Drucken

Uwe Timm und Shila Behjat

haben nichts miteinander zu tun. Shila Behjat fragt im aktuellen SPIEGEL (38/25): "Wo habe ich versagt? Die Welt wird härter, autoritärer - und das sickert auch in die Familien ein. Warum es so schwer ist, Söhne zu Solidarität und Gerechtigkeit zu erziehen.

Wir alle haben versagt - wir alle versagen, sofern es uns nicht gelingt, die in Dirk Baeckers Gewalttraktat formulierten Trivialitäten zum allgemeinsten aller Allgemeinplätze zu machen. Niemand - auch der letzte Hartzer bzw. Bürgergeldempfänger bzw. Grundsicherungsbegünstigte und erst recht nicht gut situierte Hasardeure und geschichtsvergessene Flachpfeifen - darf in Frage stellen, was in jeder Autokratie, die nach innen und nach außen das Recht des Stärkeren praktiziert, immer schon zur Disposition steht bzw. stand: Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit! Uwe Timm lässt an diesem zivilisatorischen Minimum nicht den geringsten Zweifel gelten. Auch Shila Behjat lässt keinen Zweifel zu an ihrer grundlegenden Position:

"Wladimir Putin führt Krieg in Europa. Donald Trump destabilisiert die Weltpolitik. Beide sind nicht die Ursache, sondern Symptome des Backlash. Die Historikerin Anne Applebaum nennt diese Phase eine neue Ära ohne klare Ordnung, in der die >Pax Americna< Geschichte ist. Der Journalist Gideon Rachman beschreibt in >Welt der Autokraten<, wie autoritäre Führer weltweit im Aufstieg begriffen sind - nicht trotz, sondern wegen der großen Verunsicherung. Klimaschutz wird zurückgefahren, Frauenrechte stehen wieder zur Disposition. Begriffe wie >Meinungsfreiheit< werden instrumentalisiert, um Hass und Ausgrenzung zu legitimieren. Moral ist nicht mehr Kompass - sie ist Schlachtfeld."

Im Mittelpunkt von Shila Behjats Debattenbeitrag stehen die Begriffe Solidarität und Gerechtigkeit. Dabei hangelt sie sich an den Widersprüchen entlang, die sie als Mutter zweier Söhne mit Blick auf deren Durchsetzungsvermögen und Gefährdungen in einer Welt zunehmender Unsicherheit und Orientierungslosigkeit begleiten:

"Mein älterer Sohn gilt als verständnisvoll, empathisch, kooperativ, so melden es seine Lehrer zurück. Gemessen an meinen Standards bin ich mir selbst in meiner Erziehung treu geblieben. Aber inzwischen ertappe ich mich dabei zu denken: Habe ich ihn damit zum leichten Opfer in der neuen >Manosphere< gemacht? [...] Gerechtigkeit im Kleinen bedeutet, den Sohn nicht auf den sichersten, sonder auf den ehrlichsten Weg zu schicken - und das ist viel schwerer, als es klingt. Denn nur so lässt sich verhindern, dss die großen Krisen dieser Welt nicht ungebremst in den Alltag durchsickern. Der kritische Umgang mit dem eigenen Verhalten muss ein Gradmesser dafür sein, wie man sich die Welt wünscht. Das wird keinen Donald Trumps stoppen und auch nicht verhindern, dass Finnland womöglich von Putin angegriffen wird. Aber es ist der einzige Weg, Kindern mitzugeben, wie sie es wirklich besser machen können."

Uwe Timm wollte es besser machen, hat es besser gemacht. Ich spanne den Bogen zwischen der 1982 geborenen Shila Behjat und Uwe Timm, weil ich (Jg. 1952) versucht bin, Jungenerziehung immer und immer wieder zu verwahren vor allen Männlichkeitsattitüden und -manien. Ein Lehrstück, das ich gerne allen Heranwachsenden nahelegen möchte, hat Uwe Timm mit der autobiografischen Schrift: Am Beispiel meines Bruders (Kiepenheuer & Witsch - Köln 2003) vorgelegt. Ich wage einmal den Versuch, die Essenz dieser 159 Seiten in der größtmöglichen Verknappung wiederzugeben:

in progress