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Wer hat eigentlich den Arsch auf?

Angesichts der sich abzeichnenden klimabedingten Katastrophen im laufenden Sommer 2023 schrieb ich am 21.6., dass sich die Arsch-auf-Attacken eines Hubert Aiwanger und die populistische Schelte mit Blick auf das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) aus, wie die Ergüsse jemandes ausnähmen, der mit dem Arsch denke und den Kopf in den Sand stecke; in den Sand im Übrigen, der sich in den Dürreregionen dieser Welt zunehmend ablagert wie Plaques in den Hirnen von Aiwanger, Söder und - selbstredend in den Resthirnen der Klima-Wandel-LeugnerInnen in der Alternative für Deutschland. Es mag Söder ehren und Aiwanger entlarven, wenn der eine ausgebuht und die dumm-blöde Selbstdarstellung des anderen goutiert wird. Beide wollen in Wassern fischen, in die wir nicht einmal mehr unseren Allerwertesten halten würden. Jan Philipp Reemtsma hat 2005 bei C.H. Beck sechs Reden über Kunst und Literatur publiziert - und zwar mit dem Titel: DAS UNAUFHEBBARE NICHTBESCHEIDWISSEN DER MEHRHEIT. Liest man den Klappentext, gerät man unversehens in eine depressive Falle, bei der sich das Prinzip Hoffnung verbietet. Ist dort nämlich zu lesen:

"Eine Gesellschaft, die keine Achtung mehr vor ihrer eigenen Kultur hat, der ihre eigene Unbildung gleichgültig geworden ist, ist nicht nur ernsthaft gefährdet, sondern im Grunde hoffnungslos." Da kommt die Schlussoffensive wie eine schale Paradoxie daher, wenn zu lesen ist, dass sich Reemtsma in diesen Aufsätzen nicht nur als "leidenschaftlicher Anwalt des >exquisiten Vergnügens zu lesen, was zu lesen sich lohnt<" präsentiere, sondern auch "als angriffslustiger Germanist, der all jenen Mut macht, die die Sache der Kultur nocht verloren geben wollen".

am 21. Juni meinte ich: Geben wir weder die Sache der Politik noch die Sache der Kultur verloren. Das aber heißt, rühren wir uns, zeigen wir, dass wir dem fossil-reaktionären Todeskult nicht folgen, schicken wir die Aiwangers, Söders, Wissings in die Wüste und endlich die alternativen Querdenker in die Oasen ihrer Wahl - keine Stimme der AfD! Wer sich nicht besinnt, dem darf die letzte Generation gerne das Pflegebett unterm Arsch anzünden und die Schnabeltassen mit den Wassern füllen, in denen Aiwanger, Söder und andere Spacken ihre Netze auswerfen!

Also noch einmal die Frage:

Wer hat hier eigentlich den Arsch auf?

Ich greife heute zur Beantwortung dieser Frage auf die Rhein-Zeitung vom 14. August 2013 zurück. Gerd Roth führt auf Seite 11 ein kurzes Interview mit Herta Müller. Sie erhielt 2009 den Nobelpreis für Literatur - nicht zuletzt, weil die 1953 im deutschsprachigen Nitzkydorf Geborene bis 1987 (dem Jahr ihrer Ausreise nach Deutschland) die totalitäre Terrorherrschaft des Nicolae Ceaușescu in Rumänien erlebt und in ihren Werken immer wieder thematisiert hat. Sie hat klare und unmissverständliche Worte für diejenigen, die im Fahrwasser der AfD segeln. Es beginnt mit dem Adjektiv vermeintlich: Gerd Roth regt mit seiner ersten Frage an, darüber nachzudenken, wie labil aus der Sicht Herta Müllers vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen "eine vermeintlich gefestigte Demokratie angesichts von Radikalisierungen oder autoritären Entwicklungen" sei? Herta Müller greift dieses Adjektiv auf uns gibt zu bedenken:

"Ja, >vermeintlich gefestigt< ist die richtige Formulierung [...] Es scheint eine Langeweile oder ein Überdruss an der Freiheit in der Demokratie entstanden zu sein. Auch in Deutschland. Rechtsradikale faseln von einem >sozialnationalen< Staat und meinen natürlich Nationalsozialismus und halten sich für schlau, weil sie es nicht aussprechen. Sie verklären die Diktatur Hitlers und folgerichtig auch die Diktatur von Putin. Und das ist konsequent, denn in Putins Russland ist so viel Nationalsozialismus, wie sonst nirgends auf der Welt."

Angesichts dieser an Klarheit und Prägnanz kaum zu überbietenden Einschätzung der Lage entwickelt sich der ehemalige Sozialkundelehrer, der ich war und im Herzen geblieben bin, zu einem pöbelnden Republikaner und wiederholt die Frage:

Wer hat hier eigentlich den Arsch auf?

Ich lasse Jan Philipp Reemtsmas Verdikt vom Unaufhebbaren Nichtbescheidwissen der Mehrheit nicht gelten!!! Jeder und jede, der/die AfD wählt muss sich mit Herta Müller fragen lassen:

  • Die AfD propagiert eine wahre EU der Vaterländer - "aber wem hat denn die EU sein Vaterland genommen?"
  • Das völkische Denken träumt von einem anderen Deutschland. Wer will ein Deutschland, "in dem millionenfache Vertreibung wieder zum Alltag wird?"
  • Die Protagonisten der AfD wünschen sich "einen starken Führer, der die Nato verlässt und sich vom Kriegsverbrecher Putin schützen lässt". Ist es das, was ihr wollt?
  • "Anscheinend haben ihre Wähler vergessen, dass gerade in Deutschland die Heimatbesitzer sowohl ihr eigenes Land als auch die halbe Welt schon einmal in den Abgrund gerissen haben." Habt ihr das vergessen?
  • "Die Ignoranz vor historischem Wissen macht Diktatur wieder vorstellbar. Denn die Rechtsradikalen arbeiten infam. Sie verleumden die Demokratie täglich als Diktatur und ihre Wähler glauben ihnen. Der Grund dafür ist politischer Infantilismus. Man verschließt die Augen vor den Problemen der Welt - wie Putins Krieg oder dem Klimawandel oder ökonomischen Verflechtungen - und glaubt eingenebelt und aufgehetzt politischen Märchen."

Liebe Herta Müller, ich glaube nicht, dass aufgeklärte Wahlbürger tatsächlich diesen Rattenfängern auf den Leim gehen. Das würde ja bedeuten, dass eine beträchtliche Zahl von Bürgern dummen Kälbern glichen, Kälbern, die sich ihre Metzger selber wählen.

Mit Verlaub:

Die hätten ja dann nicht nur den Arsch auf, sondern trügen ihn dort, wo andere einen Kopf (zum Denken) haben!

 

 

 

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund