(M)Ein Adventskalender - Heute öffnen wir das fünfte Türchen (5)
Die Großeltern haben Besuch (Erich Kästner)
Für seine Kinder hat man keine Zeit.
(Man darf erst sitzen, wenn man nicht mehr gehen kann.)
Erst bei den Enkeln ist man dann soweit,
dass man die Kinder ungefähr verstehen kann.
Spielt hübsch mit Sand und backt euch Sandgebäck!
Ihr seid so fern und trotzdem in der Nähe,
als ob man über einen Abgrund weg
in einen fremden bunten Garten sähe.
Spielt brav mit Sand und baut euch Illusionen!
Ihr und wir Alten wissen ja Bescheid:
Man darf sie bauen, aber nicht drin wohnen.
Ach, bleibt so klug, wenn ihr erwachsen seid.
Wir möchten euch auch später noch beschützen.
Denn da ist vieles, was euch dann bedroht.
Doch unser Wunsch wird uns und euch nichts nützen.
Wenn ihr erwachsen seid, dann sind wir tot.
Ich bin ein Nutznießer und Verehrer der Kästnerschen Gebrauchslyrik, wie sie uns in der Lyrischen Hausapotheke begegnet. Wer den kompletten Beitrag lesen möchte, der durch Erich Kästners sanft-sarkastische bis melancholische Hommage an die Großeltern eingeleitet wird, wird unter dem folgenden Link fündig: F A M I L I E
Als bekennender, leidenschaftlicher Opa geht mir natürlich diese - intergenerativ betrachtet -zeitlich, in der Regel mehr oder weniger eng begrenzte Chance noch einmal in die von Kästner zitierte Beschützerrolle zu schlüpfen, sehr unter die Haut. Zumal ich bei meiner jüngsten Tochter und ihrer Familie tatsächlich das gesamte Tableau der Belastungen - beruflich und eh mitten im Leben - noch einmal vor Augen geführt bekomme. Mir eröffnet dies die einmalige Chance unmittelbar an der Entwicklung meiner Enkelkinder teilzuhaben. Im letzten Lebensabschnitt erweist sich diese Unmittelbarkeit deshalb als Gnade, weil sie sowohl noch einmal das Bewusstsein schärft für das, was allen (!) Kindern guttut - die uneingeschränkte Aufmerksamkeit im Sinne einer liebevollen, entwicklungsfördernden Begleitgung. Diese Aufmerksamkeit spiegelt sich in einer gleichermaßen intensiven Bindung der Enkelkinder an die Großeltern wider. Auch wenn wir - da beißt weder die Maus noch Kästner einen Faden ab - irgendwann (hoffentlich nicht allzufrüh) tot sind, wird die Erfahrung einer uneingeschränkten Zugehörigkeit gepaart mit einer umfänglichen und urvertraulichen Geborgenheit tiefe Spuren hinterlassen - dessen bin ich mir ganz und gar gewiss. Diese Gewissheit hängt sicherlich mit der Einsicht zusammen, dass das wechselseitige Einlassen auf eine noch einmal so unfassbar tiefe Beziehung mit ihren Bindungskräften an lebensbestimmende und lebensprägende Umstände und Rahmenbedingungen geknüpft ist; dies meint schlicht, dass sich auch Großeltern wie Rosinenpicker nicht nur die Sonnen- und Schokoladenseiten einer so reichen und differenzierten Kinder- und Familienwelt vorbehalten können. Aber vermutlich liegt gerade darin die besondere Qualität einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Großelternrolle.
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