lässt. Lassen Sie uns nachher Herrn Gauland fragen, ob er diese Art von Heldentum meint, wenn er uns nahelegt, endlich wieder Stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten. Darf ich Sie bitten, diese Anwort hier noch einmal zu wiederholen, wobei Sie Ihre eigene Bestürzung nicht verbergen und sichtlich um Worte ringen. Sie antworten ja dabei auf die Frage Ihres Kameraden Breuer, die er Ihnen zum Abschluss Ihres Gesprächs stellt: "Doch verraten Sie mir noch eines, lieber Wiese: Wenn das alles ihre feste Überzeugung ist, wie können Sie dann noch den Soldatenrock mit dem Hoheitsabzeichen auf der Brust tragen. Wie bringen Sie es überhaupt noch fertig, in diesem Krieg zu kämpfen?"
Leutnant Wiese: "Das ist die Frage, die ich mir selbst immer wieder vorlege. Sie haben ganz recht: Ich dürfte in diesem Krieg keine Waffe mehr führen... Aber, wer von uns kann bis ins Letzte konsequent sein? Das Leben verlangt soviel Zugeständnisse von uns... Und sehen Sie, ich glaube an eine göttliche Führung. Das Schicksal hat es bisher gnädig mit mir gemeint. Es ist mir in den letzten drei Kriegsjahren erspart geblieben, auf einen Menschen schießen zu müssen. Und ich bin fest entschlossen, in diesem Krieg niemals gegen einen Menschen die Waffe zu erheben... Und wenn es mein Tod sein sollte... Und nun Schluss mit diesem Gespräch! Das liegt ja alles schon so fern. Wir stehen allein, haben nur uns... Und in dieser Schicksalsgemeinschaft möchte man keinen Freund verlieren. Ich möchte nicht, dass von unserer Unterhaltung irgendein Schatten zwischen uns zurückbleibt... Nicht wahr, Sie sind mir nicht böse?"
FJWR: Meinen Sie diese Art von Helden, Herr Gauland - sollen wir Ihrer Auffassung nach auf die Haltung von Leutnant Wiese Stolz sein, der uns daran erinnert, dass aus seiner Sicht noch die Kinder und Kindeskinder an dem zahlen werden, was die Nazis zu verantworten haben? Herr Gauland, wenn Sie dieser Überzeugung sind, dann antworten Sie mit: "Ja"
Gauland: y"$%x(??ß!!!´´SSahj&/`"!
FJWR: Ich kann Sie leider nicht verstehen - antworten Sie doch bitte einfach mit einem schlichten "JA" - nehmen Sie wenigstens Haltung an. Ich kann Ihre Zurückhaltung schon verstehen - auch Ihre Betroffenheit. Denn die werden Sie jagen! Sie werden Sie und Ihre Gesinnungsgenoss(in)en jagen Tag und Nacht, jede Sekunde Ihres erbärmlichen Lebens, die Leutnants Wiese und die Oberleutnants Breuer. Und das wird nicht besser. Was glauben Sie, was erst geschieht, wenn ich Ihnen jetzt den Obergefreiten Reese vorstelle? Das wird nicht besser. Herr Höcke, bleiben Sie hier, laufen Sie nicht weg! Ach, Herr Wachtmeister, verriegeln Sie doch bitte die Türe. Und legen Sie Herrn Höcke Handschellen an. Nein, dies meint keine Vorverurteilung und auch keine Schutzhaft. Es geht lediglich darum, Herrn Höcke daran zu hindern, sich die Ohren zuzuhalten. Herr Geschichtslehrer, nehmen Sie Haltung an und rühren Sie sich erst, wenn der Obergefreite Reese geendet hat! Das ist ein Befehl! Ich erinnere Sie an Ihren am 18. November 2015 in Erfurt formulierten Appell: "Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken. Denn nur, wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur, wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft, und wir müssen wehrhaft werden, liebe Freunde!" Jetzt seien Sie ein Mann, und hören Sie dem Obergefreiten Reese zu! Der Obergefreite Reese wartet seit 76 Jahren darauf, Ihnen einmal seine Meinung zu sagen!
Obergefreiter Reese (ruft wild gestikulierend in Richtung Höcke und Gauland): "Verflucht sei Hitler, der diesen Krieg begann: verflucht seien alle Generäle, Obersten und Rüstungsindustriellen, alle, alle, die Schuld am Kriege tragen und ihn wollen, verflucht sei diese Zeit. Hier gibt es nur Tod oder Flucht, und die Flucht ist unser Ziel."
FJWR: Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Ich weiß, was sie sagen wollen, und Sie sind noch nicht fertig. Ich habe dem Auditorium bereits oben offenbart, dass Sie die Heimat nicht wiedersehen werden, sondern irgendwann zwischen dem 22. und 30. Juni 1944 bei Witebsk - wie die meisten Ihrer Kameraden - elend verrecken werden. Der abschließende Satz Ihrer Ausführungen lautet: "Sizilien wurde aufgegeben, aber wir werden für ein Stück Sumpf, Sand und Moorwald geopfert." Klar, das ist natürlich nicht vergleichbar mit S T A L I N G R A D - (Wir starben, damit Deutschland lebe - so der Völkische Beobachter 1943). Dennoch: Obergefreiter Reese, Sie verstehen sich doch als Lyriker. Können Sie Gauland und Höcke nicht einmal kurz, knapp und formvollendet nahe bringen, worauf wir alle stolz sein sollen? Liefern Sie Herrn Höcke Textmaterial für einen anständigen Geschichtsunterricht, so wie es Ihr Kamerad Leutnant Wiese soeben getan hat!
Obergefreiter Reese (nimmt Haltung an, zieht ein DIN A4-Blatt aus dem Futeral, wo sonst das Bajonett ruht, und beginnt zu deklamieren:
"Die Juden ermordet, als brüllende Horde nach Rußland marschiert, die Menschen geknebelt, im Blute gesäbelt, vom Clowne geführt, sind wir die Gesandten des allwärts Bekannten und waten im Blut.
Wir tragen die Fahnen der arischen Ahnen: die stehen uns gut. Wir saufen und huren, vandalische Spuren bezeichnen den Pfad. Wir toben und schreien am Blocksberg und feiern im närrischen Rat.
Wir protzen und lügen, wir fluchen und siegen, wir herrschen im Bund: der Mensch ist ein Muskel, die Fratze bepustelt, und sonst nur ein Hund. Der Geist ist vernichtet, wir machen Geschichte für elftausend Jahr, wir stürzen die Reiche das dritte nur bleibe der rasenden Schar.
Wir opfern und dienen mit viehischen Mienen dem Gott unserer Zeit, vom Narren erkoren, zum Morde geboren, dem Satan geweiht."
FJWR: Obergefreiter Reese, Herr Höcke vertritt als aufRECHTER Deutscher und als Geschichtslehrer die Auffassung, das große Problem sei, "dass Hitler als absolut böse dargestellt wird." Was antworten Sie? Können Sie es hier einem aufRECHTEN Deutschen gegenüber wirklich vertreten, den Führer als Clown zu bezeichnen.
Obergefreiter Reese (er erhebt sich aus einem riesigen, schier endlosen Massengrab und deklamiert mit feierlicher Miene): "Darum will ich doch noch für Deutschland leben und kämpfen, für das geistige, heimliche Deutschland, das erst nach der Niederlage, nach dem Ende der Hitlerzeit, wieder existieren darf und Deutschland den Platz in der Welt verschaffen wird, der ihm gebührt. Wenn ich kämpfe, so um mein Leben, falle ich, so, weil mein Schicksal es wollte, und für das zukünftige, freie, geistige Deutschland will ich mich auch opfern - aber niemals für das Dritte Reich."
FJWR: Obergefreiter Reese, was sagen Sie den Herren Gauland und Höcke?
Obergefreiter Reese (legt sich nieder. Er legt sich in jenes Massengrab, in dem er mit der Mehrzahl seiner Kameraden verrottet. Im Liegen erhebt er ein letztes Mal seine Stimme zu einer schauerlichen Mahnung an Gauland, Höcke und ihre Gesinnungsgenoss(in)en gerichtet:
Wir dürfen mit Geschütz, Gewehr und Säbel
das größte Unheil schaffen, das gefällt,
die Menschlichkeit und Freiheit weiter knebeln -
denn wir sind ja die Herren dieser Welt.
Das Reich ist unser, morgen auch die Erde,
ein Clown regiert, ein Rudel Rindvieh brüllt
im Propagandastall zu unserer Herde.
FJWR: Obergefreiter Reese - ich möchte Sie noch nicht ganz entlassen und muss Ihre Ruhe noch einmal stören. Der Herausgeber Ihres Nachlasses, Stefan Schmitz, würdigt Ihr kurzes Leben auf den Seiten 219-265 von "Mir selber seltsam fremd", indem er Ihre nachgelassenen Schriften noch einmal ausführlich unter dem Titel: "Wir wohnten im Verfall der Seele - Vom Umgang mit Leid und Schuld" kommentiert. Mich interessiert die besondere Beziehung zur Mutter. Auch Alexander Gauland und Björn Höcke sind ja von Müttern geboren worden. Die Mutter des 1972 geborenen Höcke lebt vermutlich noch. Sollten die beiden nicht vor ihre Mütter treten und Ihnen, wenn schon nicht uns, deutlich machen, wie sie Ihr Vermächtnis - Sie sprechen ja selbst davon an einer Stelle, dass Sie sich selber seltsam fremd geworden sind in diesem endlosen Morden unter der Gewaltherrschaft der Nazis - in den Schmutz treten; mehr als 70 Jahre nach Ihrem Tod?
Obergefreiter Reese: "Hier folgt nun der letzte Abschnitt meines Tagebuches, der letzte, traurigste und schwerste... Am schwersten liegt dann der Gedanke an meine liebe Mutter auf meiner Seele. Sie verzeiht, aber ob sie begreift? Die Mütter kennen ihre Kinder doch so wenig! Wir dürfen ja nur in ganz wenigen Stunden richtige Menschen sein, wir sind an schonendes Verschweigen gewöhnt ... Auch ist es schwer, nicht bekennen zu können, denn das würde doch nur im Gespräch möglich sein."
FJWR: Frau Höcke, Sie haben diesen Björn geboren, erzogen, geliebt. Das haben Sie doch? Was denken Sie darüber, wenn Ihr Sohn heute vom "Denkmal der Schande" spricht? Verzeihen Sie auch, und begreifen Sie auch? Reden Sie Ihrem Sohn ins Gewissen? Wird er Ihnen nicht seltsam fremd? Oder geht es Ihnen so, wie Willy Peter Reese von seiner Mutter annimmt: "Die Mütter kennen ihre Kinder doch so wenig." Schonendes Verschweigen? Will Ihr Björn Sie schonen? Oder teilen Sie seine Auffassungen? Und Du alter Esel Alexander Gauland; was würde wohl Ihre Mutter von Ihnen denken, was würde Sie Ihnen heute sagen, wenn Sie Ihnen die treudeutsche Hunde-Krawatte richten müsste? Hätte Ihre Mutter womöglich Albträume, wenn Sie Ihr mit Ihren waghalsigen Thesen und Ihrem aberwitzigen Geschichtsbild den Schlaf rauben würden? Mein Gott, Sie sind doch 1941 geboren worden, an einem 20. Februar - zwei Jahre vor Stalingrad, zwei Jahre vor dem verbrecherischen Handeln des gesamten deutschen Oberkommandos unter der Führung des GröFaZ? Was sagt Ihnen Stalingrad heute? All das hat Ihre Mutter doch leibhaftig erlebt. Hat Sie Ihnen nicht davon erzählt? Immerhin lassen Sie ja erahnen, dass Sie sich selber - in dem was Sie tun und zu verantworten haben - seltsam fremd werden.
Gauland: Ja, ein Teil meiner Familie hat völlig mit mir gebrochen. Fast die ganze Verwandtschaft meiner Frau lehnt die AfD völlig ab. Wir sind oft dort gewesen und haben oft gemeinsam gefeiert. Das Haus wird nicht mehr betreten. Das ist alles weg und tot.
FJWR: Alles weg und tot? Das alles ist weg und tot??? Träumen Sie vielleicht manchmal davon, dass Ihre Mutter und Björn Höckes (Groß-)Mutter sich den "Omas gegen rechts" anschließen? Vor allem auch angesichts Ihrer Vogelschiss-Äußerung?
Gauland: "Ja, das war ein Fehler. Aber ich habe mich dafür bereits 16-mal entschuldigt. Aber es will keiner wahrnehmen. Es war nur der Zeitabschnitt gemeint. Aber das Bild war falsch, das gebe ich zu. Es hat für das, was ich ausdrücken wollte, nicht gepasst. Ich habe nach einem verachtungsvollen Begriff für diesen Zeitabschnitt gesucht. Der Begriff war aber auch bagatellisierend. Das war einfach falsch, ein falsches Bild."
FJWR: Warum leisten Sie denn nicht öffentlich Abbitte und sorgen als Ehrenpräsident Ihrer Partei dafür, dass die Grenzen - die Tabuzonen in der politischen Rede - eindeutig gezogen werden? Wo sehen Sie denn im übrigen diese Grenze - Sie haben ja dazu bereits im Focus (49/19) Stellung bezogen?
Gauland: "Ganz klar: bei der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Aber darüber hinaus hat die Meinungsfreiheit innerhalb der Partei auch eine Grenze. Man kann in der Partei nicht sagen, dass Stauffenberg ein Verbrecher und Verräter war. Denn das ist falsch und unanständig. Da haben Sie eine Grenze. Aber man kann eine rote Linie nicht abstrakt definieren. Man kann nur anhand einer konkreten Äußerung sagen, ob die Linie überschritten ist."
FJWR: Warum verwischen Sie denn diese Grenzen ständig? Und warum gelingt es Ihnen nicht einen Björn Höcke und andere ähnlich verbohrte Idioten einzufangen?
Gauland: "Hätte ich ihn nach seinen Äußerungen öffentlich angreifen sollen? Das halte ich für völlig falsch, zumal er selbst seine Rede in Dresden als einen Fehler bezeichnet hat. Das habe ich von Helmut Kohl gelernt: Man macht nach außen nie die eigenen Leute schlecht. Und wenn die Granaten einschlagen, verlässt man den eigenen Schützengraben nicht."
FJWR: Herr Gauland, Sie sind fast 80 Jahre alt - viel Zeit haben Sie vermutlich nicht mehr. Wenn ein Teil der Familie mit Ihnen gebrochen hat und sich Menschen von Ihnen abwenden, weil sie davon ausgehen, dass die AfD eine rechtsradikale Partei ist, wenn, wie Sie sagen, "die Granaten einschlagen", dann ist doch zumindest klar, dass Sie es an Eindeutigkeit und einem klaren Bekenntnis zu der von Ihnen reklamierten freiheitlich-demokratischen Grundordnung vermissen lassen. Warum haben Sie nicht den Anstand, den Ausschluss von Höcke und seinesgleichen zu betreiben, wenn er vom "Denkmal der Schande" spricht, wenn er als Geschichtslehrer kritisiert, dass Hitler als "absolut böse dargestellt wird" - wenn er dazu aufruft, "uns unser Deutschland zurückzuholen" und das mit der "Sehnsucht der Deutschen nach einer geschichtlichen Figur" verbindet, "welche einst die Wunden im Volk wieder heilt, die Zerrissenheit überwindet und die Dinge in Ordnung bringt"? Ist es nicht allerhöchste Zeit, den rechtsradikalen Flügel zu isolieren?
Gauland: "Das wäre völlig irreal. In der Bundestagsfraktion sind die Flügel-Leute von den anderen in keiner Weise zu unterscheiden, weil sie genauso sachlich argumentieren wie alle anderen."
FJWR: Dann tut es mir leid, Herr Gauland. Sie bleiben mit Björn Höcke in Schutzhaft. Wir werden Sie auf die durchschnittliche Verpflegungsration der Stalingradkämpfer um Weihnachten 1942 setzen. In den nächsten 5 Wochen - das ist die Zeitspanne bis zur Kapitulation der 6. Armee am 2. Februar 1943 - werden Sie bei verschärftem Arrest Heinrich Gerlachs "Durchbruch bei Stalingrad" gründlich studieren und folgende Rollen einüben: Herr Höcke übernimmt die Rolle von Leutnant Wiese und Sie können meinetwegen den General Paulus geben. Paulus war auch ein Zögerer und Zauderer vor dem Herrn, dem sein Eid dem Führer gegenüber wichtiger war als seine Verantwortung - nicht nur seinen Soldaten gegenüber -, sondern auch dem deutschen Volk gegenüber, das sie so gerne im Munde führen, ganz zu schweigen einer höheren Instanz gegenüber! Sie, Herr Höcke müssen sich im Übrigen als Geschichtslehrer einer Nachprüfung unterziehen. Sie sind gehalten, überzeugend darzulegen, dass Sie auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland stehen. Für die Überprüfung wird der 20. Juli 2020 anberaumt. Bis dahin legen Sie - als Zulassungsvoraussetzung - eine auführliche Ausarbeitung über den deutschen Widerstand vor. Zur gründlichen Einarbeitung in die Gesamtthematik übergebe ich Ihnen die Dissertation von Wolfgang Meseth - der gehört Ihrer Generation an: "Aus der Geschichte lernen - Über die Rolle der Erziehung in der bundesdeutschen Erinnerungskultur". Ihre weitere Zulassung zum Schuldienst ist darüber hinaus an die Ableistung von 300 Sozialstunden geknüpft. Sie werden im Rahmen der Ableistung dieser 300 Stunden jede einzelne Stele des "Mahnmals der Schande" säubern - solange bis jede Schande von Ihrem Schuldenkonto und den Stelen getilgt ist. Die AfD - so will ich es in meinen Träumen - wird unter Ihrer Führung umbenannt in "Aufbruch für Deutschland" und beginnt für jedes seiner Alt- und Neumitglieder mit einer gründlichen Schulung in politischer Bildung. Als ersten Referenten habe ich Eugen Kogon gewinnen können; nachstehender Text ist zur Übernahme ins Langzeitgedächtnis angeordnet und papierlos zu repetieren:
"So rückblickend möge sich Deutschland selbst erkennen: seine edlen und seine entsetzlichen Züge, damit das entstellte, das verzerrte Antlitz wieder Gleichmaß gewinne. Es wird den Richter dann nicht mehr zu fürchten brauchen, weil es sich selber ehrlich beurteilt hat. Und wenn er die Frage erneut an Deutschland stellt: 'Erkennt ihr mich jetzt?', dann wird es in ihm den Erlöser sehen aus Irrtum, Verbrechen, Blutschuld, Schande und Not, den Erlöser zur Freiheit und Menschenwürde. Weit werden die Konzentrationslager dann hinter dem erneuerten Deutschland liegen - nur noch eine Mahnung aus den Zeiten der Finsternis dieses Dritten Reiches (Eugen Kogon, Der SS-Staat - Das System der deutschen Konzentrationslager, 42. Auflage, München 2004, Seite 420)."