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Für einen Freund

Martin Buber hätte sich besser an Albert Einstein und Sigmund Freud gewandt - auch deren Erkenntnisse klingen bitter, aber eben nicht zynisch wie im Folgenden die Empfehlungen Gandhis an Martin Buber.

Seit dem Februar 2022 führen uns die Kontroversen um den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Dabei räume ich gerne ein, dass ich mich vermutlich - summa summarum - weiter auf meinen Freund zubewegt habe als umgekehrt. Inzwischen geht es mir überwiegend nur noch um die Dilemmata, die sich zwischen extremen Positionen eines radikalen Pazifismus und dem legitimen Recht auf Selbstverteidigung ergeben. Tief bin ich in den ideologischen Marianengraben eingestiegen und bin zu dem Ergebnis gelangt, dass Carl Schmitt über Immanuel Kant obsiegt. Heute lass ich schreiben. Ich werde zitieren aus: Heribert Prantl - Den Frieden gewinnen - Die Gewalt verlernen (Heyne Verlag, München 2024).

Es lohnt sich insgesamt diese Publikation (unter Mitarbeit von Silke Niemeyer) intensiv zu studieren - nicht zuletzt, weil Heribert Prantl - Pazifist - einer der wenigen Autoren ist, die die Rolle Carl Schmitts in der neuerlichen Zeitenwende halbwegs angemessen analysieren. Hier beschränke ich mich auf einen Briefwechsel zwischen Mahatma Gandhi und Martin Buber. Er offenbart den kompletten Irrsinn und ein Stück weit die Ausweglosigkeit, die sich aus einer radikalpazifistischen Haltung ergibt. In Kapitel 3 Die Dilemmata der Gewaltlosigkeit. Ihre Kraft, ihre Ohnmacht, ihre Instrumentalisierung ist folgendes zu lesen:

"Gandhi glaubte fest an die Macht der Gewaltlosigkeit. Wäre es anders, hätte er nicht die bezwingende Überzeugungskraft und hohe Autorität gehabt, die ihm eigen war. Auch diese unbeirrte Überzeugung ist jedoch nicht ohne Ambivalenz. Rigoros und kompromisslos hing er dem Credo an: Gewalt darf man nur mit Nichtgewalt begegnen. In welche Abgründe Gandhi dieses Credo angesichts des Terrors gegen die Juden in Deutschland geführt hat, spiegelt sein offener Brief vom November des Jahres wider sowie die entsetzte Replik des jüdischen Philosophen Martin Buber darauf, der soeben aus Deutschland nach Jerusalem entkommen war. Gandhi veröffentlichte auf Drängen jüdischer Freunde eine Stellungnahme zum Zionismus und zur Verfolgung der Juden in Deutschland. Er bestreitet darin das Recht der Juden, in Palästina eine Heimstatt zu haben, und bekräftigt auch angesichts des nationalsozialistischen Terrors gegen die Juden, dass Gewaltverzicht und ziviler Ungehorsam die einzige moralische und religiöse Option seien. Er erkennt wohl an: >Die deutsche Judenverfolgung scheint keine Parallele in der Geschichte zu haben. Die Tyrannen von einst wurden niemals so wahnsinnig, wie es Hitler geworden zu sein scheint.<
Dennoch fällt er, weit entfernt von Europa, seiner dogmatisch gefärbten Sicht zum Opfer, die er auf Erlebnisse rassistischer Diskriminierung der Inder in Südafrika hat. Sie, so Gandhi, hätten dort denselben Platz eingenommen wie die Juden in Deutschland, iher Behandlung sei die >exact parallel< und >almost of the same type<. Martin Buber hält ihm gerade dies in seinem eindringlichen Antwortbrief vor: >Wissen Sie, oder wissen Sie nicht, Mahatma, was ein Konzentrationslager ist und wie es darin zugeht, welches die Martern des Konzentrationslagers, welches seine Methoden das langsamen und des schnellen Umbringens sind? Ich kann nicht annehmen, daß sie es wissen, denn sonst wäre dieses tragikomische >almost of the same type< Ihnen doch wohl nicht über die Lippen gegangen.< Buber ist verzwzeifelt über Gandhis Verharmlosung des Terrors. Einer der Gründe für dessen missratenen Vergleich ist sein oben bereits erwähnter weiter Begriff von Gewalt, der hier, wo es auf Genauigkeit ankommt, nicht mehr taugt. Wo alles irgendwie Gewalt ist, ist keine Gewalt mehr einzigartig, ist es nicht mehr der Mühe wert, ihre Erscheinungsformen und ihre Methoden genau zu betrachten. Martin Buber charakterisiert die Gewalt der Nazis als >dämonische Universalwalze<, der man nicht, wie von Gandhi gefordert, mit Satyagraha (an der Wahrheit festhalten) begegnen könne.
Gandhi hatte sich nämlich zu dem Rat verstiegen: >Wenn ich ein Jude wäre, der in Deutschland geboren ist und dort seinen Lebensunterhalt verdient, würde ich Deutschland als meine Heimat beanspruchen, gerade so wie der höchste nichtjüdische Deutsche, und ich würde ihn herausfordern, mich zu erschießen oder in den Kerker zu werfen; ich würde mich weigern vertrieben zu werden oder mich einer diskriminierenden Behandlung zu unterwerfen.< Man kann Gandhi nicht unterstellen, er habe sich etwas darüber vorgemacht, wie die Reaktion auf solchen zivilen Ungehorsam ausfallen würde, wäre er überhaupt annähernd umzusetzen gewesen. Gandhi weiter: >Die berechnete Gewalttätigkeit Hitlers könnte sogar zu einem allgemeinen Blutbad unter den Juden anstelle seiner ersten Antwort auf die Eröffnung solcher Feindseligkeiten führen. Aber wenn die Juden auf freiwillige Leiden vorbereitet werden könnten, könnte selbst das Blutbad, das ich für möglich halte, zu einem Tag des Dankes und der Freude werden dafür, daß Jehova die Hinopferung der Rasse, sei es auch durch die Hände des Tyrannen, beschlossen hat. Für den, der Gott fürchtet, hätte der Tod keinen Schrecken.<"

Ja: Das Leben ist schön!

Heribert Prantl schreibt weiter: "Martin Buber hat sich lange Zeit gelassen für seinen Antwortbrief. Er habe ihn sehr langsam geschrieben und immer wieder ausgesetzt, um seine Meinung nachzuprüfen, bekundet er. Seine Meinung fasst er direkt zu Beginn seiner mächtigen Antwort zusammen: >Der Unglückliche hört nicht zu, wenn rings um ihn die eitlen Mäuler sein Schicksal beschwatzen; wenn aber, den leeren Lärm durchstoßend, eine Stimme ihn beim Namen anruft, die er seit langem kennt und verehrt, eine große, ernste Stimme, horcht er auf. [...] Doch was er nun zu hören bekommt, enthält Elemente einer ihm, eben aus dem Mundes dieses Sprechers, wohlbekannten und an sich hohen Lobes würdigen Anschauung, aber auf ihn und seine Lage passen sie gar nicht, sie sind gar nicht wirklich an ihn gerichtet, jedem Wort merkt er an, daß es nur aus allgemeinen, wie gesagt, sehr preisenswerten Grundsätzen geschöpft ist, und daß er Sprecher ihn, den Angerufenen, in dieser seiner Lage nicht sieht, ihn, ehe er das Wort ergriff, nicht angesehen hat, daß er ihn und seine Lage nicht kennt.< Martin Buber beweint hier - man kann sich vorstellen, dass er den Brief unter Tränen der Enttäuschung und des Zorns geschrieben hat -, was der Kern der Kritik Max Webers an den Windbeutel-Pazifisten war. Hatte Weber jedoch gefragt, an welcher Ethik sich derjenige orientieren soll, der Politik zum Beruf hat, so spricht Buber als einer, der Opfer der Gewalt>-politik< ist und sein Leben so eben retten konnte und den darum die Anmaßung und der Zynismus der >großen Seele< Gandhis ins Mark trifft, die in diesem Augenblick so kläglich schrumpft."

Vielleicht hätte der Freund, wenn Martin Buber in WhatsApp präsent gewesen wäre, ihn auch - wie mich - an die Bergpredigt erinnert: "Selig sind die Friedfertigen" und "Liebe deine Feinde". Ich antworte noch einmal mit meinem Weihnachtsmann (und dem Osterhasen):

 

Der ratlose Weihnachtsmann -
eine schöne Bescherung

Hoh, hoh, hoh, -
drauß vom Walde komm ich her,
und ich muss euch sagen,
es weihnachtet sehr.

Putins Armee lässt es leuchten und krachen,
beschert die Ukraine mit feurigen Sachen!
Und ganz ohne Not
Bringt Putin ihr Leid und den Tod.

Manch Friedensbewegter weiß dazu Rat:
Haltet die Beine doch ruhig und still!
Warum reizt Ihr Putin zur Tat?
Gebt ihm doch, was er will!

Er kommt dann ganz friedlich mit seinen Soldaten -
sie brauchen nicht mal Raketen!
Sie schreiten auch so zu Heldentaten;
denkt an Irpin, an Butscha und vergesst nicht zu beten!

Aber beten braucht ihr doch nicht!
Das besorgt der Pope Kyrill -
er  s p u c k t  dem Jesukind ins Gesicht,
steckt Putin im Arsch bis zur Brill.

Er predigt den Hass des Despoten,
im Namen des Herrn
Er schändet die Bibel mit ihren Geboten,
segnet Mörder! Das tut er doch gern!

Kyrill und Putin, Baschar al Assad -
geduldeter Mörder und Staatenlenker
sie werden nicht satt -
genießen Asyl im Lande der Henker.

Was riet uns weiland der Kant?
Achtet einander und schließt Verträge -
untereinander von Land zu Land,
denn krummes Holz bleibt ewiglich schräge!

Das hat er sich klug ausgedacht,
aber die Rechnung ohne den Schmitt gemacht!
Der schrieb schon den Nazis die Lehr:
„Viel Feind bringt viel Ehr!

Auf Verträge könnt ihr scheißen!
Der Fremde ist euer Feind -
ihm dürft ihr das Herz entreißen:
Gesetz ist, was der Führer meint!

Ob Minsk oder München -
Verträge stehn nur auf Papier!
Sie bestehen aus nichts als (frommen) Wünschen!
Der Wille zur Macht schmückt unser Panier!

Hoh, hoh, hoh -
drauß vom Walde komm ich her,
und ich muss euch sagen,
es weihnachtet sehr.

Ich bin zwar der Weihnachtsmann
und riet Euch allen gerne zur Tat!
Doch irr ich umher im düsteren Tann
und warte geduldig auf göttlichen Rat.

Ich kenn wohl die Logik und auch die Lehr
vom Widersinn der Intervention.
Aber die Frage wiegt schwer:
Wer zahlt den Preis für diese Lektion?

Es zahlen die Wehrlosen, vor allem die Kinder,
wie einst in den KZs der Menschenschinder!
Der Tod war ein Meister aus Deutschland.
Heut trägt er Putins Gewand.

Nun sehn viele in Trump einen Trumpf,
mit gewaltigen Musk(eln) – trocken zu legen den Sumpf!
Leg dich ins Zeug du Semidespot -
und leg ihm das Handwerk, dem Russentod!

Und sollt es dir wider Erwarten gelingen,
den Frieden im Sinne aller zu bringen,
dann gehört dir im Zeichen der Sühne
in Oslo die ganz große Bühne.

Vielleicht wirst du dann ein Mensch,
geläutert und auch noch besonnen,
der eher Kant als dem Schmittchen folgt -
geläutert und mehr noch besonnen!

 Hoh, hoh, hoh -
drauß vom Walde komm ich her,
und ich muss euch sagen,
es weihnachtet sehr.

Ja, ich bin der Weihnachtsmann,
aber ich kann nichts von dem,
was mir rechtens scheint und genehm.
Ich bin ein armer Mann!

Es bräucht schon den Nikolaus -
samt Beelzebub - dem Knecht (Ruprecht),
um Mördern, Despoten einzuheizen.
Sie brächten Ordnung ins rechtlose Haus
und würden mit Strafen nicht geizen.

Doch wissen die meisten:
Strafen helfen hier nicht.
Sie werden nichts leisten,
wenns uns allen am Willen gebricht.

Ob Kyrill, Franziskus - wer immer sei der Imam:
Zieht den Karren gemeinsam,
und bietet dem Töten die Stirn!
Erhebet die Herzen - bemüht euer Hirn.

Der Weihnachtsmann gibt das Staffelholz weiter an den Osterhasen:

Der Osterhase färbt das Russenei,
er färbt es dunkelrot.
Herr Trump führt ihm den Pinsel -
die Russen rüsten nun zur Siegesfeier.

Wie weiland stellt der Trump die Bibel auf den Kopf
hebt Putin auf den übel-riechend braunen Topf.
Kyrill gibt dazu seinen Segen,
Selensky steht im blutgefärbten Regen.

Sein Land mutiert zum Osterlamm,
serviert auf silbernem Tablett.
Das Völkerrecht versinkt im Schlamm,
und Donald teilt mit Wladimir das Bett.

Die große Bühne heißt gewiss nicht Oslo!
Der Ort stinkt übel, wie ein Klo!
Carl Schmitt(schen) hat gewonnen,
und Kants Ideen sind im Machtkalkül zerronnen!

Ach, lieber kleiner Osterhase
wehr du dich doch, verdirb die Eier!
Wer führt hier wen an seiner Nase,
wenn rechte, braune Brut nun bläst zur Feier?

Zeig kämpferisch dich und schenk uns braven Leuten neue Eier:
Hartgesotten und von einem strahlend hellen B u t.
Wir rufen alle dann zu einer eignen Feier:
Wir sind mehr: Und wehrhaft schließt sich unser Bund.

Wir sitzen an der Kasse, pflegen Alte, hüten Kinder;
Wir sind Ärzte, Lehrer, Richter:innen;
wir fahren Bagger, Taxi, züchten Schweine und auch Rinder
und schützen unser Land nach außen und nach innen!

Gestalten unsre Zukunft hell und wünschenswert
mit Phantasie und Mut und Wärme.
Die eigne Herkunft hat uns alle doch belehrt
wohlwissend um den braunen Pilz in unserem Gedärme.

Wir bleiben mehr: 4/5 weisen euch zurück.
Sie mahnen euch doch endlich zu verstummen.
Der Vorhang fällt vor eurem Schmierenstück
geschrieben für die unbelehrbar ewig Dummen.

 

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund