Tränen sind hartes Wasser
Zuweilen sind Tränen hartes Wasser,
das über Steine rann. (Gottfried Benn)
Doch ohne Tränen, ohne Wasser,
was bleibt außer Seelenwüsten dann?
Ohne uns und die Unsren zu bergen,
veröden die Seelen – vereisen die Herzen.
Wir schrumpfen zu Zwergen,
verloren im eigenen Ich;
begegnen nur Fremden
und Fremdem in uns;
Du sehnst dich nach Hause
und weißt nicht wohin?! (J. von Eichendorff)
Wo darf ich sterben,
selig geborgen?
Was sind das für Fragen,
was treibt uns um?
Wozu die Klagen,
als seien wir hilflos und dumm?
Du mußt dir alles geben,
Götter geben dir nicht? (Gottfried Benn)
Hast du dich selber geboren?
Kehrst selber dein Häuflein Asche zusamm'?
Wenn sich diese Fragen stellen, dann ist es spät:
"Gib in dein Glück, dein Sterben
Traum und Ahnen getauscht,
diese Stunde, ihr Werben..." (Gottfried Benn)
Manchmal zu spät:
Die Welt kommt zu uns (manchmal auch als Flaschenpost – seinerzeit von Paul Celan, heute von Benedict Wells)
macht sich in uns breit,
sinkt ab in Fühlen und in Habitus.
Die Quellen gründen tief,
aus denen Lebenswasser quillt,
geklärt durch Denk- und Fühlverbote.
(Nur wenn ein Damm bricht vor der Zeit,
macht sich zuweilen Flut und Feuer breit,
zerbricht das dünne Eis der Contenance.)
Danach - und manchmal auch zuvor -
hilft manchmal Therapie
im Suchen und im Finden einer Sprache.
Und Sprache findet (manchmal) zaghaft ihren Weg
viel seltener die passende Adresse -
Für’s Zuhören wird ja nun gezahlt!
Wenn’s jenem Urgrund mangelt an Vertrauen,
wenn Schmerz und Kränkung Fundamente bauen,
versagt man sich das Fragen -
und das Erzählen wohl erst recht!
Kommt, reden wir zusammen (schrieb Gottfried Benn*) -
wer redet, ist nicht tot!
Und wusste wohl: es züngeln doch die Flammen
schon sehr um unsere Not – und warnt:
Kommt öffnet doch die Lippen,
so nah schon an den Klippen
in eurem schwachen Boot.
Nur wer redet, ist nicht tot! (immer auch für Rudi - hinzugefügt am 24.02.2024)
*Gottfried Benn, Gesammelte Werke - Gedichte (Limes Verlag), Wiesbaden 1963, S. 320 so auch obige Zitate aus: DU MUSST DIR ALLES GEBEN, a.a.O., S. 132f.
Variation:
Tränen sind hartes Wasser Tränen sind weiches Wasser
Zuweilen sind Tränen hartes Wasser, Zuweilen sind Tränen weiches Wasser,
das über Steine rann. (Gottfried Benn) stete Begleiter;
Doch ohne Tränen, ohne Wasser, an Jahrestagen krasser -
was bleibt außer Seelenwüsten dann? am Fuß der Himmelsleiter.
Ohne uns und die Unsren zu bergen, Wir zähmen Gespenster
veröden die Seelen – vereisen die Herzen. und nähren die Seelen.
Wir schrumpfen zu Zwergen, Zwerge wachsen,
verloren im eigenen Ich; halten Hände und schauen;
begegnen nur Fremden hegen das Fremde
und Fremdem in uns; und hüten es sorgsam in sich.
Du sehnst dich nach Hause Sie kommen nach Hause,
und weißt nicht wohin?! (J. von Eichendorff) wissen endlich wohin.
Wo darf ich sterben, Sie halten inne - im Sterben
selig geborgen? den anderen selig zu bergen!
Was sind das für Fragen, Und sehen das Licht:
was treibt uns um? Wenn letzte Tage winken,
Wozu die Klagen, und alle Farben sich vermischen,
als seien wir hilflos und dumm? wenn Buntheit sich in Grau ergeht,
Du mußt dir alles geben, wenn aller Hochmut dann verblichen,
Götter geben dir nicht? (Gottfried Benn) am Horizont ein Hoffen steht.
Hast du dich selber geboren? Dann gehn wir auf die Reise
Kehrst selber dein Häuflein Asche zusamm'? und fragen nicht mehr viel.
Wir wandeln still und leise,
sehn das Ende - sind am Ziel.