<<Zurück

 
 
 
 

(Paar-)Therapeuten im "Interview"

Aus dem Blickwinkel des beginnenden neuen Jahrtausends habe ich mir die Schriften renommierter (Paar-)Therapeuten vorgenommen und sie in dialogischer Manier - unterstützt durch mein alter ego Adrian Nemo "zum Sprechen" gebracht. Folgende Quellen liegen den "Interviews" zugrunde: Arnold Retzer: Systemische Paartherapie Konzepte - Methoden - Praxis, Stuttgart 2004; David Schnarch: "Sexual Crucible": Im Schmelztiegel der Sexualität, in: Familiendynamik, 2/04, S. 101-120; Michael Mary: 5 Lügen die liebe betreffend, Hamburg 2001; Ders.: 5 Wege die liebe zu leben, Hamburg 2002; Wolfgang Schmidbauer: Die heimliche Liebe - Ausrutscher, Seitensprung, Doppelleben, Hamburg 1999; Julia Onken: Geliehenes Glück - Ein Bericht aus dem Liebsalltag, München 1991

Die folgenden „Interviews“ sind jeweils eine Auskopplung aus dem Buch: „Kopfschmerzen und Herzflimmern“.

Von der Liebesbeziehung zur Partnerschaft? - Arnold Retzer im "Interview"

Adrian:   Ausgangspunkt des hier wiedergegebenen Gesprächs war mit Roland Barthes der Versuch, sich dem Verliebten zu nähern, herauszufinden, was ihn so besonders macht und welche Perspektiven er in einer postmodernen Gesellschaft hat. Roland Barthes gesteht dabei ein, dass auch der Verliebte eigentlich immer danach strebt, ein Paar zu bilden: „Ich glaube, das Paar bildet immer den Horizont“ – so seine Formulierung. Welchen Fragen gehen Sie in Ihrem Buch nach?

Arnold Retzer:   Grundsätzlich zunächst einmal der Frage, wie in Paarbeziehungen Entwicklungen zustande kommen, die nicht selten in Haß, Verzweiflung und Elend enden. Und in welcher Situation befinden sich Paare, die sich auf das Abenteuer einer Paartherapie einlassen?

Adrian:   Können Sie resümierend – sozusagen in einem Überblick – deutlich machen, welche situativen Ausgangspunkte eine Paartherapie „begünstigen“?

Versuch über die Liebe - Alain de Botton im "Interview"

Auf der Bühne des Café Hahn ist ein großes französisches Bett aufgebaut. Adrian Nemo und Alain de Botton haben es sich auf diesem Bett bequem gemacht:

Adrian:   Lieber Alain de Botton, zunächst einmal herzlichen Dank, dass Sie sozusagen eine Zwischenlandung arrangieren konnten. Ich weiß, dass Sie wenig Zeit haben. Ihr Taxi steht schon bereit. Ich habe den Schwiegervater eines guten Freundes gewinnen können – einen ehemaligen Testfahrer bei Porsche –, er wird Sie gleich zum Flugplatz Hahn fliegen, pardon fahren, so dass Sie hoffentlich pünktlich zu Ihrer nächsten Verabredung kommen werden.

A. de Botton:   Vielen Dank, ich finde das sehr aufmerksam und sehr entgegenkommend von Ihnen. Ich hatte Ihnen ja fernmündlich schon mitgeteilt, dass es mich wieder einmal erwischt hat und dass ich noch in der Nacht in Zürich sein muss. Aber das mit dem Bett wäre doch nicht nötig gewesen. Ich fühle mich durchaus frisch und fit.

Die heimliche Liebe – Wolfgang Schmidbauer im "Interview"

Adrian:   Lieber Wolfgang Schmidbauer, im Klappentext Ihres Büchleins über die „Heimliche Liebe“ lassen Sie uns wissen, dass das Zusammenleben oft die Erotik gefährde und in den Ehetrott abgleite; heimliche Liebe sei häufig der Versuch, wenigstens einen Teil der freien, heiteren, spielerischen Verliebtheitsanfänge zu retten, ohne die Hauptbeziehung (den Ernst des Lebens) zu erschüttern.

W. Schmidbauer:   Ja, unbeschränkte Wahrhaftigkeit, das zeigt sich schnell, ist auch im Zusammenleben moderner, psychologisch gewitzter Partner ein himmlisches Ideal, aber kein gangbarer Weg, um auf Erden – im Alltag – eine gute Beziehung zu haben.

Adrian:   Sie entwickeln Ihre Gedanken zur „Heimlichen Liebe“ in einem schmalen Büchlein, das doch immerhin 157 Seiten umfasst. Aus Zeitgründen bleibt uns hier nur der Versuch, einige Ihrer Kerngedanken und Hypothesen anzusprechen. Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, die Symbiose mache den Partner zu einer Provinz des eigenen Bewusstseins?

"Sexual Crucible" (Im Schmelztiegel der Sexualität) - David Schnarch im "Interview"

Adrian:   Sehr geehrter David Schnarch, Ulrich Clement, einer der Herausgeber der Familiendynamik, stellt Sie im Editorial, das er schlicht mit dem Interrogativ „Sex?“ versieht, als einen der gegenwärtig „richtungsweisenden Sexualtherapeuten“ vor. Allerdings betont er – und dies scheint nun in der Tat nicht selbstverständlich –, dass Sie mit ihrem „Sexual-Crucible-Ansatz Sexualtherapie als Intimitätstherapie“ verstehen. Beim Lesen Ihres Aufsatzes fiel mir auf, dass Sie Ihren Beitrag sehr pointiert mit Hinweisen zu einem durchaus bemerkenswerten Begriff von Intimität abschließen.

David Schnarch:   Ja, die meisten Menschen verwechseln Intimität mit Zusammengehörigkeit und Nähe und erkennen nicht das inhärente Paradoxon der Intimität.

Adrian:   Worin besteht Ihrer Auffassung nach dieses „Paradoxon der Intimität“?

5 Lügen die Liebe betreffend - Michael Mary im "Interview"

Adrian:   Last but not leastMichael Mary. In unserer Gesprächsreihe „Talk im Hahn“ darf ich Sie vorstellen durchaus als jemanden, der sich in einigen Grundpositionen unterscheidet vom Therapeuten-Mainstream. Sie sind 1953 geboren, sind verheiratet und leben in der Nähe von Hamburg. Seit 1979 schon führen Sie Paar- und Einzelberatungen durch. Die den meisten Paaren vertraute Erfahrung, dass sich sexuelle Leidenschaft in ihrer Partnerschaft abkühlt oder sogar ganz daraus entschwindet, sehen Sie in einem deutlichen Widerspruch zu den Idealvorstellungen von Ehe und Zweisamkeit. Im Klappentext Ihrer 2001 im Hoffmann und Campe Verlag erschienenen und breit beachteten Veröffentlichung „5 lügen die liebe betreffend“ werfen Sie vielen Ihrer Kollegen, aber auch Theologen und Wissenschaftlern vor, die Schuld fürs Scheitern von Beziehungen „unisono den Partnern zu unterstellen und ihnen damit das Gefühl zu geben, sie hätten versagt“. Mit zweifelhaften Rezepten, die sich hinter Begriffen wie „Beziehungsarbeit“ oder „gestaltbarer Sexualität“ verbergen, richteten sie gewollt oder ungewollt Schaden an: „Bindung und Begehren als Widerspruch“ markiert eine Ihrer zentralen Ausgangsthesen.

Drei Farben Rot: Eros meets Philia und Agape - Julia Onken im "Interview"

Adrian:   Liebe Julia Onken, ich habe inzwischen einige Interviews geführt; mit David Schnarch, Arnold Retzer; ich habe die Apologie der Liebe von Roland Barthes begleitet, die analytischen, systemtheoretisch inspirierten Einwürfe und Hinweise von Niklas Luhmann und Peter Fuchs mit Interesse vernommen. Ich habe fasziniert die Ideen von Susanne Gaschke angehört. Mit Alain de Botton habe ich einen nüchternen Liebesromantiker vors Mikrofon bekommen. Ich bin nun sehr erfreut, dass Sie für ein Gespräch Zeit finden. Mit Ihnen möchte ich eine Passage aus Ihrem Buch „Geliehenes Glück – Ein Bericht aus dem Liebesalltag“ erörtern; eine für mich hochinteressante Passage, in der Sie in die Liebessemantik die den alten Griechen eigene Unterscheidung von „Eros“, „Philia“ und „Agape“ einführen. Aber vorher möchte ich mich entschuldigen für die ungebührliche Einführung in dieses Büchlein, die mein Mitherausgeber Ihnen hat angedeihen lassen. Ich finde es ziemlich despektierlich, Sie mit drei Hunden auftreten zu lassen, die sinnigerweise für Eros, Philia und Agape stehen sollen (wer dazu mehr erfahren will, kann sich das Kapitel in "Kopfschmerzen und Herzflimmern" im Gesamtkontext ansehen). Aber sei’s drum. Warum halten Sie diese Unterscheidung denn überhaupt für sinnvoll?

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund