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Crossover - der Kampf geht weiter

Als das folgende Gedicht schon Formen annahm, fiel mir – ich bin 73 und räume und räume – beim Räumen ein Geburtstagsgeschenk aus dem Jahr 2012 in die Hände. Ich wurde 60, und die Welt schien mir noch gestalt- und in gewisser Weise auch verfügbar. In dem beiliegenden Brief vermerkte der Schenker:

„Vielleicht bietet Stephen King mit dem Buch, das wir Dir zu Deinem heutigen runden Geburtstag schenken (und dessen erste 200 Seiten schon mich vor Begeisterung förmlich umgehauen haben) ein anregend unterhaltsames Lesevergnügen (wir hoffen es jedenfalls).“ Es taucht in diesem Brief auch die Frage auf: „Was würde passieren, wenn man uns ermöglichte, in die Vergangenheit einzugreifen, bestimmte Ereignisse ungeschehen zu machen, andere hinzuzufügen, und auf diese Weise in den Lauf der Geschichte einzugreifen? Deine Überlegungen zu Wendepunkten des Lebenslaufs, also Ereignissen, die nicht hätten geschehen müssen, dürften sich an dieser Stelle mit denjenigen treffen, die seit jeher meiner eigenen Vorstellungswelt entstammen.“

Das wüsste ich auch heute noch zu gern, in welcher Weise sich meine Überlegungen treffen könnten mit denjenigen, die offenbar seit jeher ein Pendant haben in fremden Vorstellungswelten. Im Übrigen wäre dies vordergründig betrachtet einen Versuch wert, einen Jake Epping zu erfinden und ihn jeweils in unsere Vergangenheiten zurückkehren zu lassen und dem Prinzip der unaufhebbaren Kontingenz von Lebensläufen in die Parade zu fahren. Aber spätestens seit Max Frischens Biografie ein Spiel ist dieses Thema endgültig durch – und auch Stephen King bzw. Jake Epping müssen hinnehmen, dass – je näher Jake seinem Ziel kommt (nämlich den Mord an Kennedy rückgängig zu machen) desto gnadenloser sich die Vergangenheit zur Wehr setzt; mit einer rückhaltlosen Gewaltbereitschaft, die sich auch gegen Jakes neue Liebe richtet.

Den Titel Crossover habe ich nachträglich – angesichts dieser Fragen – hinzugefügt. Es handelt sich im Übrigen – wie schon angemerkt - um Stephen Kings Der Anschlag (Heyne Verlag, München 2011). Stephen King schreibt auf Seite 1055: „Meistens habe ich mich jedoch an die Wahrheit gehalten.“ Aber wir wissen ja: „Die Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners.“ Stephen King meint, manche Leute würden gewiss protestieren, weil die Stadt Dallas sehr schlecht wegkomme. Hören wir Stephen King einmal zu, wie er sich dagegen verwahrt:

„Dem möchte ich widersprechen. Wenn überhaupt, gestattete Jake Eppings Erzählung in der Ich-Form mir, sie zu milde zu beurteilen, wenigstens nach dem Stand von 1963. An dem Tag, an dem Kennedy auf dem Flughafen Love Field landete, war Dallas eine hasserfüllte Stadt. Fahnen der Konföderierten wehten richtig herum; Sternenbanner waren verkehrt herum gehisst. Auf dem Flughafen hielten einige Zuschauer Schilder mit der Aufschrift  HELFT JFK, DIE DEMOKRATIE AUSZUROTTEN …]. Heute haben sich die Zustände gebessert …]. Dies ist ein Nachwort, kein Leitartikel, aber ich habe zu diesem Thema starke Überzeugungen, vor allem angesichts des gegenwärtigen politischen Klimas in meinem Land. Wenn Sie wissen wollen, wozu politischer Extremismus führen kann, sehen Sie sich den Zapruder-Film an. Achten Sie besonders auf Einzelbild  313, auf dem Kennedys Kopf explodiert.“

Stephen King erhebt seine Stimme. Er ist und bleibt ein erklärter, knallharter Gegner des Rechts-Extremisten Donald Trump. Dazu rechne ich mich auch. Und neben Cross-over setze ich eine meine Abrechnung aus dem Lyrischen Klärwerk (in dem ich jede Menge Scheiße aufbereite), die ich mit Hilfe des Weihnachtsmannes und des Osterhasen vorgenommen habe (siehe weiter unten) – Crossover klingt resignativ, aber wir bleiben kämpferisch! Auch Crossover ist zutiefst politisch motiviert und meint in seiner Doppelbödigkeit und -sinnigkeit immer auch das UNERHÖRTE!

 

Crossover - Lass uns einen Kaffee trinken
Oder: Am Ende der Geschichte?

Lass uns einen Kaffee trinken -
weder heiß noch kalt,
hüten wir uns zu versinken,
als gäb es einen Halt.

Schweigen wir gemeinsam,
reden über alles und vor allem Nichts.
Verschweigen wir, wie einsam
alle bleiben im Leben des Verzichts.

Aber immerhin lockt Frieden,
wenn auch nicht Verzeihen.
Wir alle sind verschieden
und keiner schließt die Reihen.

Kränkung gründet tief im Schmerz;
Sie wird zur Seelensprache.
Wortlos, stumm spricht nun das Herz,
bleibt ohne Wiederhall in öder Brache.

Alles, was wir immer wussten
hilft uns nun nicht weiter.
Sehnsucht kümmert unter Krusten
am Ende unsrer Lebensleiter.

Unerhört bleibt alles Unerhörte.
Der Seelenhumus zu Beginn,
der alles Schlichte unerhört betörte
gab unserm Anfang höchsten Sinn.

In ihm gedieh und glomm die Wärme.
Wer kam, war immer auch geborgen.
Im Tierreich sorgen dafür Schwärme.
Und Sorgen wähnten wir weit weg im Morgen.

Nun ist die Glut in uns verglommen;
Doch Hitze ist noch da – auch Wut,
das  Miteinander ist verkommen,
die Drift macht einsam – nimmt den Mut.

Und wer nun meint:
Das kann's doch nicht gewesen sein,
der wirkt, als wäre er verstaubt;
ein kaltes Herz schlägt nah am Stein.

Ach, hör doch auf mit deinem Grämen!
Und hör die Rufe aus der Gruft.
Wofür soll man sich denn schämen,
wenn allen fehlt die Luft?

Probleme gibt es nicht! (sagt wer?)
Nur Lösungen, wie alle wissen -
selbst wenn der Preis liegt im Verzicht,
ein jeder schau auf sein Gewissen!

Gewissen? Das ist ÜBER-ICH!
In dieser Welt da ist’s – (da wird) beschissen!
Gräm nicht Dich und auch nicht mich!
Pflück den Tag – und bleib beflissen!

Endzeit ruft uns auf den Plan,
denn Recht hat nur der Starke.
„Das hatten wir schon mal!“ (So ruft der Ahn!)
Und tausend braune Jahre bleiben eine Marke!!!

 

Anzeige von Franz Josef Witsch-Rothmund (Text ist in der April-Nummer des Gölser Blättchens erschienen): Vier Wochen nach der Bundestagswahl möchte ich mit dem Weihnachtsmann auf die Bescherung im letzten Jahr zurückschauen und mit dem Osterhasen einen Blick in die Zukunft werfen – immer verbunden mit der Frage: Wollen wir Leuten wie Donald Trump, Ilon Musk, Wladimir Putin und ihren Symphatisanten in unserem Land wirklich den Einfluss zubilligen, den ein gutes Fünftel der Wähler und Wählerinnen am 23. Februar 2025 mit ihrem Wählervotum bereit ist in Kauf zu nehmen?

Donald Trump sagte in Florida vor einer Versammlung von Christen im Sommer 2024, sie sollten ihn im November wählen, dann würden sie „in vier Jahren nicht mehr zur Wahl gehen“ müssen. Am 20. Februar 1933 sagte Adolf Hitler vor den einflussreichsten Geschäftsmännern NS-Deutschlands: In zwei Wochen schon, am 5. März 1933, werde das deutsche Volk mit seiner Stimmabgabe bei den Reichstagswahlen – „der letzten Wahl“ in Hitlers Worten – über die Zukunft des Landes entscheiden. Die Demokratie werde fallen, auf die ein oder andere Weise.

Der ratlose Weihnachtsmann -
erzählt von einer schönen Bescherung
und gibt das Staffelholz an den Osterhasen weiter

Hoh, hoh, hoh, -
drauß vom Walde komm ich her,
und ich muss euch sagen,
es weihnachtet sehr.

Putins Armee lässt es leuchten und krachen,
beschert die Ukraine mit feurigen Sachen!
Und ganz ohne Not
Bringt Putin ihr Leid und den Tod.

Manch Friedensbewegter weiß dazu Rat:
Haltet die Beine doch ruhig und still!
Warum reizt Ihr Putin zur Tat?
Gebt ihm doch, was er will!

Er kommt dann ganz friedlich mit seinen Soldaten -
sie brauchen nicht mal Raketen!
Sie schreiten auch so zu Heldentaten;
denkt an Irpin, an Butscha und vergesst nicht zu beten!

Aber beten braucht ihr doch nicht!
Das besorgt der Pope Kyrill -
er  s p u c k t  dem Jesukind ins Gesicht,
steckt Putin im Arsch bis zur Brill.

Er predigt den Hass des Despoten,
im Namen des Herrn
Er schändet die Bibel mit ihren Geboten,
segnet Mörder! Das tut er doch gern!

Kyrill und Putin, Baschar al Assad -
geduldeter Mörder und Staatenlenker
sie werden nicht satt -
genießen Asyl im Lande der Henker.

Was riet uns weiland der Kant?
Achtet einander und schließt Verträge -
untereinander von Land zu Land,
denn krummes Holz bleibt ewiglich schräge!

Das hat er sich klug ausgedacht,
aber die Rechnung ohne den Schmitt* gemacht!
Der schrieb schon den Nazis die Lehr:
„Viel Feind bringt viel Ehr!
*gemeint ist der NS-Kronjurist Carl Schmitt

Auf Verträge könnt ihr scheißen!
Der Fremde ist euer Feind -
ihm dürft ihr das Herz entreißen:
Gesetz ist, was der Führer meint!

Ob Minsk oder München -
Verträge stehn nur auf Papier!
Sie bestehen aus nichts als (frommen) Wünschen!
Der Wille zur Macht schmückt unser Panier!

Hoh, hoh, hoh -
drauß vom Walde komm ich her,
und ich muss euch sagen,
es weihnachtet sehr.

Ich bin zwar der Weihnachtsmann
und riet Euch allen gerne zur Tat!
Doch irr ich umher im düsteren Tann
und warte geduldig auf göttlichen Rat.

Ich kenn wohl die Logik und auch die Lehr
vom Widersinn der Intervention.
Aber die Frage wiegt schwer:
Wer zahlt den Preis für diese Lektion?

Es zahlen die Wehrlosen, vor allem die Kinder,
wie einst in den KZs der Menschenschinder!
Der Tod war ein Meister aus Deutschland.
Heut trägt er Putins Gewand.

Nun sehn viele in Trump einen Trumpf,
mit gewaltigen Musk(eln) – trocken zu legen den Sumpf!
Leg dich ins Zeug du Semidespot -
und leg ihm das Handwerk, dem Russentod!

Und sollt es dir wider Erwarten gelingen,
den Frieden im Sinne aller zu bringen,
dann gehört dir im Zeichen der Sühne
in Oslo die ganz große Bühne.

Vielleicht wirst du dann ein Mensch,
geläutert und auch noch besonnen,
der eher Kant als dem Schmittchen folgt -
geläutert und mehr noch besonnen!

Hoh, hoh, hoh -
drauß vom Walde komm ich her,
und ich muss euch sagen,
es weihnachtet sehr.

Ja, ich bin der Weihnachtsmann,
aber ich kann nichts von dem,
was mir rechtens scheint und genehm.
Ich bin ein armer Mann!

Es bräucht schon den Nikolaus -
samt Beelzebub - dem Knecht (Ruprecht),
um Mördern, Despoten einzuheizen.
Sie brächten Ordnung ins rechtlose Haus
und würden mit Strafen nicht geizen.

Doch wissen die meisten:
Strafen helfen hier nicht.
Sie werden nichts leisten,
wenn‘s uns allen am Willen gebricht.

Ob Kyrill, Franziskus - wer immer sei der Imam:
Zieht den Karren gemeinsam,
und bietet dem Töten die Stirn!
Erhebet die Herzen - bemüht euer Hirn.

Der Weihnachtsmann gibt das Staffelholz weiter an den Osterhasen:

Und der Osterhase färbt das Russenei,
er färbt es dunkelrot.
Herr Trump führt ihm den Pinsel -
die Russen bringen weiter den Tod.

Wie weiland stellt der Trump die Bibel auf den Kopf
hebt Putin auf den übel-riechend braunen Topf.
Kyrill gibt dazu seinen Segen,
Selensky steht im blutgefärbten Regen.

Sein Land mutiert zum Osterlamm,
serviert auf silbernem Tablett.
Das Völkerrecht versinkt im Schlamm,
und Donald teilt mit Wladimir das Bett.

Die große Bühne heißt gewiss nicht Oslo!
Der Ort stinkt übel, wie ein Klo!
Carl Schmitt(schen) hat gewonnen,
und Kants Ideen sind im Machtkalkül zerronnen!

Ach, lieber kleiner Osterhase
hilf du uns doch, verdirb die Eier!
Wer führt hier wen an seiner Nase,
wenn rechte, braune Brut nun bläst zur Feier?

Zeig kämpferisch dich und schenk uns braven Leuten neue Eier:
Hartgesotten und von einem strahlend hellem B u t.
Wir rufen alle dann zu einer eignen Feier:
Wir sind mehr: Und wehrhaft schließt sich unser Bund.

Wir sitzen an der Kasse, pflegen Alte, hüten Kinder.
Wir sind Ärzte, Lehrer, Richter:innen,
wir fahren Bagger, Taxi, züchten Schweine und auch Rinder
und schützen unser Land nach außen und nach innen!

Gestalten unsre Zukunft hell und wünschenswert
mit Phantasie und Mut und Wärme.
Die eigne Herkunft hat uns alle doch belehrt
wohlwissend um den braunen Pilz in unserem Gedärme.

Wir bleiben mehr: 4/5 weisen euch zurück.
Sie mahnen euch doch endlich zu verstummen.
Der Vorhang fällt vor eurem Schmierenstück
geschrieben für die unbelehrbar ewig Dummen.

Franz Josef Witsch-Rothmund

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund