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"Am Ende des Lebens werden die Räume ja immer kleiner - und der letzte Raum wird der kleinste sein." (Robert Ehret)

Bericht aus dem Sterbehaus

Robert Ehret muss man vermutlich genauso wenig kennen, wie mich. Er ist 90 Jahre alt und ehemaliges Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Marc Brost und Andres Veiel beziehen sich in ihrem Dossier: "Sie nennen es das Sterbehaus" (ZEIT, 43/15, S. 13-15) auch und vor allem auf ein Gespräch mit Robert Ehret, nicht wegen seiner unbestrittenen Bedeutung, sondern vor allem, weil er der einzige von all den ehemaligen Vorständen ist, der sich namentlich zitieren lässt. Und immerhin erinnert er mich an den von Henning Mankell zitierten Aphorismus: "Mach dir im Leben nicht zu viele Sorgen, du kommst da nicht lebend raus." Allerdings verkörpert auch der 90jährige Ehret eine Haltung, die vor allem von der Sorge um sich selbst geprägt wird. Vielleicht ist man geneigt, ihm aufgrund seines hohen Alters Sätze zu verzeihen, mit denen er sich in der Tat zitieren lässt: "Mit einer Bank ist es wie mit den Mädchen. Wenn der Ruf ruiniert ist, bekommt man das nicht mehr hin." Oder: "Eine Bank geht nie an einem Geschäft zu wenig zugrunde, aber manchmal ein einem zu viel."

Marc Brost und Andres Veiel meinen, es seien Sätze, die man so oder so interpretieren könne. Aber Ehret erwähne keine Namen, keine konkreten Vorfälle, er nenne kein Schuldigen. Aber Namen fallen - eine ganze Reihe gefallener Namen: Hilmar Kopper, Ulrich Weiss, Georg Krupp Michael Endres, Carl-Ludwig von Boehm-Bezing, Ronaldo Schmitz und Rolf Breuer. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie nicht nur faktisch aus der Machtzentrale, den Zwillingstürmen in der Frankfurter Innenstadt, verschwunden sind. Außerordentlich symbolträchtig residieren sie nun im Sterbehaus. So nennen sie das flache Gebäude gleich um die Ecke, im Schatten der Türme der Bank. Brost und Veiel weisen darauf hin, dass es in fast jedem Konzern die Alten gebe, die immer noch da seien, auch wenn sie schon lange keine Funktion mehr hätten. Die Alten hörten meist nichts von dem Spott der sie begleite: "dass sie jetzt in der 'Grabkammer' wohnen, wie es in einem großen deutschen Konzern heißt, oder auf dem 'Elefantenfriedhof', wie man in manchen Firmen sagt."

Warum räume ich dieser Scheiß-Unternehmenskultur, die hier partiell sichtbar wird, Aufmerksamkeit und Raum ein? Vielleicht damit wir selbst ins Grübeln kommen?

  • Henning Mankell, Christoph Schlingesief zeigen uns - wie so viele andere -, wie man im Treibsand (unter)geht - vielleicht noch mit einem letzten Blick in einen Spiegel, der einem nicht nur eine Fratze zeigt (wir hätten früher von der typischen Charaktermaske gesprochen). Wie erbärmlich muss ein Leben im Schatten der Türme sein, wenn die eigene Bedeutung schrumpft zur Sorge um sich selbst und sich offenbart in der dringlichen Bitte - nein Forderung: "Dieses Treffen, dieses Gespräch hat nie stattgefunden!" Wenn man es - wie Brost und Veiel sagen - schafft, "gleichzeitig zu reden und zu schweigen". Brost und Veiel berichten von Gesprächspartnern die andern Tags in der Redaktion anrufen, "weil sie fürchten, zu viel gesagt zu haben und sich zu gefährden".
  • Denn, so Brost und Veilel in einem Resümee: "In gewisser Weise funktioniert die Deutsche Bank wie ein Orden. Jeder hält jeden in Schach. Ein fein ausgeklügeltes System von Privilegien, Sanktionen und Einschüchterung erstickt jede Kritik. Wer von illegalen Vorgängen in der Bank weiß, der kann das der Öffentlichkeit nicht mitteilen. Denn selbst wenn die Aussagen juristisch wasserdicht wären, selbst wenn die Vorwürfe mit Dokumenten zu belegen wären - die Bank könnte den Verräter mit Regressforderungen wegen Geheimnisverrats oder angeblicher Rufschädigung finanziell vernichten. 'Man weiß: Wenn man in den Vorstand eintritt, kommt man nicht mehr unschuldig heraus', sagt einer der Ehemaligen. 'Es ist ein Deal auf Lebenszeit'."

Wir lernen aber möglicherweise noch ein wenig mehr darüber, wie Unternehmen (als soziale Systeme) funktionieren: Es sind dieselben ehemaligen Vorstände, die sich in den Gesprächen mit Marc Brost und Andres Veiel "fassunglos [darüber] geben, wie sich die Bank entwickelt hat", die selbst die Entscheidungen zu verantworten haben, die zu dieser Entwicklung führten - "während sie gleichzeitig einander bekämpften". Brost und Veiel ziehen diese Schlussfolgerungen auch deshalb, weil die redseligen Alten eine Unternehmenskultur beschreiben, von der wir alle ahnen, dass sie die Prozesse in sozialen System widerspieglen, seien es nun Unternehmen, Schulen, Vereine oder auch viele Familien - nur eben auf globalem Niveau mit globalen Folgen:

"Denn auch darin gleicht jeder, der in der Bank Karriere macht, einem fanatischen Sammler: Es gibt immer einen anderen, einen Konkurrenten, der dasselbe besitzen will, wie man selbst; der schon dort ist, wo man selbst noch hinmuss; der schon hat, wovon man selbst noch träumt. Das ist der Eindruck, den man im Gespräch mit den Ehemaligen gewinnt: dass ein Vorstand der Bank permanent damit beschäftigt ist, seine Konkurrrenten zu bekämpfen [...] 'Man muss mit Lüge und Wahrheit strategisch umgehen', sagt ein ehemaliger Vorstand. 'Man hat sich gefreut, wenn der andere eins über die Rübe bekam', sagt ein anderer. 'Es geht um taktische Klugheit', sagt ein Dritter."

Käme Angela Merkel noch einmal in die Verlegenheit ein Gastmahl auszurichten für Vorstände der Deutschen Bank - wie weiland 2011 - so würde ich ihr als Gabe in der Tat Henning Mankells "Treibsand" empfehlen, damit die Herren vor ihrem unabwendbaren Machtverlust - besser natürlich schon vorher und sehr grundlegend - festen Boden unter die Füsse bekommen. Selbt bei ehrenwerten Managern, wie offenkundig Otto Steinmetz einer war,

der als "oberster Risikomanager unterhalb des Vorstands [...] auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 gegen den eigenen Arbeitgeber auf ordnungsgemäße Beschäftigung laut Arbeitsvertrag klagt [...] kommt irgendwann der Punkt, an der er ganz einsilbig wird, obwohl er eigentlich auspacken und alles erzählen müsste, was er so weiß. Aber dann sagt er auf einmal gar nichts mehr. Seine Frau erzählt, dass der fast vier Jahre dauernde Prozess gegen die Bank die schrecklichste Zeit ihres gemeinsamen Lebens gewesen sei. Auch Otto Steinmetz ist nicht frei." Otto Steinmetz hat seinerzeit den Rechtsstreit gegen die Deutsche Bank verloren.

 

Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden (Psalm 90).

 

 

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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