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Arbeit und das gute Leben

Für Esther und Ihre Kooutorin anlässlich der Veröffentlichung von Arbeit und das gute Leben. Meine erste Auseinandersetzung mit dem von Esther Konieczny und Lena Stoßberger vertretenen Ansatz basierte auf einer Vorveröffentlichung. Insofern wird meine seinerzeitige Kritik der jetzt vorgelegten Publikation nicht in Gänze gerecht. Dies wird einem eigenen Beitrag vorbehalten sein. Der kurze nachstehende Verweis auf Hartmut Rosa und Karl Otto Hondrich passt in den vorgegebenen Kontext.

Veröffentlicht: 13. Juli 2024

Es geht auch mit Hartmut Rosa

Es muss nicht Karl Otto Hondrich sein, der ja deutlich über eine rein deskriptive Analyse der Individualisierungsgewinne und -verluste hinausgeht. Auch aktuelle Soziologen vom Format eines Hartmut Rosa äußern sich in ähnlicher Weise, wenn auch in einer nuanciert anderen Sprache (siehe vor allem auch: hier):

"Eine Kritik der Resonanzverhältnisse zielt also notwendig auf Emanzipation und Autonomie. Allerdings und das ist mein entscheidender Punkt, reicht diese freie Schwingungsfähigkeit als Kriterium für ein gutes Leben nicht aus." (S. 755)

Resonanz - so Hartmut Rosa - meine immer eine zweiseitige Beziehung, ob sie gelinge, hänge auch von den gegebenen Weltverhältnissen ab:

"Auch ein autonomes oder resonanzfähiges Subjekt erfährt keine Resonanz in einer verdinglichten Welt, die entweder zu hermetisch geschlossen und versteinert oder aber zu chaotisch unbestimmt oder porös offen ist, um ihrerseits mit eigener Stimme zu sprechen. Autonomie im Sinne der Kantischen moralischen Selbstgesetzgebung oder aber im Sinne einer (hedonistischen, instrumentellen oder auch politischen) Selbstbestimmung der Lebensform bleibt daher als normatives Kriterium für ein gelingendes Leben zu einseitig beziehungsweise zu unterkomplex; es zu totalisieren, ist das zweite Missverständnis, gegen das ich anschreibe."

Ja, lieber Karl Otto Hondrich, werter Hartmut Rosa, ich schreibe mit. Und mit dirk oschmann habe ich mir zu Eigen gemacht, >die individuellen und kollektiven Flugbahnen< zu verbinden. Nur so ist vor allem Kurz vor Schluss II zu verstehen. Hier hat Dirk Baecker deutlich gemacht, wie sehr dies als (Selbst-)Beobachtung einem Ritt auf der Rasierklinge gleichkommt:

„Stellen Sie sich vor […] Sie seien der Schiedsrichter, ein Mitspieler oder auch der Trainer bei einem ungewöhnlichen Fußballspiel, in dem das Spielfeld rund ist, mehrere Tote ### zufällig über das Spielfeld verteilt sind, die Leute auf das Spielfeld kommen und es wieder verlassen, wie sie wollen, jeder jederzeit einen neuen Ball ins Spiel bringen kann und jederzeit eins oder auch mehrere Tore zu seinem Tor erklären kann, das Spielfeld insgesamt eine abfallende Fläche ist und das Spiel überdies auch noch so gespielt wird, als habe es Sinn. In dieser Situation, die die Wirklichkeit selber ist und die so wenig mit der klaren Sachordnung zu tun hat, von der wir träumen, hilft nur die lose Kopplung. Wer sich in dieser Situation fest koppeln lässt, das heißt, wer sich für Nähe oder Ferne entscheidet, so als gäbe es diese in der Form einer eindeutigen, sich wechselseitig ausschließenden Alternative, muss zwangsläufig verrückt werden. Wer in dieser Situation jedoch sagen kann, das ist ‚nahe genug‘, entscheidet sich für lose Kopplung, fängt an zu beobachten, verwechselt sich selbst nicht mit den Bedingungen, auf die er sich einlässt, und entdeckt auch bei den anderen Spielräume des Verhaltens, die das Chaos nicht etwa noch größer werden lassen, sondern es für einen Moment so zu ordnen erlauben, dass man Spaß daran bekommt, sich an dem Unsinn zu beteiligen (Dirk Baecker, Nie wieder Vernunft, Heidelberg 2008, S. 632).“

Wem all dies zu abstrakt und zu abstrus vorkommt, der beobachte neben sich vor allem sein(e) Kind(er). Sind wir selbst schon diejenigen, die,  wie oben angemerkt, mit Karl Otto Hondrich dazu ermuntert - man kann auch sagen genötigt - werden, das persönliche Saldo zwischen Indivdualisierungsgewinnen und -verlusten aufzumachen, so sehen wir es bei unseren Kindern gewiss noch sehr viel deutlicher, wie sehr sie einerseits mit den Individualisierungsoptionen (manchmal kann man auch von -obsessionen reden) ihrer Eltern klarkommen und: Wie sie andererseits sich selbst hineinbewegen in eine Welt, die wir gemeinhein mit dem Begriff der Moderne bzw. der Postmoderne belegen. Karl Otto Hondrich versieht das von ihm verantwortete Suhrkamp-Bändchen 2287 (Frankfurt 2001) mit dem Titel: Der neue Mensch. Den letzten Beitrag: Der zukunftsgläubige Mensch - und seine Herkunftszwänge habe ich in meinem letzten Blog-Beitrag vorgestellt: Die Titel der hier versammelten Aufsätze lesen sich wie eine Agenda, unter der sich unsere Kinder herausgefordert sehen - von uns selbst einmal abgesehen:

  • Der individualisierte Mensch - und seine Bindungen
  • Der flexible Mensch - und seine Sicherheiten
  • Der sozialversicherte Mensch und seine Solidaritäten
  • Der weltbürgerliche Mensch - und seine Nationalität
  • Der friedfertige Mensch - und seine Feindbilder
  • Der kommunizierende Mensch - und seine Missverständnisse
  • Der genoptimierte Mensch - und sein soziales Erbe
  • Der zukunftsgläubige Mensch - und seine Herkunftszwänge

Karl Otto Hondrich fehlt uns nicht nur als nüchterner Beobachter, sondern auch als lebenserfahrener Mahner!

Rauft euch zusammen!

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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