Über naive und weniger naive Vorstellungen darüber, was Kommunikation sei
und inzwischen mit der Einsicht versehen, dass in der Tat die Geschichten der Menschen mehr und mehr unter dem Narrativ von Kränkungsgeschichten erzählt werden - siehe auch Jens Jessen in der ZEIT (43/16) sowie meinen Beitrag zu Wilhelm Schmids "Sexout"
Am 11. Juni 2016 stell(t)e ich mir die Frage, wie es denn nun (nicht nur theoretisch) weitergeht und vor allem, wie ich selbst denn die Dinge sehe? Folgendes Resümee zu einem heillosen Streit unter Freunden hält meine Entschätzung fest:
Zweifellos darf man - oder muss man gar - in einem sozialen System, das lange mit dem Begriff der Freundschaft versehen worden ist, die Frage stellen, ob wertebezogene oder verhaltensorientierende Präferenzen von Mitgliedern zusammenpassen, oder ob es – ohne eine beiderseitige Korrektur – nicht schonender für die psychischen Umwelten und das soziale Klima ist, wenn man künftigen Konflikten den Nährboden entzieht und aus dem Wege geht.
Bei diesem (in Teil I) - nach einer langen Auseinandersetzung mit der Frage "Was ist Kommunikation?" - geäußerten Resümee handelt sich um eine relativ neutrale Aussage. Und es zeigt sich nach den ersten Reaktionen der Beteiligten, dass es offensichtlich nicht um Heilung, sondern dass es eher um Schonung geht. Die in den Fall Involvierten wollen interpunktieren, Ursache und Wirkung zuschreiben; sie wollen vor allem nicht eine Haltung in Erwägung ziehen, die beiden - sozial fragwürdigen - Grundhaltungen jeweils ihren Teil der Verantwortung lässt und eine Kehrtwende dadurch einleitet, dass man sich für den Eigenanteil entschuldigt - dies käme ganz offensichtlich einem Gesichstverlust gleich, der höher bewertet wird, als eine friedliche Koexistenz. Jeder sucht primär nach der Schuld des jeweils anderen. Die eine Partei mit Blick auf den asozialen Chaotismus und die Unzuverlässigkeit der anderen Partei. Und die andere Partei mit Blick auf den asozialen Expressionismus (Mitteilungscharakter) der einen Partei. Diese Grundkonfiguration von (sozialen) Konflikten ist uns allen mehr oder weniger vertraut.
Ich räume gerne an dieser Stelle ein, dass der von mir selbst vertretene Relativismus nicht für jedermann und jedefrau eine tragfähige Alternative darstellt. Meine Grunddevise des "Lass sie gehen!" (oder im Sinne einer der Maximen Geothes: „Kindlein liebt Euch, und wenn das nicht gehen will: lasst wenigstens einander gelten.“) erfordert eine gute Portion dessen, was Peter Sloterdijk am Beispiel Niklas Luhmanns als eine Grundhaltung der "Selbstdesinteressierung" bezeichnet hat. In sozialen Netzwerken, die auf Freundschaft und Freizeit ausgerichtet sind, würde das bedeuten, situativ tragfähige Lösungen anzustreben, bei denen alle Beteiligten auf ihre Kosten kommen. Wie weiter oben bereits angedeutet findet dies ganz offenkundig seine Grenzen dann, wenn prinzipienversessene Regelfanatiker auf chaotisch agierende Selbtverwirklicher stoßen. Beide Seiten werden - da bin ich mir mehr als sicher - meine Etikettierungen empört zurückweisen.
Eher nolens volens referiere ich in der Folge ein paar Auslassungen, die am Beispiel Luc Ciompis zeigen, dass man sich ins Feld des Spekulativen begeben muss, wenn man z.B. die fallbezogenen Beobachtungen von weiter oben in Bewertungs- und Erklärungsschemata einordnen will. Wie sehr dies der Fall ist lässt sich an den dialogischen Erörterungen Bernhard Pörksens und Friedemann Schulz von Thuns verdeutlichen. In "Kommunikation als Lebenskunst" (Heidelberg 2014) offenbart Friedemann Schulz von Thun, wie sehr er sich in seinen Beispielen zum "Kommunikationsquadrat" als Leser von Kaffeesatz outet und wie sehr Bernhard Pörksen - als exzellenter Kenner der Systemtheorie - aus strategischen Gründen theoretische Rückschritte in Kauf nimmt, um Schulz von Thun ein dienlicher Kommunikationspartner und Stichwortgeber zu sein:
Zunächst ein paar Anmerkungen zu Luc Ciompi
Im siebten Kapitel seines Buches "Die emotionalen Grundlagen des Denkens - Entwurf einer fraktalen Affektlogik" (Göttingen 1997) geht Luc Ciompi auch auf Niklas Luhmann ein:
"Einen systemtheoretisch fundierten Zugang zum Thema der Beziehungen zwischen Affekten und Gesellschaft finden wir des weiteren bei NIKLAS LUHMANN. Gefühle sind für ihn [...] in erster Linie kulturell codierte Transaktionselemente in selbstorganisatorischen sozialen Kommunikationssystemen [...] Folgerichtig befasst sich Luhmann nicht direkt mit den Wirkungen von Affekten auf das kollektive Denken, sondern nur indirekt über die - für ihn entscheidende - Rolle von sozialen Systemen als Kommunikations- und Sinnsysteme, bziehungsweise Problemlösungssysteme, oder Möglichkeiten der Komplexitätsreduktion durch sinngebende Selektion aus der komplexen Umwelt (a.a.O., S. 240)."
Ciompi betont, dass Luhmanns ganzer systemtheoretisch-konstruktivistischer Ansatz mit Einschluss seines Begriffs der Interpenetration zwischen dem psychischen, sozialen und organisch-biologischen Bereich weitgehend mit seinen eigenen Auffassungen übereinstimme.
"Um so verwunderlicher mag es deshalb erscheinen, dass Luhmann die Wirkung von Affekten in sozialen Systemen jeder Größenordnung nicht als die grundlegende Kraft und Energie anerkennt, die die ganze Systemdynamik erst in Schwung bringt und zugleich organisiert (ebd. S. 240f.)."
Ich vermute, Luc Ciompis Argumtentation ist - wie meist - scharf und präzise, verfehlt aber die Ausgangslage eben genau so präzise. Niklas Luhmann beschränkt sich auf die Klärung der Frage: "Was ist Kommunikation". Er beteiligt sich nicht an der spekulativen Attribuierung von Ursache-Wirkungs-Erklärungen, die über spekulativen Charakter nicht hinaus gelangen - und kommen sie auch noch so wissenschaftlich ummäntelt daher:
"Es gibt für eine Wissenschaft vom Menschen genug Wissen und zwar, wenn man von der Psychologie absieht, allgemeines Wissen, das nicht im Verdacht steht, Vorurteile über 'den Menschen' zu transportieren (Luhmann 2002, S. 22)."
Wir sind vielleicht alle geneigt - wie Luc Ciompi -, Norbert Elias zuzustimmen, der meint, die Strukturen der menschlichen Psyche, die Strukturen der menschlichen Gesellschaft und die Strukturen der menschlichen Geschichte, sie seien unablösbare Komplementärerscheinungen und nur im Zusammenhang miteinander zu erforschen. Diese Haltung klingt plausibel und hat im Kern vermutlich eine Reihe von evidenten Argumenten für sich. Aber sie kann für sich eben nicht beanspruchen, exakte Wissenschaft zu sein.
Überaus deutlich wird dies, wenn sich Luc Ciompi nach der kritischen Referenz auf Luhmann auf Randall Collins (1984) bezieht, indem er ihm attestiert, dass er genau den Schritt weitergeht als Niklas Luhmann, indem er soziale Mikro- und Makrostrukturen als vorwiegend emotional determiniert verstehe:
"Sympathie und Antipathie, Hass und Liebe, Interesse und Indifferenz gliedern nach Collins den sozialen Raum vertikal wie horizontal in Oben und Unten, Freund und Feind, Außen und Innen. Zugleich stabilisieren sie ihn durch Gefühle von Solidarität, von Eigentum und Autorität. Außerdem stellen Emotionen für ihn 'eine Form von sozialer Energie' dar, indem sie als Motor allen sozialen Handelns im Kampf um Ressourcen funktionieren. Ebenfalls nahe Beziehungen zu unseren eigenen Konzepten hat seine ethologisch-anthropologische Auffassung des Menschen als einerseits emotionales und andererseits in einzigartiger Weise sprachbegabtes Wesen, oder 'emotionales Tier', indem sich seine komlementäre Dichotomie von Emotion und Sprache recht weitgehend mit unserer Komplementarität von Affekt und Kognition oder Logik überlappt (ebd., S. 241)."
Allerdings - so Ciompis Einwand - blieben auch bei ihm (Collins), wie bei praktisch allen von Ciompi genannten Autoren, die zentralen Begriffe von Affekt (oder Emotion) und Kognition durchweg unscharf.
Bei allen von Luc Ciompi in Verlauf seiner Ausführungen erwähnten und geschilderten Fallbeispielen laufen alle von ihm angedeuteten Zusammenhänge auf Spekulationen und diffuse Zuschreibungen von biografisch bedingten, genetisch disponierten und situativ aufgeladenen bzw. ausgelösten Dynamiken hinaus. An keiner einzigen Stelle gelangt er über eine vermutete und spekulierte Interdependenz dieser unterschiedlichen Einflussdimensionen hinaus. Genau hier würde Luhmanns Kritik an Luc Ciompi ansetzen - wie an allen Spekulationen über die exakten Zusammenhänge der Interpenetration von psychischer, sozialer und biologischer Einflusssphäre.
Ein paar Anmerkungen zu Friedemann Schulz von Thun (FSvT)
FSvT ist seit 2009 Emeritus der Universität Hamburg. Im Nachwort zur weiter oben erwähnten Veröffentlichung "Kommunikation als Lebenskunst" äußert er seine Skepsis zu dem von Bernhard Pörksen (BP) angestoßenen Vorhaben, seinen "Beitrag zur Psychologie der zwischenmenschlichen Kommunikation durch eine Reihe von Interviews zu erläutern und zu vertiefen [...] Hatte ich nicht schon alles supersverständlich dargelegt (a.a.O., S. 209)?"
Ich würde FSvT im Grundsatz zustimmen. Aber es ist durchaus ein Glücksfall, wenn er sich von BP dazu ermuntern lässt, zu seiner epochemachenden Konstruktion des Kommunikationsquadrats zum wiederholten wiederholten Male "ein paar Schlüsselbeispiele herauszugreifen". Ich zitiere die entsprechende Passage etwas ausführlicher (einige Begriffe/Worte habe ich fett und kursiv gesetzt sowie gelb unterlegt):
"Dann lassen Sie uns das Urbeispiel nehmen, das heute tatsächlich in den Schulen gelehrt wird. Folgende Situation: Ein Mann und eine Frau sitzen im Auto, der Mann auf dem Beifahrersitz, die Frau fährt. Und er sagt: 'Du, da vorne ist grün!' Auf der Ebene der Sachinhalte ist dies eine überprüfbare Information, die wahr oder falsch sein kann. Es ist eine Information über die Verhältnisse in der Welt. Gleichzeitig bzw. simultan gibt der Mann - Stichwort Selbstkundgabe - auch etwas von sich selber preis, eventuell ist er ungeduldig oder in Eile. Man weiß es nicht so genau. Auf der Ebene der Beziehung lässt er vielleicht einen Kompetenzzweifel an ihrer Fahrtüchtigkeit erkennen. Und womöglich enthält seine Äußerung den Appell, etwas schneller zu fahren, um noch bei grün über die Ampel zu kommen ('Gib Gas!'). In jedem Fall zeigt schon dieses kleine Beispiel, dass drei der vier Botschaften implizit bleiben. Sie sind deutungsfähig, interpretationsoffen und man muss, um sie zu dechiffrieren, den Tonfall und die begleitende Mimik beachten, den Kontext kennen, eventuell auch die Vorgeschichte der beiden."
Immerhin schließt BP unmittelbar daran an, indem er auf "die Macht des Empfängers" aufmerksam macht. Aber bleiben wir zunächst bei FSvTs Beispiel und den feinen sprachlichen Relativierungen. Er geht davon aus, dass es eine "überprüfbare Information" gibt - "eine Information über die Verhältnisse in der Welt". Ist allein diese Prämisse schon aberwitzig, so erweist sich FSvT immerhin insofern als seriöser Kommunikationspsychologe als er vier beinharte Relativierungen der von ihm angebotenen Interpretationen einräumt: Er räumt mit Blick auf die innere, das heißt psychische Befindlichkeit des Mannes - "er ist ungeduldig oder in Eile" - ein, dass dies eventuell so sein könnte: "Man weiß es nicht so genau." FSvT räumt ein vielleicht ein im Hinblick auf die von ihm geäußerte Vermutung, dass der Mann auf der Beziehungsebene Kompetenzzweifel an der Fahrtüchtigkeit der Frau erkennen lasse. Und er schränkt schließlich auf der Appellebene seine Deutung mit einem womöglich ein, wenn er die Idee vertritt, dass der Mann die Frau dazu veranlassen möchte, "etwas schneller zu fahren".
Immerhin - möchte man sagen - räumt FSvT in seinem Resümee ein, dass "drei der vier Botschaften implizit bleiben; dass sie deutungsfähig, interpretationsoffen seien, dass man - um sie zu "dechiffrieren", den Tonfall und die begleitende Mimik beobachten müsse, dass man den Kontext und eventuell auch die Vorgeschichte der beiden kennen müsse!
Warum - wie weiter oben schon bemerkt - BP sich mit einem unterkomplexen Versatzstück von Kommunikationstheorie bzw. -modellierung an die Öffentlichkeit begibt, erschließt sich mir nur bedingt. Für beide - für FSvT, ganz besonders aber für Bernhard Pörksen - gerät es allerdings zu einer Peinlichkeit, wenn man unter den durchaus ansehnlichen und einschlägigen Literaturhinweisen vergeblich nach Niklas Luhmanns kleinem und bescheidenen (bereits 1995 veröffentlichen) Aufsatz "Was ist Kommunikation" sucht. Hat er doch die von FSvT eingeräumten Relativierungen in einer gleichermaßen nüchternen wie ernüchternden Auseinandersetzung mit der Frage, was Kommunikation sei, sehr viel grundsätzlicher und systematischer berücksichtigt.
Man glaubt eigentlich nicht, dass zwei durchaus renommierte Mitglieder der wissenschaftlichen Community 2014 von "Dechiffrierung" reden und so tun, als führe das "Urbeispiel" zu irgendeiner Auflösung der Spannung, die durch Luhmanns Unterscheidung der drei Komponenten "Information, Mitteilung und Verstehen" in die Welt gekommen ist; als müsse man nur die "begleitende Mimik beobachten", den "Kontext kennen" und "eventuell auch die Vorgeschichte der beiden". Weder BP(!) noch FSvT lassen auch nur annähernd erkennen, dass sie in Erwägung ziehen, dass es in der Tat aberwitzig ist, Schülern und Studenten nahezulegen, "Dechiffrierung" sei unter Maßgabe der von ihnen erwogenen Relativierungen möglich. Vielleicht wäre es spannend, mit den beiden zu erörtern, was Niklas Luhmann denn meint, wenn er davon ausgeht, dass die drei Komponenten Information, Mitteilung und Verstehen nicht als "Akte, nicht als Horizonte für Geltungsansprüche" interpretiert werden können, ja dass sie nicht einmal als "Bausteine der Kommunikation, die unabhängig existieren könnten" betrachtet werden können. Luhmann fragt danach, durch wen das geschehen sollte? Etwa durch das Subjekt?
"Es handelt sich um unterschiedliche Selektionen, deren Selektivität und deren Selektionsbereich überhaupt erst durch Kommunikation konstituiert werden. Es gibt keine Information außerhalb der Kommunikation, es gibt keine Mitteilung außerhalb der Kommunikation, es gibt kein Verstehen außerhalb der Kommunikation - und dies nicht etwa in einem kausalen Sinne, wonach die Information die Ursache der Mitteilung und die Mitteilung die Ursache des Verstehens sein müsste, sondern im zirkulären Sinne wechselseitiger Voraussetzung."
Einmal ganz abgesehen von der Frage, wer die Zeit denn hätte, im Fluss der Kommunikation - wie Luhmann betont - immer genauer und immer genauer nachzufassen - allein die Anschlüsse entscheiden darüber, was in der Kommunikation geschieht. Wer darüber mehr erfahren will, der beobachte einmal Alltagskommunikation daraufhin und daraufhin, wie oft sie sich auf einer Ebene von allen gewollter Metakommunikation erfolgreich um die Lösung von Konflikten bemüht (siehe dazu weiter oben die Abschnitte 12 und 13).
FSvT mag man vielleicht zugestehen, dass er mit seinem Kommunikationsquadrat -ähnlich wie Watzlawick - darauf aufmerksam macht, dass alle Kommunikation auf einer Sach- bzw. auf einer Beziehungsebene stattfindet. Den Mitteilungscharakter von Kommunikation differenziert er in einen Beziehungsaspekt, einen Aspekt der Selbstoffenbarung/-kundgabe und einen Aspekt des Appellativen. Während Luhmann Verstehen grundsätzlich als Differenz auffasst zwischen der Information und dem Mitteilungscharakter einer Kommunikation, suggeriert FSvT man könne die vier Seiten tatsächlich sauber voneinander unterscheiden.
Aber immerhin: Auf den Hinweis von BP - und sofort stellt sich die Frage, ist das ein Akt der Wertschätzung von Seiten BPs oder ist es provokative Beobachtung zweiter Ordnung verbunden mit einer bewussten Vorführung und Bloßstellung des Kollegen??? - sein (FSvTs) "eigenes, verborgenes Axiom der Kommunikation hieße dann, dass derjenige, der Kommunikatin analysiert und alle in ihr enthaltenen Botschaften expliziert", glücklich werde, reagiert FSvT konsterniert und geradezu empört:
"Um Gottes willen, nein! Es besteht wohl die Gefahr, dass mein Kommunikationsquadrat als eine Aufforderung missverstanden wird, möglichst alle vier Botschaften stets explizit zu formulieren, das Implizite jederzeit und möglichst umfassend deutlich zu machen. Das kann in manchen Momenten eines verqueren oder schwierigen Gesprächsverlaufs eine heilsame Operation sein - gut, wer es dann kann! Aber als gültige Norm würde das Gebot zur vierdimensionalen Explizitheit das menschliche Miteinander zumindest sehr umständlich machen, wenn nicht sogar plump und grell um alle Feinheiten berauben. Zur wahren Meisterschaft gehört auch die Kunst der indirekten Kommunikation, die es ermöglicht, das eigentlich Gemeinte zwischen den Zeilen so anklingen zu lassen, dass er andere es an sich heranlassen kann, ohne gleich reagieren zu müssen (a.a.O., S. 33)."
Und wiederum doch nicht: Man mag es kaum glauben, wie naiv hier Kommunikationsprofis kommunizieren und den Normalfall einer undurchschauten und undurchschaubaren dynamischen Kommunikation durch Training und Aufklärung heilen wollen. Die wahre Meisterschaft hat einen Sonderfall im Blick, der im Rauschen gesellschaftlicher Prozesse den Normalfall markiert. Im Übrigen verwundert es schon, dass FSvT meint, dass das komplexe Phänomen "Kommunikation" sich in den "vier Botschaften" (Information, Selbstkundgabe, Beziehung, Appell) erschöpfend erfassen ließe. Noch einmal: Darin äußert sich nach wie vor ein technisches bzw. technologisches Verständnis von Kommunikation. Erst der jeweilige situativ sich vollziehende Verstehensakt als Prozessieren der Differenz zwischen dem, was jemand als Information "versteht" und wie ihm diese Darbietung als Mitteilung erscheint/vorkommt, lässt eine Vorstellung davon aufkommen, was in der Kommunikation geschieht. Man ist - sofern man diese Sichtweise zulässt - dann auch nicht wirklich überrascht, was sich im Prozess der Kommunikation für die Beteiligten als gelungener, zumindest aber als akzeptabler - oder umgekehrt als bedingt oder vollkommen misslungener Anschluss(versuch) darstellt/ergibt.
Axel, ein Freund, will mir attestieren, ich könne die Haltung eines Heilers nicht ablegen. Diese Haltung liegt mir (inzwischen) fern. Auf die Anregung BPs FSvTs gegenüber, vielleicht doch noch ein "Wunschprogramm" zu formulieren, meint dieser:
Es sei schon verlockend, "die Ebenen zu wechseln", um so etwas wie "quadratische Klarheit" zu erlangen: "Zum Beispiel, wenn man beginnt, bewusst mit einem anderen Ohr zuzuhören. Was ist, wenn man nicht mehr nur die beleidigenden Angriffe hört, sondern mit einem Mal die Not des anderen dahinter spürt und sich eben nicht reflexartig verbeißt und versteift? - Möge das Kommunikationsquadrat ein Bewusstsein von der Simultanität des Geschehens befördern mit vierfachem Spürsinn und mit der Fähigkeit, in schwierigen Momenten die Ebene gezielt zu wechseln und dafür alle vier Schnäbel und alle vier Ohren zur Verfügung zu haben. Das ist alles, nicht mehr und nicht weniger."
Zu schön, um wahr zu sein und wahrhaftig die Quadratur des Kreises - vielleicht erliegen wir ja mit der Vorstellung von einem "Kommunikationsquadrat" einer schieren Illusion, und es ist ja gar kein Quadrat, sondern ein Kreis. So jedenfalls kommt mir die Kommunikation alter, erwachsener Esel in meinem Bekanntenkreis vor, denen es jedenfalls bis jetzt nur gelingt, sich in einem end- und heillosen Kreis zu drehen.