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Benedikt Bösel: Rebellen der Erde - Ein Haufen Idealisten oder wie das Universum mein Team baut und: Wie wir arbeiten in Richtung Agroforst oder die Kunst, Ökosysteme auferstehen zu lassen (VI)

 

Wasser

Die Dürren immer weniger Wasser:  Kapitel III und IV: Die Dürren – immer weniger Wasser und: Der Boden – immer weniger Humus 

In Benedikt Bösels Rebellen der Erde ist auf Seite 37 zu lesen:

"Die Aquiferen, die großen Grundwasserleiter in den Tiefen der Erdkruste, sind die Arterien des Plenten. Und Arterien anzapfen hört sich instinktiv erst mal komisch an. Forscher der University of California kamen schon 2015 in einer Studie zu der Erkenntnis, dass etwa ein Drittel der globalen Grundwasserleitungen übernutzt sind; besonders in Indien, Saudi-Arabien und Nordafrika. Was uns droht, wenn wir uns demnächst unter ähnlichen klimatischen Bedingungen über das Grundwasser hermachen, ist also mit einem Blick in die Subtropen schon jetzt abzusehen: >Angesichts der Geschwindigkeit, mit der wir die Grundwasserreserven der Erde plündern, brauchen wir eine koordinierte globale Anstrengung, um herauszufinden, wie viel uns noch bleibt<, warnte damals Studienleiter Jay Famiglietti. Denn verlässliche Daten darüber, wie viel Wasser noch in den Aquiferen ruht, gibt es nicht."

Klickt man den obigen Link Wasser an und schaut sich die Dokumentation auf Arte an, gewinnt man einen recht präzisen Einblick nicht nur in die drohenden Wasserknappheiten - man gewinnt gleichermaßen Einblick in die bereits stattfindenden Konflikte und Migrationsbewegungen, die mit Wassernot einhergehen. Die Arsch-auf-Attacken eines Hubert Aiwanger und die populistische Schelte mit Blick auf das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) nehmen sich dagegen aus wie die Ergüsse jemandes, der mit dem Arsch denkt und den Kopf in den Sand steckt; in den Sand im Übrigen, der sich in den Dürreregionen dieser Welt zunehmend ablagert wie Plaques in den Hirnen von Aiwanger, Söder und - selbstredend in den Resthirnen der Klima-Wandel-LeugnerInnen in der Alternative für Deutschland (hier weitere Hinweise zu themenbezogenen Dokus auf Arte).

Und nun zu Kapitel VI:

Agroforst und Vielfalt - Bleibefreiheit und Gesundheit

Gegenwärtig versuche ich mich auf Benedikt Bösels Ausführungen zur Idee des Agroforsts zu konzentrieren. Auf Seite 77 bietet er eine erste Skizze an, die die synergetischen Zusammenhänge in der Vorgehensweise erahnen lassen:

"Die positiven Effekte eines Agroforstsystems sind atemberaubend. In einem Satz: Agroforst bringt die Lebendigkeit zurück! Mit dem Pflanzen und Säen der richtigen Artengemeinschaften bauen wir Stück für Stück die Vielfalt im Boden wieder auf. Symbiosen bilden sich zwischen Wurzeln, Mikroorganismen und Bodentieren. Die Biomasse der Pflanzen, die nie das Feld verlässt, sondern als Mulch auf dem Boden liegen bleibt, beschleunigt den Aufbau dieser vor Leben strotzenden Humusschicht. Oberirdisch bildet die Vielfalt der Grünstreifen dauerhafte Habitate aus, die auf die Artenvielfalt der Tierwelt einzahlen. Sie bieten Lebensräume und Rückzugsorte für Wild, Vögel, Amphibien, Reptilien, Spinnen und Insekten, die sich in die neu entstandenen Kreisläufe eingliedern. Enorm sind aber auch die Vorteile für den Acker zwischen den Agroforststreifen. Oberhalb der Erde bremsen die Linien der Wind und werfen Schatten. Damit schützen sie gerade in den Dürresommern vor Erosion und Austrocknung. Unterhalb der Erde verbessern sie die Fähigkeit des Bodens, den weniger werdenden Regen zu speichern. Die Baumwurzeln sind sogar imstande, das tief liegende Grundwasser förmlich nach oben zu pumpen und es so für das Getreide oder das Weideland verfügbar zu machen. In den niederschlagsreichen Jahreszeiten sowie bei sommerlichen Starkregen sind intakte Agroforstböden in der Lage, Wasser schnell aufzunehmen, den Oberflächenabfluss zu vermindern und die Auswaschung von Mikroorganismen und Nährstoffen zu verhindern."

In 10 Arbeitsschritten wird die Anlage eines sogenannten Agroforsts beschrieben. Die Logik drängt sich auf - insbesondere bezogen auf die ganz besonderen Herausforderungen in einer der trockendsten Regionen Deutschlands. Ich kann das 2022 erreichte Stadium des ersten mit Hilfe von Ernst Götsch angelegten Agroforsts aus der Mäusebussardperspektive nachvollziehen (Seite 78): 18 Pflanzstreifen sind deutlich zu erkennen, jeweils unterbrochen von schmalen Agroforststreifen. In denen werden nach entsprechender Vorbereitung (auf Seite 82-88 exakt dokumentiert) Rinnen gezogen und Walnüsse und Haselnüsse eingelocht. Ich kann und will die im Buch transparent nachvollziehbare Vorgehensweise hier nicht im Einzelnen wiedergeben, sondern in einem weiteren Schritt gewissermaßen die ökosystemischen und salutogenetischen Effekte und Konsequenzen ansprechen. Dazu gehört zunächst einmal die Vision Benedikt Bösels in ihrer praktischen Umsetzung nachzuvollziehen:

"Ich habe immer eine sehr konkrete Vorstellung von dem, was ich erreichen möchte, und insbesondere davon, wie dieses >Erreichen< dann auch aussieht, welche Ästhetik, welche Ausstrahlung, welche Stimmung über meine Vortellung erreicht werden könnte [...] Agroforstsysteme sind eine wahnsinnig schöne Form, den Naturraum mitzugestalten. Ich habe mir schon früh vor meinem geistigen Auge vorgestellt, wie unsere Äcker später aussehen würden, wie es wohl sein würde, wenn ich hier in einigen Jahren hindurchlaufe, es miten im Sommer plötzlich kühl und feucht wird und die Vögel, aufgeschreckt durch meine Schritte, in alle Richtungen ausschwärmen." Auf den Seiten 93 und 219 nehmen diese Visionen erste Gestalt an!

Salutogenetische Synergieeffekte hier zu bemühen, ist alles andere als weit hergeholt. So verwundert es denn auch nicht, dass Renke de Vries diese Zusammenhänge auf überzeugende Weise herstellt (er arbeitet auf Gut Madlitz als Agroforst-Manager). Er, der bei Ernst Götsch in Brasilien gelernt hat, beschreibt seine Erfahrungen folgendermaßen:

"Syntropische Systeme - also auch Agroforstsysteme - können für einen Imagewechsel sorgen. Sie bilden wahnsinnig schöne, ästhetische, lebendige, energetische Landschaften, in denen es Spaß macht, sich zu bewegen, auch wenn man hart arbeitet. Ich glaube, dass viele der psychischen Krankheiten daher kommen, dass wie diese Anbindung an die Natur und die Interaktion mit der Natur gar nicht mehr haben."

Viele von uns leben genau so - wir glauben, vereinfacht gesagt, dass Tomaten und Äpfel, ja unser Gemüse und unsere alltäglich konsumierten Lebensmittel würden im Supermarkt wachsen. Die meisten haben den Kontakt zur Natur verloren. Viele bewegen sich in klimatisierten Autos und Arbeiträumen. Dabei könnte schon das Pflegen und Bestellen einer kleinen Gartenparzelle eine konkrete Vorstellung davon vermitteln, was eine gesunde Ernährung bereits heute radikal beeinträchtigt. Wer einmal - im Dürresommer - eine Tomatenpflanze bis zur Ertragsreife herangezogen, gepflegt und bewässert hat, wird erstaunt sein, welch subtile Synergien und welch pflegerische Aufwand vonnöten ist, um irgendwann im Juli/August eine reife, schmackhafte Tomate verzehren zu können.