<<Zurück

 
 
 
 

Hildes Geschichte - Franz, der Bigamist

Franz hatte in den letzten 2 ½ Jahren viele seiner Kameraden sterben sehen, und manchmal kam es ihm unwahrscheinlich bis unwirklich vor, dass er selbst überhaupt noch lebte; genauso unwirklich, wie die Auseinandersetzung und Konfrontation mit den zwei Wirklichkeiten, die sich Zug um Zug ausfransten – fast 1000 km voneinander entfernt und mehr als 2000 km weit weg von ihm; aber spurenmächtig und offensichtlich folgenreich bis ins nächste Jahrtausend.

Und Franz wird der Intuition gefolgt sein, mit der viele Frontsoldaten, die Familien zu Hause - ihre Liebsten – verschonten mit dem, was kaum in Worte zu fassen war und das allemal dazu geeignet war, den Weg in eine andere, so sehr herbeigesehnte Welt des Friedens und der Liebe zu verstellen: „Schreibe nichts Mutti“ – so zitiert Uwe Timm mehrfach aus dem Kriegstagbuch seines im Oktober 1943 in der Ukraine mit 19 Jahren gefallenen Bruders. Und die Unterschiede in den Briefen seines Bruders an Vater und Mutter hervorhebend schreibt Uwe Timm:

„Was er der Mutter schreibt, was er dem Vater schreibt und was er in dem Tagebuch festhält. Es sind unterschiedliche Dosierungen vom Kampfbericht. Beide, Vater und Sohn, waren übereingekommen, der Mutter nicht zu schreiben, daß er schon im Einsatz war, sie also zu schonen.“

 

Ähnlich beschreibt es Willy Peter Reese:

„Am schwersten liegt dann der Gedanke an meine liebe Mama auf meiner Seele. Sie verzeiht, aber ob sie begreift? Die Mütter kennen ihre Kinder doch so wenig! Wir dürfen ja nur in ganz wenigen Stunden richtige Menschen sein, wir sind an schonendes Verschweigen gewöhnt.“

Ende Dezember 1941

„Mein liebes Hildchen,

nach einem unruhigen Weihnachtsfest haben wir inzwischen neue, winterfeste Quartiere bezogen und sind ganz Herr der Lage. Auch der Russe stößt bei mehr als 20 Grad minus an Grenzen. In meinem kurzen Brief vom Ende November habe ich Dir ja schon geschrieben, wie überrascht und freudig ich die Nachricht aufgenommen habe, daß Du eine Ursula möchtest. Ich möchte Dich da nur bestätigen, denn „Ursula“ – so war der Deckname für das Einrücken in die Winterstellungen – hat uns in den letzten Tagen ein wenig mehr Ruhe verschafft. So denke ich mit einem guten, warmen Gefühl an „Ursula“. Ich bin so gespannt, ob es tatsächlich ein Mädchen wird. Wenn ich Glück habe, wird meinem Urlaubsgesuch bald stattgegeben. Halte durch und lasse Dich nicht beirren. Ich weiß, dass es schwer ist für Dich, so jung Du bist – und so alleine, nur mit Änne. Wenn es in diesem verfluchten Land doch nur Wege und Straßen gäbe – wir wären längst in Moskau und der Krieg wäre zu Ende. Aber es hilft ja nichts; mit dem neuen Jahr nehmen wir einen neuen Anlauf und alles wird gelingen. Soeben gibt es Alarm und ich muß Schluß machen.  

Sei tapfer und warte auf mich, mein Hildchen,

     Dein Dich liebender Franz

 

Mit der gleichen Feldpost ging Anfang Januar 1942 ein Brief nach Mistelbach in Österreich, in dem Franz seinen baldigen Besuch ankündigte, sich um Gert und seine Lieben sorgte, Gerda seiner Liebe versicherte in der Hoffnung bald wieder zu Hause zu sein.

Kann man sich diesen Balanceakt überhaupt annähernd vorstellen bei einem Handwerker des Krieges?! Was alles gerät in diesem Sonderfall auf welche Weise aus den Fugen? Stolpert Franz sehenden Auges in ein heilloses Dreiecksverhältnis, bei dem er die Konstante und die beiden Frauen die Variablen sind? Hat Franz sich bereits weit von einer kleinbürgerlichen Moralvorstellung entfremdet und kann möglicherweise einen Gedanken zulassen, in dem jedes Kind ein Kind für den Führer ist“?!

Hier geht's weiter!

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund