Nix mitnehma - Sterbehilfe in der Diskussion -
besonders Wladimir Putin und seinem Darmparasiten Kyrill zugedacht
meine Ergänzungen zu Nix mitnehma hier (:-))
(mit Dank an Georg Ringsgwandl)
und an die ZEIT (47/2014 vom 13.11.2014)
Ringsgwandl g'sehn und g'hört (am 7.11.2014 im Café Hahn):
"Hey, du konnst Ministerpräsdident sei von am Staat,
der im Rüstungsgschäft die Finger hot.
Du konnst, Kardinal sei, schee feierlich und fett,
oder frommer Pfarrer, Zölibat und Doppelbett.
Des konnst du net mitnehma,
naa, des konnst du net mitnehma.
Frog omoi an Deifi, frog an liabn Gott,
und der sogt - net mitnehma!"
Die ZEIT, die rennt, die ZEIT, die drängt: Heute am 13. November debattiert der Deutsche Bundestag über "Sterbehilfe". Während die Headline der ZEIT (47/2014) auf ein Dossier hinweist und als den "stärksten Trieb der Deutschen", das SPAREN, thematisiert, können sich auf den unteren zwei Dritteln der Titelseite Elisabeth Niejahr (JA) und Ulrich Greiner (NEIN) über die Frage auslassen: "Soll Sterbehilfe leichter werden?"
Georg Ringsgwandl hat es da leicht. Während das Sterben unvermeidbarer Weise im Diesseits geschieht (in der ungewissen Gewissheit des "mors certa - hora incerta"), bringt Ringsgwandl Licht in jenen dunklen Jenseitsraum, den der Tod beherrscht und für sich beansprucht; natürlich nicht in dem Sinne, dass er uns eröffnen würde, was uns denn nun konkret in der Gnade des "ewigen Lebens" erwartet, oder ob die Selbstmordattentäter (SMA) im Namen des Propheten, denn tatsächlich mit 99 Jungfrauen "belohnt" werden (was ist eigentlich mit den weiblichen SMAinnen???). Nein, er erinnert uns schlicht an das offensichtliche: "Nix mitnehma"!
"Hey, du konnst ein Bäcker sei, der guate Brezn backt,
oder bist ein Metzger, der fette Dreckssei schlacht,
ja du konnst ein Säufer sei, im Mantl a Flaschn Sprit,
oder Zeuge Jehova, Mormone oder Schiit,
do konnst du nix mitnehma,
na, do konnst du nix mitnehma,
jammert nur zum Deifi,
bettelt an liabn Gott,
und er sogt: Nix mitnehma!!!
Worum geht der Streit - in der aktuellen ZEIT exemplarisch inszeniert mit den ZEIT-Schwergewichten Elisabeth Niejahr und Ulrich Greiner?
Vereinfacht und trivialisiert Elisabeth Niejahr, wenn sie feststellt: "Dabei debattiert der Deutsche Bundestag an diesem Donnerstag bloß über eine Reform, die sich die Mehrheit der Bürger seit vielen Jahren wünscht: Für schwer kranke Menschen, die bei vollem Bewusstsein sind, soll es einfacher werden, das eigene Leben zu beenden." Und bringt Ulrich Greiner nicht ein unbotmäßiges Pathos in die Diskussion ein, wenn er in Absehung von der nüchternen und ernüchternden "Sterbekultur" in Deutschland den Schriftsteller Reinholf Schneider zitiert: "Der Selbstmord - scheinbar das persönlichste, nur gegen das Ich gerichtete Vergehen - ist in Wahrheit nicht auf das Subjekt beschränkt. Alles Leben ist eins; der sein eigenes Leben nicht achtet, verletzt das Leben überhaupt."
Vernunft ist immer nur die eine Vernunft! Es ist frappierend, wie Niejahr und Greiner argumentativ Geschütze in Frontstellung bringen, um sie gegeneinander zu verwenden, obwohl sie im Kern große Übereinstimmung signalisieren: Niejahr: "Kranke sind in der Hand von Medizinern, die von Fall zu Fall entscheiden, ob und wann beispielsweise eine Magensonde entfernt oder eine Morphiumdosis hochgefahren wird, um das Ende einzuleiten." Greiner: "Die Kehrseite des medizinischen Fortschritts zeigt sich darin, dass manche Kranke länger leiden als ehedem und dass irgendwann der Wunsch entsteht, dem ein Ende zu setzen." Ulrich Greiner betont, dass hier allein der Wunsch des Patienten gelten darf. Elisabeth Niejahr stimmt hier überein und fordert, für diese Menschen wäre mehr Entscheidungsfreiheit über den eigenen Tod ein Fortschritt. Worüber um Himmels Willen sind die beiden denn uneins?
Das zentrale Argument Greiners bezieht sich auf einen durch eine Liberalisierung der Sterbehilfe zu befürchtenden Dammbruch: "Wer für eine Liberalierung eintritt, sollte bedenken, dass sie unweigerlich als Signal wirken müsste. Der Staat, Hüter des Lebensrechts, würde ein Tor öffnen, von dem niemand wissen kann, was da zukünftig hereinkäme." Greiner weist auf demografische Entwicklungen hin, die belegen, dass gegenwärtig etwa 600 000 Menschen in Deutschland leben, die älter als 90 Jahre sind - 2060 würden es mehr als 3 Millionen sein: Da entsteht ein Leidensdruck und auch ein Kostendruck, dem eine erleichterte Sterbehilfe entgegenkäme. Die liberaleren Gesetze in anderen Ländern, die manche als Vorbild preisen, zeitigen eine steigende Anzahl von Menschen, die den Weg der Tötung auf Verlangen gehen." In Würde zu sterben sei jedermanns Recht: "Doch - so die rhetorische Schlussfrage Greiners - liegt die größere Würde nicht darin, sein Schicksal anzunehmen, als es zu beenden?"
Die zentrale Argumentation Elisabeth Niejahrs geht an dieser Stelle den Weg einer umfassenden Beschwichtigung. Sie greift Greiners Argument auf, durch eine Liberalisierung der Sterbehilfe könnte der Selbstmord "gesellschaftsfähig" werden; schließlich setze man damit Alte und Kranke unter Druck - und gleichermaßen die Angehörigen, deren Gleichgültigkeit, Überforderung oder Habgier damit ein weites Handlungsfeld (er)öffne: "Zum Glück haben all diese Horrorszenarien eines gemeinsam: Sie widersprechen den Erfahrungen mit vergleichbaren Gesetzen. Die Parlamentarier dürfen sie deshalb bei ihren Beratungen ruhig ignorieren." Man müsse schon ein sehr negatives Menschenbild haben, um zu vermuten, dass liberale Gesetze grundsätzlich die schlechtesten Reflexe der Menschen provozieren.
Sehr viel nüchterner und klarer (aber auch ein wenig schnoddrig) im Blick auf gesellschaftliche Phänomene fordert Elisabeth Niejahr die grundsätzlichen Bedenken gegen eine Liberalisierung der Sterbehilfe mit faktischen Entwicklungen und Bedürfnissen in einer des Todes verlustigen Gesellschaft zu konfrontieren:
- Suizide von verzweifelten Kranken und Alten verhindere man nicht durch Verbote, sondern durch Offenheit, Mitgefühl und gute medizinische Betreuung: "Das schlimmste Problem alter Menschen ist nicht der körperliche Schmerz, sondern die Einsamkeit." Ein Wandel im Umgang mit Tod, Sterben und Trauer im Sinne eines lebendigen memento mori sei allerdings an Bedingungen und Voraussetzungen genknüpft:
- "Gutes Sterben kann man lernen. Die Begleitung Sterbender ebenfalls." Eine "traumatisierte Generation", deren Kindheit und Jugend zentral mit der Erfahrung von Krieg verbunden sei, falle der Gedanke an das Sterben besonders schwer: "Sie schauen krampfhaft weg, wenn es angemessen wäre, sich für Hochaltrige, ihre Erfahrungen oder auch ihr Leid zu interessieren." Elisabeth Niejahr empfiehlt "einige Ängste abzuschütteln."
Mit Verlaub und bei allem Druck - auch im jouralistischen Wochengeschäft - wäre hier in der Formulierung nicht ein wenig mehr Sorgfalt ratsam gewesen? Es sind schließlich die Angehörigen der Kriegsgeneration gewesen, die zwischen 1920 und 1940 Geborenen, die ihre Angehörigen zu Hause gepflegt und betreut haben. Der radikale und rasante Prozess der Insititutionalisierung (Sterben in Krankenhäusern, Altenheimen und Hospizen) ist das Signum der letzten 20 bis 30 Jahre. In einer flexibilitäts- und mobilitätsabhängigen bzw. -versessenen Gesellschaft war das "Outsourcing" all dessen, was mit Pflege, Betreuung, Sterben, Tod und Trauer zusammenhängt, eine zwangsläufige und folgerichtige Konsequenz. Die Bundetagsdebatte von heute (13.11.14) hat diesen Aspekt moderner Gesellschaft zu wenig thematisiert. Kann schon dem Wunsch der meisten Menschen, zu Hause sterben zu wollen, nicht entsprochen werden, offenbaren die Bedingungen professioneller Pflege immer mehr die zeit- und emotionsbezogenen Defizite einer ökonomisierten Gesellschaft. So liegt in der Herstellung und Gewährleistung angemessener Bedingungen in der Pflege und Begleitung Sterbender eine enorme Herausforderung, von der sich nicht einmal ahnen lässt, wie sie gelingen soll. Und wir sollten statt des Phatos von der Unantastbarkeit der Würde den würdelosen Umgang mit Sterbenden im Sinne der Schlussbemerkung von Elisabeth Niejahr noch einmal auf uns wirken lassen.
"Werden heute Hospize in Wohngegenden gebaut, protestieren regelmäßig Anwohner. Oft behaupten sie, sie könnten oder wollten den Anblick von Leichenwagen nicht ertragen. Das kann man aber von mehr Menschen erwarten - und mit der gleichen Forschheit einfordern, mit der Eltern Toleranz für Kinderlärm verlangen. Der Tod gehört nun einmal zum Leben."
Aber da wir nicht wissen, was der Tod wirklich bedeutet und was das Jenseits vom Diesseits letztlich unterscheidet, sollten wir uns wenigstens mit Georg Ringsgwandl noch einmal vergewissern:
Da oane trinkt aus der Moccatass, da anda ausm Humpn,
da oane geht in Seide, da anda geht in Lumpn,
da oane, der frisst hartes Brot, da anda Kaviar,
da oa fährt mit dem Radl, und da anda Jaguar,
doch den derf er net mitnehma,
naa, den derf er net mitnehma,
und er winselt zwar zum Deife,
und er jammert zum liabn Gott,
doch der sagt: hey, net mitnehma!
Und was würdet ihr mir wohl alle entgegenhalten, wenn ich im Sinne einer Pädagogik der Bewährung (statt einer der Bewahrung) anregen würde:
Ein jeder sollte
- in seinem Leben - in seinem aufbrechenden Leben - wenigstens einen Toten gesehen haben;
- Sterbende im familiären Umfeld begleiten (wollen und können). Wie Elisabeth Niejahr zu Recht bemerkt: Das kann man lernen;
- einen Toten berührt und vorbereitet haben auf seinen letzten Gang, vor allem nahe Verwandte im Sinne von Großmutter, Großvater, Mutter oder Vater oder auch Geschwistern (wenn die Umstände es so erzwingen);
- sich - im Sinne des memento mori - Gedanken machen über seine eigene Endlichkeit und seine Einstellung zur Sterbehilfe;
- etwas wissen über die Möglichkeit der Patientenverfügung;
- sich Gedanken darüber machen, wie er ggf. (und der Fall kommt) das Sterben seiner Liebsten begleiten kann;
- und in welcher Form er von seinen Liebsten im eigenen Sterben begleitet werden möchte;
Das Sollen hört sich nach erzieherischem Anspruch an. Mir persönlich wäre es natürlich lieber - und es würde mich auch mehr überzeugen - wenn sich das Sollen zu einem Wollen wandelte, denn einer Zumutung wird jemand nur standhalten, wenn sie sich auf Zutrauen gründet. Wir können uns etwas trauen und auch zutrauen!
Obwohl:
Du kannst technisch fit sein, zum Beispiel Ingenieur,
oder Menschenkenner, Psychologe oder Friseur,
Hey, du kannst ein Popstar sein mit drei goldenen LP,
oder Fernsehquizmaster mit einem teuren Toupé,
doch des derfst du net mitnehma,
naa, des derfst du net mitnehma,
winselt zum Deife,
winselt zum liabn Gott,
und der sogt: Na, net mitnehma!