A c h - Erich Kästner
Bei der Entstehung und Konzeption meines Lyrischen Klärwerks habe ich Dich als Paten auserkoren - mit Deiner Lyrischen Hausapotheke. Die hab ich soeben dankbar rückgeführt, mir zugeführt 1999 als Geschenk, als ich meinen düstersten Jahren soeben erst entronnen. Winfried Rösler verdanke ich Erich Kästners Werke, darin ein opulenter Band von mehr als 500 Seiten: Erich Kästner - Zeitgenossen, haufenweise -Gedichte, erschienen im Carl Hanser Verlag, München und Wien 1998 als Band I. darin finden sich haufenweise Epigramme, aufgehoben in: KURZ UND BÜNDIG: Im Vorwort dieser Sammlung, deren geplante Veröffentlichung 1943 zunächst scheiterte, heißt es:
"Im Schatzhaus unserer Literatur birgt das Gewölbe mit den Epigrammen, diesen kunstvoll geschnittenen Gemmen und vollendet geschliffenen Edelsteinen der Dichtung, unschätzbare Werte. Man darf sie besichtigen und besichtigt sie nicht. Sie sind wundervoll wie Miniaturen und werden nicht bewundert. Ist die Neigung, sich an diesen >sinnreichen Kleinigkeiten<, wie Lessing sie genannt hat, an diesen >witzigsten Spielwerken< zu freuen, tatsächlich dahin? Ist die künstlerische Lust, sich in äußerster Zucht, Prägnanz und Kürze auszudrücken, wirklich erloschen? Und das zu einer Zeit, da denen, die lesen, und denen, die schreiben, Zucht und Prägnanz nötiger wären denn je?"
So schreibet Erich Kästner 1943, in jener Zeit, da die Barbarei der Deutschen in Europa und in der Welt ihren Höhepunkten entgegenbrauste. Und weiter - auch uns heute zur Mahnung:
"Daß ein Schiff eines Tages nicht in seinen Hafen zurückkehrt, ist schmerzlich, doch ein solcher Verlust gehört ins Kalkül. Was aber wäre von den Leuten daheim, insonderheit von den Schiffseignern, zu halten, die den Verlust überhaupt nicht bemerkten? Auf diese absurde Frage gibt es keine befriedigende Antwort. Wohl aber gibt es einen vortrefflichen Ausweg! Laßt uns den Verlust endlich erkennen, beklagen und wettmachen! Das Epigramm ist tot? Es lebe das Epigramm!"
Und weil Kästner 1943 auch immer apokryph - metaphorisch - bleiben musste, schaffen wir eine Analogie, indem wir ausrufen: Die Demokratie ist tot? Es lebe die Demokratie!
In der Folge gibt es erst ein Epigramm - zu unser aller Besinnung, und danach Kästners Marschliedchen aus 1932 im Original und danach gestellt: meine Adaption aus 2022
Auf Seite 285 der Werke, Band I findet sich Erich Kästners:
Der Mensch ist sein eigenes Gefängnis
Nachts manchmal, wenn er am Fenster lehnte
und die ungezählten Sterne sah,
kam es vor, daß er sich sinnlos sehnte
und die Arme hob und sehnend dehnte:
Und dann stand er wie gekreuzigt da.
Erich Kästners Marschliedchen erschien im Erstdruck 1932, am 2. August in: Die Weltbühne. Es erschien erst unter dem Titel Denn ihr seid dumm.
Das Marschliedchen (im Original)
Ihr und die Dummheit zieht in Viererreihen
In die Kasernen der Vergangenheit.
Glaubt nicht, dass wir uns wundern, wenn ihr schreit.
Denn was ihr denkt und tut, das ist zum Schreien.
Ihr kommt daher und lasst die Seele kochen.
Die Seele kocht, und die Vernunft erfriert.
Ihr liebt das Leben erst, wenn ihr marschiert,
Weil dann gesungen wird und nicht gesprochen.
Marschiert vor Prinzen, die erschüttert weinen:
Ihr findet doch nur als Parade statt!
Es heißt ja: Was man nicht im Kopfe hat,
Hat man gerechterweise in den Beinen.
Ihr liebt den Hass und wollt die Welt dran messen.
Ihr werft dem Tier im Menschen Futter hin,
Damit es wächst, das Tier tief in euch drin!
Das Tier im Menschen soll den Menschen fressen.
Ihr möchtet auf den Trümmern Rüben bauen
Und Kirchen und Kasernen wie noch nie.
Ihr sehnt euch heim zur alten Dynastie
Und möchtet Fideikommißbrot kauen.
Ihr wollt die Uhrenzeiger rückwärts drehen
Und glaubt, das ändere der Zeiten Lauf.
Dreht an der Uhr! Die Zeit hält niemand auf!
Nur eure Uhr wird nicht mehr richtiggehen.
Wie ihr's träumt, wird Deutschland nicht erwachen.
Denn ihr seid dumm und seid nicht auserwählt.
Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt:
Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen!
Meine Adaption des Marschliedchens erscheint 2025 in meinem Lyrischen Klärwerk:
Marschliedchen 2022
Die Dummheit zog in Viererreihen (so zieht sie immer noch),
Heut schämt sich die Dummheit selbst der Dummen.
So dämlich wie ihr seid, mahnt sie euch zu verstummen
Statt Idioten gleich nach deutschem Wesen heut zu schreien.
Ihr kommt daher und wärmt die schalen Suppen,
In euren Schädeln haust ein brauner Geist,
Der euch verwirrt und alles mit sich reißt -
Nur nicht von euren Augen alle Schuppen!
Marschiert ihr nun in Chemnitz und in Halle…,
Ihr findet doch nur als Parade statt,
Denn das, was jeder da von euch im Kopfe hat,
Man nennt es Dum(pf)mheit wohl in jedem Falle!
Weil wieder predigt ihr den Hass
Und wollt die Menschheit spalten -
Statt schlicht an Recht und Ordnung euch zu halten,
Wähnt ihr das Volk zu sein und träumt vom völkisch-deutschen Pass!
Ihr habt die Trümmerwelt im deutschen Wahn vergessen,
Von Schuld und Sühne ist die Rede nie,
Ihr brüllt nach deutscher Größe selbstvergessen;
Ich hoff, ihr schießt euch nur ins eigne Knie!
Ihr wollt die Uhren rückwärts drehen
Und stemmt euch gegen die Vernunft.
Dreht an der Uhr und doch: die Zukunft
wird euch als ewig gestrig sehen!
Wie ihr’s euch träumt, wird Deutschland nicht erwachen,
Denn ihr bleibt dumm, nicht auserwählt!
Die Zeit ist nah, da man erzählt:
Das war’s: ein Staat ist mit Idioten (und auch der AfD) halt nicht zu machen!