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Wenn Du noch eine Mutter hast II

Ein Nachtrag

Von Putzerfischen und Schmeißfliegen "Viele Frauen sind zu leicht zu beeindrucken. Sie umschwirren die Männer wie Putzerfische den Hai" von Sabine Rückert (ZEIT 6/2016, Seite 50)

In ihrem Beitrag aus 2016 liest Sabine Rückert ihren Geschlechtsgenossinnen die Leviten. Ich greife von ihren zehn Punkten heute – am Muttertag – noch einmal den achten heraus. Selten habe ich das Bekenntnis zu einer (späten) Mutterschaft mit so viel Selbstironie und entwaffnender Ehrlichkeit wahrgenommen. Auch wenn Männer in ihrer nach wie vor ungebrochenen Hybris – nehmen wir Robert de Niro mit seinen fast 80 Lebensjahren zum Beispiel – in beträchtlicher Anzahl dafür sorgen, ihren verspäteten Kindern schon früh eine väterlich begründete und damit in allernächster Zukunft bereits verbürgte Halbwaisenschaft ins Stammbuch zu schreiben, halte ich es – auch als Mann – mit Sabine Rückert. Sie schreibt unter Punkt acht ihrer Abrechnung:

8. Zu Kindern gibt es keine Alternative

"Ich wollte nie ein Kind. Kinder gingen mir auf die Nerven. Alle Kinder fürchteten sich vor mir. Als ich 35 war, bezeichneten mich Freunde als 'mental unfruchtbar' und priesen das Glück meiner ungeborenen Kinder. Ich habe dann doch ein Kind bekommen, weil mein Mann unbedingt eins wollte. Dabei habe ich mein Herz verloren. Heute bin ich meinem Mann dankbar, dass er mir durch hartnäckigen Kinderwunsch unsere Tochter abverlangt hat. Wer ein Kind hat, muss sich von sich selbst verabschieden, den Blick vom eigenen Nabel erheben und in die Ferne richten. Das ist schmerzhaft, aber befreiend. Verantwortung für andere übernehmen - das ist ein weltumstürzender Wechsel der Perspektive. Man nennt ihn auch: Erwachsenwerden."

Sabine Rückert offenbart zuletzt in ihren Ausführungen einen kapitalen Wandel paulianischer Dimension. Sie meint beispielsweise:

"Eine Chefin und ein Chef sind Ihnen Kinder und Karriere schuldig. Eine Gesellschaft muss es Familien so einrichten, dass sie vor ständigen Zerreißproben geschützt sind. Ich glaube, es tut jedem Chef sehr gut, ein Kind zu haben. Einer Chefin noch mehr. Das Perspektivgespräch mit einer jungen Mitarbeiterin müsste so laufen: 'Ich bin schwanger.' Antwort: 'Wunderbar! Gratuliere! Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft bei uns vor'?"

Dem ist wenig bis gar nichts hinzuzufügen. Ich kam mir 2016 wie ein Putzerfisch vor, der die nüchternen Gedankengänge Sabine Rückerts polieren darf. Und ich habe seinerzeit bereits die Vermutung – oder besser Hoffnung – gehegt, dass ein Mensch, durch den ein anderer Mensch ins Leben kommt, z.B. Tötungs- oder Gewaltphantasien - und erst recht entsprechende Handlungen (wie sie jetzt in der Ukraine wieder als organisiertes Verbrechen zu beobachten sind) nur um den Preis des eigenen Verrückt-Werdens entfalten kann. Aber man macht es sich gewiss zu leicht, wenn man politische Akteure wie Hitler, Stalin oder Putin lediglich als Verrückte verstehen will.