Frau Eck hat ein Buch herausgegeben - über den erotischen Raum
im Carl-Auer-Verlag (Heidelberg): Der erotische Raum. Fragen der weiblichen Sexualität in der Therapie
Sie wird dazu interviewt in der Psychologie Heute (7/2016, S. 87)
Katrin Brenner-Beckers (KBB) erste Frage berührt schon ein heißes Eisen und führt - je nach Standpunkt - zu einer (wenig) überraschenden Antwort. Die Frage, ob Frauen in langen Beziehungen eher ihre Lust verlieren als Männer, beantwortet Angelika Eck schlicht mit: "Ja." Es gebe auch "viele Männer", die die Lust auf Sex verlören, bei Frauen sei es aber häufiger der Fall.
Angelika Eck (AE) hat das Buch mit "elf Mitautoren" verfasst. Ich kenne es (noch) nicht. Aber AE hat recht klare Antworten parat, wenn KBB nachfragt, warum das denn so sei:
"Die Gründe dafür sind vielfältig. Weibliche Sexualität gilt als kontextsensibler. Für viele Frauen ist es nicht leicht, in den zahlreichen Anforderungen eines Frauenlebens mit ihrer Erotik hinreichend in Kontakt zu kommen, genügend Zeit und Raum für den eigenen Körper und die eigenen Bedürfnisse zu finden zwischen Beruf, Kindern, Partner etc. Wenn dann hinzukommt, dass der Sex in der Langzeitbeziehung übervertraut und vorhersagbar geworden ist, das heißt, dass keine hinreichend anregenden erotischen Stimuli verfügbar sind, können Müdigkeit und Langeweile leicht die Oberhand gewinnen. Besondere Belastungen und Paarkonflikte können sich ebenfalls lustdämpfend auswirken."
Neue Männer hat das Land schon seit geraumer Zeit. Und ich frage mich - als Mann -, was um Gottes Willen ist an dieser nüchternen Analyse prekärer sexueller Zustandsbeschreibung weiblicher Erfahrungswelt geschuldet? Es könnte allerdings auch so sein, dass die weiblichen Anteile in mir wachgerufen werden - zumal, wenn wir in der dritten Frage von KBB erfahren, dass alte Vorurteile und Rollenzuschreibungen zur Disposition stehen:
"Frauen seien von Natur aus das promiskere Geschlecht. Nur Erziehung und kulturelle Prägung stünden ihrem Wunsch nach sexueller Abwechslung im Wege, behauptet der amerikanische Autor Daniel Bergner (Die versteckte Lust der Frauen). Können Sie das aus ihrer Praxis bestätigen?"
Und AE räumt ein, dass Bergner mit dieser These einen wunden Punkt "der patriarchalischen Unterdrückung weiblicher Sexualität in der jüdisch-christlichen Kulturgeschichte trifft". Und ich bekomme eine Bestätigung dafür, warum ich die bigotten, verpissten Kirchenväter samt ihrem peccatum originale lieber auf dem Scheiterhaufen gesehen hätte als die von der Inquisition verurteilten, geschändeten und verbrannten Hexen und Hexer. AE wird dann wieder versöhnlicher und definiert und individualisiert ihre therapeutische Message, indem sie bekennt:
"Das Spannende für mich besteht darin, die Frau in eine Stimmigkeit mit sich selbst zu begleiten." Das könne ein Entdecken der eigenen Geilheit bedeuten oder ein "Zugewinn an Erregungskompetenzen und Befreiung von Scham". Es könne genauso bedeuten, "mehr über die erotischen Reize kultureller Prägungen und Verbote bei sich selbst zu erfahren, sie vielleicht sogar als erotisches Potenzial zu entdecken...".
Das ist gute Heidelberger Schule à la Uli Clement (in diesem Beitrag findet Ihr eine Fülle von Verlinkungen, die meine Auseinandersetzung mit dem Tabuthema Sexualität repräsentieren). Mir hat es jedenfalls geholfen, die scham- und schuldbesetzten Anteile zu wecken und zu transformieren in eine offenere Haltung einer seit Kindesbeinen an mit Schuldgefühlen besetzten und letztlich blockierten Sexualität gegenüber.
Die Krönung des knappen Interviews resultiert aus einem paradox erscheinenden Versuch - eben gute "Heidelberger Schule" - Lustlosigkeit zu utilisieren! "Lustlosigkeit als eine Kompetenz zu begreifen, lautet eine der zentralen Botschaften des Buches, das Sie herausgegeben haben. Was ist damit gemeint? Auf diese Frage KBBs gibt AE eine typische Antwort, die "Lustlosigkeit" nicht zum Feindbild stilisiert, sondern um Akzeptanz wirbt:
"Häufig haben Frauen ein schlechtes Gewissen mit ihrem Nein. Ihnen zu helfen, zunächst ihr Nein zu bejahen als Ausdruck ihrer Autonomie, schafft überhaupt erst die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Ja. Lustlosigkeit kann ausdrücken: So will ich es nicht, jetzt nicht, noch nicht, mit dir nicht, nicht unter diesen Bedingungen."
Ich folge AE: Das ist ein attraktives Beratungsziel: "Nichtwollen und Wollen deutlicher wahrzunehmen und auszudrücken, damit nicht eine sexuelle Funktionsfähigkeit hergestellt wird, sondern die Frau eine Erotik erleben kann, die es wert ist, gewollt zu werden."
Warum sollte man Männer da ausnehmen - in diesem Spiel, das nur zu Zweit geht?