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Gewalt

Dirk Baecker hat am 18. Januar 2005 in die tageszeitung einen Beitrag veröffentlicht - überschrieben schlicht mit dem Begriff Gewalt. In vielen Beiträgen habe ich mich mit Carl Schmitt und seiner epochmachenden Schrift: Der Begriff des Politischen (Berlin 1932) auseinandergesetzt. Schmitt, auf den die programmatisch richtungsweisende Definition von Souveränität zurückgeht in dem Sinne, dass souverän derjenige sei, der über den Ausnahmezustand verfüge, reduziert Politik auf die binäre Konfiguration von Freund-Feind-Konstellationen, in deren praktischer Konsequenz sich jegliche legitimationsrelevanten Aspekte von Gewaltanwendung relativieren bzw. auflösen. Vor allem relativiert sich ein staatliches Gewaltmonopol in dem Sinne, dass es sich erst konsekutiv ergibt aus der Gewalt des Stärkeren. Bei Carl Schmitt wird ein durch Rechststaatlichkeit und Gewaltenteilung eingehegtes Gewaltmonopol obsolet. Genau hier setzt Dir Baecker an. Bei ihm ist zu lesen:

"Gewalt ist unverzichtbar, weil über die Androhung von Gewalt, nicht über ihre Ausübung, soziale Ordnung hergestellt wird. Die Ausübung ist nur nötig, damit anschließend glaubwürdig angedroht werden kann. Das ist der Kern jeder Politik, die Verhandlung darüber, wer wem welche Art vn Gewalt zur Aufrechterhaltung welcher Art von sozialer Ordnung glaubwürdig androhen kann. Und dies ist nicht etwa deswegen der Kern der Politik, weil sich jeder von überlegt, welchem Stärkeren er sich tunlichst unterwirft, bevor dieser zu unangenehmen Maßnahmen greift. Obwohl auch das richtig ist, sonst wäre wohl kaum jemand bereit, Steuern zu zahlen, seine Kinder einzuschulen und die Gesetze zu wahren. Sondern dies ist deswegen der Kern der Politik, weil die Androhung von Gewalt die Voraussetzung dafür ist, dass die soziale Ordnung für jeden von uns berechenbar wird. Politik ist die Kontrolle meiner nahen und fernen Nachbarn. Ich kalkuliere die Glaubwürdigkeit der Androhung von Gewalt, um abschätzen zu können, wie sehr ich mich darauf verlassen kann, dass ich mich einigermaßen sicher in öffentlichen Räumen bewegen und einigermaßen verlässlich meine privaten Räume vor Eindringlingen und Zugriffen schützen kann. Wir brauchen die Androhung von Gewalt durch die Politik, um uns gegenseitig an der Ausübung von Gewalt hindern zu können. Politik löst das Problem des unberechenbaren Dritten."

Damit wird der Begriff des Politischen nicht wie bei Carl Schmitt zum radikalen Recht des Stärkeren. Carl Schmitt verstieg sich mit weiteren programmatischen Auslassungen zu der irren Auffassung: Der Führer schützt das Recht und öffnete damit einer totalen Willkür- und Terrorherrschaft Tür und Tor. Die aktuellen Verschiebungen und Zuwendungen von irren Wählern zu autokratisch ausgerichteten Systemen ist allein deshalb schon unveständlich, weil strukturell in Rußland und aktuell in den Vereinigten Staaten von Amerika zu beobachten ist, dass sich die Bürger eben nicht mehr einigermaßen sicher in öffentlichen Räumen bewegen können  und erst recht nicht mehr davon ausgehen können ihre privaten Räume vor Eindringlingen und Zugriffen schützen zu können. In Rußland, in China herrscht Willkürherrschaft jenseits rechtsstaatlicher Traditionen, und in Amerika schaut die Mehrheit zu, wie ein Irrer eben jene Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltenteilung mit der Kettensäge traktiert.