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"Ich hätte nichts dagegen, wenn ich stürbe"

Am 18.1.1933 erschien von Erich Kästner in der Neuen Leipziger Zeitung Alter Herr (Erich Kästner war selbst noch keine 33 Jahre alt). In Erich Kästner - Werke (Herausgegeben von Franz Josef Görtz im Carl Hanser Verlag, München 1998) wird die zweite Strophe folgendermaßen wiedergegeben (Seite 352 im Band Gedichte):

Ich war ein Kind wie ihr. Nun bin ich mürbe.
Wer lange lebt, hat eines Tags genug.
Ich hätte nichts dagegen, wenn ich stürbe.
So müde bin ich! Andre nennen's klug.                         Die letzte Strophe lautet:

Und nun kommt ihr. Ich kann euch nicht vererben.
Ich kann nicht helfen, und ich möchte sterben.
Macht, was ihr wollt. Doch merkt euch dieses Wort:
Vernunft muß ein jeder selbst erwerben,
und nur die Dummheit pflanzt sich gratis fort!

 

Gewiss ist es notwendig zu wissen, dass 12 Tage nach dem Abdruck des Alten Herren Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte. Am 10. Mai brannten Kästners Bücher: "Wider den undeutschen Geist." Erich Kästner ist am 29. Juli 1974 fünf Monate nach seinem 75sten Geburtstag gestorben. Er ist aktueller denn je und hat uns das vererbt, was offenkundig einem guten Fünftel der Wähler:innen am 23.2.2025 nicht klar ist bzw. vielleicht sogar von einer Mehrheit dieses guten Fünftels nicht nur billigend in Kauf genommen wird! Erich Kästner hat den Naziterror in Deutschland überlebt und seine Mahnung in der letzten Zeile des Alten Herren spricht aus vielen Zeilen seiner politischen Lyrik. Sein Marschliedchen (hier auch im Original), das am 2. August 1932 in der Weltbühne erschienen ist, verpflichtet geradezu zu einer zeitgemäßen Adaption. Ich gehe davon aus, dass Kästner sein Marschliedchen - angesichts des Wahlergebnisses vom 23.2.2025 in etwa folgendermaßen verfasst hätte. Erich Kästner ist vielen meiner Altersgenoss:innen ja als Autor von Kinderbüchern bekannt und in Erinnerung:

 

Marschliedchen 2025

eine Adaption von Erich Kästners Marschliedchen: Ihr seid dumm (aus 1932)

Die Dummheit zog in Viererreihen (so zieht sie immer noch),
Heut schämt sich die Dummheit selbst der Dummen.
So dämlich wie ihr seid, mahnt sie euch zu verstummen,
Statt Idioten gleich nach deutschem Wesen heut zu schreien.

Ihr kommt daher und wärmt die schalen Suppen,
In euren Schädeln haust ein brauner Geist,
Der euch verwirrt und alles mit sich reißt -
Nur nicht von euren Augen alle Schuppen!

Marschiert ihr nun in Chemnitz und in Halle…,
Ihr findet doch nur als Parade statt,
Denn das, was jeder da von euch im Kopfe hat,
Man nennt es Dummheit wohl in jedem Falle!

Weil wieder predigt ihr den Hass
Und wollt die Menschheit spalten -
Statt schlicht an Recht und Ordnung euch zu halten,
Wähnt ihr das Volk zu sein und träumt vom völkisch-deutschen Pass!

Ihr habt die Trümmerwelt im deutschen Wahn vergessen,
Von Schuld und Sühne ist die Rede nie,
Ihr brüllt nach deutscher Größe selbstvergessen;
Ich hoff, ihr schießt euch nur ins eigne Knie!

Ihr wollt die Uhren rückwärts drehen
Und stemmt euch gegen die Vernunft.
Dreht an der Uhr und doch: die Zukunft
wird euch als ewig gestrig sehen!

Wie ihr’s erträumt, wird Deutschland nicht erwachen,
Denn ihr bleibt unbelehrbar und nicht auserwählt!
Die Zeit ist nah, da man erzählt:
Das war’s: das Volk wird Nazis nicht zu seinen Führern machen!

 

 

 

 

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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