Sollen Lehrer bloggen?
In der Ausgabe der Pädagogik (2/16, S. 48f.) gehen Lisa Rosa und Jochen Schnack unter der Rubrick "Kontrovers" der Frage nach, ob Lehrer bloggen sollten. Jochen Schnack, Redaktionsmitglied der Pädagogik, weist zu Beginn seiner Ausführungen darauf hin, dass es - trotz intensiver Suche - nicht gelungen sei, einen Autor zu finden, der bereit war einen Beitrag gegen das Bloggen zu verfassen. So fasst Schnack gewissermaßen stellvertretend Argumente zusammen, die immerhin bei der Recherche mit möglichen Autorinnen und Autoren zu hören waren.
Ich konzentriere mich auf Lisa Rosas Begründung fürs Bloggen "in sieben Schritten":
- Lisa Rosa betont, dass Lernen und Lehren Tätigkeiten seien, "die in ganz besonderem Maße von Kommunikation abhängen. Einmal abgesehen davon, dass eine Klärung der Frage "Was ist Kommunikation" weit über die Beschäftigung mit Watzlawicks Kommunikationsaxiomen oder mit dem Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun hinausgehen müsste, lassen wir diese klärungsbedürftige Prämisse einfach einmal stehen.
- Rosa geht davon aus, dass Lehrer das Lernen in zweifacher Art als Anforderung in ihre Professionalität eingeschrieben hätten. Sie müssten sich um das Lernen ihrer Schüler kümmern, und sie müssten sich um ihr eigenes Lernen kümmern: "Letzeres ist ein notwendiges Erfahrungsfeld für ihr Verständnis davon, 'wie Lernen geht'. Es ist das Modell, das der Lehrer seinen Schülren vorlebt."
- Dieses Lernmodell könne nicht schlicht in einer Fortschreibung des "Lernens wie früher" aufgehen. Jede Epoche entwickle ihren eigenen Begriff davon, was Lernen für bedeute und "wie man es richtig macht".
- Kulturelle Umbrüche erforderten eine Auseinandersetzung mit der Frage, was zeitgemäßes Lernen und Lehren bedeute.
- Lisa Rosa versucht nunmehr eine Zufammenfassung der "aufkommenden Merkmale des Lernens im 21. Jahrhundert: Lernen sei lebenslang und reflexiv. Sie nennt als "die wichtigsten Fähigkeiten": Kreativität - verstanden als "Haltung des Experimentierens und Erfindens von neuen Problemlösungen" sowie die Fähigkeit kritisch zu denken - im Sinne eines unabhängigen, aber an den Anforderungen und Prozeduren wissenschaftlichen Denkens ausgerichtet. Kollaborative Vernetzung wird von Lisa Rosa betont. Lernen sei nicht mehr nur bedeutsam als "de-kontextualisiertes, systematisches Lernen in formell gefassten Strukturen", sondern gewinne zunehmend an Bedeutung als "situiertes Lernen in informellen Netzen". Sie spricht von "wildem Lernen" in selbststeuernden, nicht kontrollierbaren Gruppen.
- All dies erfordere eine Praxis kontinuierlichen professionellen Erfahrungsaustauschs mit möglichst vielen Kollegen. Dies wiederum sei eine überlebensnotwendige Voraussetzung, "um die immer kompliziertere und in der Umbruchszeit immer widersprüchlicher werdende Alltagsrealität eines Lehrers aushalten und Lösungen für eine Vielzahl neu auftauchender Probleme entwickeln zu können".
- Schließlich brauche es zur Kommunikation Medien. Die digitale Vernetzung sei die Struktur der Wahl.
Mit ihrem siebten Schritt markiert Lisa Rosa für mich den zentralen Mehrwert ihrer Argumentation: Mit einem Blog könne der Lehrer z.B. seine Arbeit reflektieren, Material aus dem Internet sammeln, seine Reflexionen, Materialsammlungen und selbst erstellten Materialien mit anderen teilen und deren Reaktionen einholen und weiterverarbeiten.
Für mich beanspruche ich genau diesen Mehrwert: Im vorangehenden Abschnitt habe ich einmal exemplarisch Links gesetzt, die Aspekte einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit meinem professionellen Selbstverständnis und dafür wesentliche Aspekte belegen. Ich habe den Uni-bezogenen Blog-Anteil bewusst in meinen Gesamtblog integriert und lege großen Wert auf den Hinweis, dass fj-witsch-rothmund.de ein selbstfinanziertes und von der Uni vollkommen unabhängiges Unterfangen darstellt.
Ich stimme also Lisa Rosas Plädoyer zu. Die von Jochen Schnack zusammengestellten - aber offensichtlich nicht von ihm vertretenen - Argumente, erscheinen nicht nur unzeitgemäß, sondern partiell dümmlich und jenseits aller Professionalitätserfordernisse. Wer würde wohl der These zustimmen, dass es nicht zu den Aufgaben eines Lehrers gehöre, "sich öffentlich mit seinem Beruf und dessen Ausübung auseinanderzusetzen". Schule und Unterricht stellten einen "geschützten Raum" dar, der nicht über einen Blog in die Öffentlichkeit gezogen werden dürfe. Gerade weil er ein geschützter Raum bleiben soll, gehört die Auseinandersetzung um seine Bedingungen und die Professionaliät der dafür Verantwortlichen in den Diskurs!