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Schreiben ist Selbstermächtigung - wir begegnen uns wieder jenseits der virtuellen Welt, im wirklichen Leben

Gestern haben wir uns mit  a l t e n  Freunden* - Marisa und Peter - getroffen, zuerst in Winnigen in der alten Gutsschenke bei Stefan Pohl und dann - ganz unverhofft - bei Laura und Thomas; apropos alte Freunde*: Es ist schon einen Asbach-Uralt wert, wenn man auf mehr als 40 Jahre Freundschaft und Verbundenheit zurückblicken kann. Da darf man auch die Frage stellen: "Wie haben wir das eigentlich geschafft?" Wir sind erst gegen Mitternacht auseinandergegangen, bereichert und beglückt, dass man sich wieder unmittelbar begegnen kann. Mit Birthe - wir nennen sie liebevoll Ikea - ergab sich ein Gespräch, was uns gegenwärtig so umtreibt und beschäftigt. Im Nachgang ist sind mir folgende Gedanken und Anregungen eingefallen:

Ich beginne allerdings mit einem Zitat von Daniela Dröscher, um der Ermunterung zur autobiografischen Selbstermächtigung absoluten Vorrang einzuräumen:

"Dem autobiografischen Schreiben kann in dieser emanzipatorischen Subjektwerdung eine entscheidende Rolle zukommen. Der Konzeptkünstler Baron Brock fordert seit vielen Jahren eine 'Biografiepflicht'. 'Jeder ist ein Denkmal', skandiert er, nicht aber in dem Sinne, dass man im Schreiben beschönigende Denkmalpflege betreiben soll. Es geht ihm darum, im Rückblick auf das eigene Leben Orientierung für die Zukunft gewinnen zu können."

Guten Morgen, liebe Birte

im Nachgang zu unserem Gespräch gestern Abend hole ich einmal etwas weiter aus: In der letzten Ausgabe der ZEIT fiel mir eine Beilage in die Hände: das goethe - Untertitel: Generationen. Generativität und Ökologie (ich hatte das Interview mit Ulrich Beck aus 1994 in der Psychologie Heute erwähnt) können zentrale Sinnstifter in einer unübersichtlicher werdenden Welt sein - das behauptet zumindest der 2015 verstorbene Soziologe Ulrich Beck schon 1994).

Die von mir oben erwähnte schmale Beilage wird von den Herausgebern unter anderem folgendermaßen eingeleitet:

"Generationen, das ist ein schwer definierbarer Begriff. Er betrifft das ganz Private im familiären Leben, steht aber auch für die gesellschaftlichen Rollen von Jung und Alt - etwa wenn wir an den Klimawandel denken und den Erhalt einer lebenswerten Welt für die nächste Generation. In einer Zeit immer schnellerer Veränderungen ist das Verhältnis der Generationen zueinander wichtiger denn je; nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat uns das vor Augen geführt."

Ich stieß in diesem Heft auf einen kleinen Text von Elisabeth Wellershaus (Mutter Deutsche - Vater Afrikaner aus Äquatorialguinea): "Ferngespräche". In der redaktionellen Vorbemerkung wird der Text folgendermaßen vorgestellt: "Über wöchentliche Telefongespräche mit ihrem aus Äquatorialguinea stammenden Vater. Sie soll seine Biografie aufschreiben und erfährt auf diese Weise viel über ihn, seine Herkunft und damit auch über sich selbst." In diesem Text von Elisabeth Wellershaus findet sich folgende Passage:

"Mich interessierten die Ecken, Kanten und Brüche in seiner Geschichte. Doch verhalten ließ ich mich auf schillernde Erinnerungen an die 1960er- und 70er Jahre ein. Es stellte sich heraus, dass mein Vater nicht lange brauchte, um über die Partygeschichten von einst auch auf die komplizierten Erlebnisse im Exil zu kommen. Auf sein fragiles Verhältnis zu Europa, die Familie, die er in Jugendjahren zurückgelassen hatte, auf sein Lebensgefühl im Dazwischen. Bis heute sind wir dabei, Material zu sammeln, wenn wir uns sehen. Manches gibt er unumwunden preis, anderes muss ich aus ihm herauskitzeln... Die Schriftstellerin Daniela Dröscher hat in einem Essay sehr schön beschrieben: die Selbstermächtigung, die im Erzählen der eigenen Biografie liegt. Sie berichtet von der Wandlung ihrer Mutter, die sich im Gespräch über die Vergangenheit öffnete, sobald der neugierige Blick der Tochter mit dem der Journalistin und Schriftstellerin verschmolz - von der Basis, auf der Gespräche jenseits des Fernen entstehen können."

So kam ich dann also zu Daniela Dröscher (übrigens auch Trägerin der Koblenzer Literaturpreises)

Das Interview mit dem Deutschlandfunk: "Zeige deine Klasse - Das Gefühl ein Hochstapler zu sein" leitet sie mit dem Bekenntnis ein, dass sie lange nicht über ihre Biografie hatte sprechen wollen. Die Auseinandersetzung mit dem französischen Soziologen hat sie zu einer gänzlich gegenteiligen Haltung inspiriert. Das Buch "Zeige deine Klasse ist das Ergebnis dieses Wandels. Hier spricht sie offen "über ihre Herkunft aus kleinbürgerlichem Milieu und die damit verbundene Scham".

Beim Lesen dieses Interviews nahm ich relativ fassungslos diese auf sich selbst bezogene Schamschwelle wahr. Frank Meyer - Redakteur beim Deutschlandfunk Kultur nimmt diese zentrale Schamphantasie auf und meint "Zeige deine Klasse" sei ein "autobiografisches Buch über das Aufsteigerkind Daniela Dröscher - ein Buch auch über die Scham, die sie immer wieder empfunden hat, Scham über die Herkunft vom Dorf, über den eigenen Dialekt, die dicke Mutter, die Kleinbürgerlichkeit der Eltern".

Zunächst einmal muss ich zugeben, dass mich die Haltung Daniela Dröschers nicht nur irritiert hat, sonderen geradezu konsterniert zeigt. Nun bin ich selbst Jahrgang 1952 und weit weg von den Sozialisationserfahrungen einer 1977 in Bad Kreuznach aufgewachsenen Rheinland-Pfälzerin - und ich bin ein Mann. Aber im Gegensatz zu Daniela Dröscher bin ich kein Mittelschichtkind, sondern ein Unterschichtkind. Alle Merkmale und Attribute, die Daniela Dröscher zu ihrem familialen Hintergrund einfallen, weisen eine Nähe zu soziologisch definierten Mittelschichtkriterien auf, und sie deuten vor allem auf das Gegenteil zu einer als bildungsfern zu klassifizierenden Sozialisation hin. Wofür schämt sie sich also?

Sollte nun jemand auf die Frage kommen, welche Verbindungen ich hier herstelle, so sei schon vorweg und an dieser Stelle gesagt, dass es primär um den Aspekt des Schreibens als Selbstermächtigung geht. Erst indem wir das Wort nehmen, positionieren wir uns sozial, politisch, kulturell und wertespezifisch in dieser Welt. Die Schamschwelle ist - wie sich in der Auseinandersetzung mit Daniela Dröscher zeigt - nicht nur kontraproduktiv; sie kommt einer Selbstentmachtung und Selbstmarginalisierung gleich. Nicht Schichtzugehörigkeit, sondern der Zugang zu Bildung und die extensive Nutzung dieser Zugangsmöglichkeiten sind die entscheidenden Kriterien für eine Selbstverortung.

Daniela Dröschers Minderwertigkeitskomplex dreht sich um einen zentralen – aus ihrer Sicht mit Blick auf ihre eigene Biografie defizitären – Erfahrungshintergrund, den sie mit dem Begriff eines „dynastisch vererbten kulturellen Kapitals“ bezeichnet. Ihr Interviewpartner – Frank Meyer – konfrontiert sie zunächst einmal mit ihrer realen Kindheit als „behütetes westdeutsches Mittelklassekind“ und meint: „Da kann man sich jetzt  fragen, was ist eigentlich das Problem, oder was ist der Punkt, wo man sich dafür schämen kann“???

Dröscher antwortet, diese Scham habe tatsächlich erst eingesetzt mit dem Betreten der Universität, selbst da noch lange Zeit gar nicht:

„Die Welt der Literatur und Kultur, die hat mir irgendwann sehr deutlich vor Augen geführt, es gibt Menschen – die meisten Menschen in diesem Milieu kommen offensichtlich aus Familien, in denen Kultur ein großes Selbstverständnis hatte, also das dynastisch vererbte kulturelle Kapital, so nenne ich das.“

Was nun folgt ist eigentlich das historische Problem und Defizit einer Mittelklasse, die um Aufstieg bemüht ist, und die in keiner Weise bereit ist die gesellschaftliche Dimension ihrer Klassifizierung als Mittelschicht zu reflektieren. Einmal abgesehen davon, dass der Schichtenbegriff nicht mehr greift bzw. in sehr viel differenzierterer Weise entfaltet werden muss, sind die Aufsteigerphantasien (um jeden Preis) der Hemmschuh für eine politisch, sozial oder auch kulturell selbstbewusste Positionierung in einem dynamisch sich verändernden gesellschaftlichen Umfeld. Daniela Dröscher erklärt dies nolens volens folgendermaßen:

„Gelebte Kultur, das ist – ich glaube, man muss wirklich ganz stark differenzieren. Meine Eltern haben immer gelesen, die lieben Musik, die gehen auf Konzerte, das haben sie alles gemacht. Aber es war sozusagen, welche Räume betritt man mit welcher Selbstverständlichkeit? Oder wie – das ist ja eine Dimension, die mich im Buch eigentlich gleichberechtigt mit der Kultur interessiert –, wie nahe, wie greifbar ist Politik? Also das politische Engagement, überhaupt das Sprechen in der Öffentlichkeit, Diskurs führen, das war gefühltermaßen relativ weit weg. Das war tendenziell das Gefühl, es ist normal, dass man regiert wird. Dass man partizipiert – sonderbarer Gedanke."

So empfindet man sich als Hochstaplerin, wenn man Räume betritt, die denjenigen vorbehalten scheinen, die auf ein dynastisch vererbtes kulturelles Kapital zurückgreifen können. Bei Daniela Dröscher hat Didier Eribon dafür gesorgt, dass sie nun völlig anders agiert und den Imperativ der Selbstermächtigung wählt: „Zeige deine Klasse!“

Und immerhin: Frank Meyer stellt Daniela Dröscher folgende Frage:

"Man könnte ja das Ganze auch von einer anderen Seite angucken oder sich mal überlegen, es wäre ja auch die Haltung denkbar, ich bin stolz darauf, dass ich aufgestiegen bin. Ich bin auch stolz auf die Leute, die mir das ermöglicht haben, also mein Hintergrund, meine Familie, die Leute, die mich dabei begleitet haben. Und mit diesem Stolz stehe ich auch zu meiner Herkunft und zu meinen Leuten. Ist das für Sie eine ganz undenkbare Haltung?"

Daniela Dröscher scheint ein Stück weit verloren (gegangen) bei ihrer Metamorphose zu einem kleinen Rädchen im kulturell begründeten und dann auch vererbbaren Kapital. Auf die Frage Frank Meyers antwortet sie bescheiden und eher defensiv:

„Stolz, den verabschiede ich explizit als Kategorie im Buch. Aber Gelassenheit, also wirklich ein Sich-Bekennen und Wohlfühlen damit, mit diesen beiden Perspektiven durch die Welt zu laufen und womöglich auch vermitteln zu können oder übersetzen zu können oder sich eben in zwei verschiedenen Welten auszukennen. Inzwischen finde ich, das ist ein großes Geschenk, ich kann es sehr annehmen.“ Immerhin!

Ich füge an dieser Stelle zwei Gedichte ein, und empfehle Daniela Dröscher – da sie biografiebesessen ist – einmal die Auseinandersetzung mit der Biografie Gottfried Benns (oder meinetwegen auch mit der Biografie des Andernachers Charles Bukowski – da fällt mir noch ein anderer Andernacher ein: Karl Otto Hondrich - Liebe in Zeiten der Weltgesellschaft). Zumindest würde das ihre Phantasie von der familialen Dimension eines dynastisch vererbbaren kulturellen Kapitals deutlich relativieren können. Man muss halt was können. Und Daniela Dröscher kann immerhin so viel, dass sie jetzt Playerin ist - mittendrin im Kulturbetrieb - fast könnte man meinen: schade - aber immerhin, wie gesagt, hat sie sich doch ausgesöhnt mit den schrecklichen Defiziten ihrer Kindheit in der rheinland-pfälzischen Provinz. Vor dort aus grüße ich sie mit Dank für ihre Idee: Schreiben ist Selbstermächtigung! Zuletzt gewinnt sie eine Auffassung, die ich hier gerne wiedergeben möchte:

"Dem autobiografischen Schreiben kann in dieser emanzipatorischen Subjektwerdung eine entscheidende Rolle zukommen. Der Konzeptkünstler Baron Brock fordert seit vielen Jahren eine 'Biografiepflicht'. 'Jeder ist ein Denkmal', skandiert er, nicht aber in dem Sinne, dass man im Schreiben beschönigende Denkmalpflege betreiben soll. Es geht ihm darum, im Rückblick auf das eigene Leben Orientierung für die Zukunft gewinnen zu können."

Dem mag ich hier - außer den beiden folgenden Gedichten - nichts hinzufügen außer der Ermunterung, die Kraft der Einsicht und die Kraft der Zuversicht zu nutzen.

Mit meinem Großvater (Jahrgang 1896) verbindet mich eine besondere Beziehung. Er, Soldat im Ersten Weltkrieg, hat mir gegenüber - genau so wie mein Vater - immer eine wohlwollende, wertschätzende, liebevolle Haltung gelebt. Er war als städtischer Arbeiter unter anderem viele Jahre Totengräber und Klärwärter. Mein Vater (Jahrgang 1922) hat - ohne abgeschlossene Berufsausbildung - Karriere im Bad Neuenahrer Spielcasino gemacht - eingedenk der Tatsache, dass die Arbeitsbedingungen dort in den fünfziger und sechziger Jahren ganz gewiss ihren Beitrag zu seinem frühen Tod geleistet haben.

 

Was ich auch von meinem Ahnen genommen habe

Hommage I an meinen Großvater Josef Lahnstein

Aus dem Ofen in den Laden,
und von dort auf unsern Tisch
große, kleine Fladen,
neben Wurst ein wenig Fisch.
Mit der Hand in meinen Mund,
eingeschleimt, zerkaut dann in den Schlund,
hinein in jenen Magen,
der nunmehr hat das Sagen:
Durchsäftet, angedaut
wandert dann der Brei
durch Dick und Dünn
- nein eher umgekehrt -
bevor er wurstet sich von dort
hinein in jenen Ort,
der heute
- komfortabel -
mittels Wasserspülung
alle Reste von dem Feste
schwemmt durch dunkelste Kanäle
fort!

Fort
in jene düstren Hallen,
wo einst mein Ahn
die Last von allen saubren Leuten nahm.
Klärwerk heißt der Ort,
an dem ich kam
vom Ahnen hin zum Wort,
dem ich fortan huldigte.

So dank ich ihm,
dem Ahn,
der mich beseelte,
in mir als Kind das Licht erweckte,
mit dessen Kraft
ich fortan Wort für Wort
und auch die Welt entdeckte.

Orte 

Hommage II an meinen Großvater Josef Lahnstein

 

Ich heiße Josef (neben Franz),
und ich bin der Enkel
einer deutschen Eiche:
Josef -
stark und breit,
sanft und gewogen,
leicht gebeugt - ein Kraftwerk.

In Deinem Haus -
keine Bilder, keine Bücher,
„da hingen keine Gainsbouroughs“;
der „Volksempfänger“ bis zuletzt!
Und doch:
Jede Sekunde gelebten Lebens
respektvoll:
Du trugst uns (Enkel)Kinder auf Händen
- alle!

Und herausgeschnitzt
(auch diese) Linie(n)
- erzählten Lebens:
Der Eigensinn, die Unvernunft
- da spürte schon mal ein brauner Uniformträger,
wie rotes Blut und brauner Boden schmeckt!

Nein!
Über Politik und Geschichte wurde wenig gesprochen.
Masuren 1914 -
steckte in Deiner Seele,
und
- Eisen - als lebenslange Depotgabe
in Deinem Körper.

Warst kein Schweijk,
und kein Jünger der Stahlgewitter.

Merkwürdig konstruierte Intuition,
assimilierte Facetten jiddischer „Kultur“

- Ja, ja!

Gelernt hast Du das Schächten
(dein Werkzeug liegt jetzt in meinen Händen).
Metzger wolltest du werden -
und warst früh schon geschätzter Experte,
wenn es die Gottschalks,
die Oppenheimers,
die Wolffs
und Lichtendorffs
koscher haben wollten.

Merkwürdige Synchronizität:
Die Mischpoke ist Dir abhanden gekommen
– wusstest Du jemals wie?

Alles Millionäre in Amerika!?
Und Du?
Ohne Profession!
Verlust bei Verlust.
Stiller Gewinner die Stadt:
Zumal die untersten Chargen
- die städtischen Arbeitskolonnen -
besetzt mit Spitzenkräften.

Für mich warst du
der immer schon alte, starke Mann:
Im Schiefer der Weinberge;
als Führer zu den mythischen Orten der Kindheit,
wo die Maiglöckchen (noch heute) blühen.
In den lehmigen Gruben,
stiller Bereiter der letzten Wege,
(wo selbst Du deine Grenzen erfuhrst,
wenn jemand im Tod noch auf Wanderschaft musste).

Dann wieder ein Ort,
wo die Fontänen des Lebens sprühn!
Lebendige Kindheit -
Salz und Sonne auf unserer Haut!

Geheimnisvoll aber,
mythisch,
dionysisch
und gewaltig jener Ort.
Die Hallen,
in denen
Anfang und Ende zusammenfließen:

Wir lebten am Rande,
der letzten Bastion zivilisierten Lebens.
Von dort 3000 Meter
wildes Land:
Zuerst die Abraumhalden der Stadt
- Schutt.

In der anderen Welt,
jenseits der Ahr,
gesäumt von Alleen immer blühender Kastanien
die in den Hades übergehenden Prozessionen,
wo Staub kommt zu Staub.

Auf unserer Seite die Niederungen,
Sumpf- und Schwemmgebiet,
worin sich alle Urgewalt verläuft:

Hier duckt sich der Ort,
hinter Haselnüssen und Hainbuchen,
ein Bunker,
flach
und bestimmt von Diagonalen
- sanft ansteigende Schrägen.

Zuerst lockt eine Stube,
verwinkelter, tetraedischer Kubus,
kristalliner Raum einer ganzen Welt:
Der Körper spürt wohlige Ewigkeitswärme
- fossiles Urfeuer im Kanonenrohr;
die Augen gehen über.

Im Restlicht erscheint das Panoptikum (D)einer Zeit:
An den Wänden das illustrierte Feuerwerk
der formierten Gesellschaft:
Beauties und Katastrophen,
Abziehbilder medial markierten Raums.

Ein fernes, geheimnisvolles Rauschen liegt über Allem.
Dünn und vernehmlich,
bedrohlich,
aber (noch) gebannt
im Kreis der alten Männer:

Schwerer Moschus aus Tabak,
Manschester -
sinfonische Höhepunkte,
wenn Bohnen und Speck,
Schweinebraten und Kohl,
Wirsing und Gulasch Geruchsnischen besetzen,
wie Flaschengeister jenem Kessel entsteigen,
der die Kleinode unserer Küche bewahrt;
und doch nichts als Irrlichter im olfaktorischen Inferno.

Von Zeit zu Zeit
- in der rush hour kollektiver Biorhythmen alle Stunde -
verläßt Du die Stube.
Dann ergreife ich Deine Hand
selig geborgen,
gerade genug,
um standzuhalten,
denn wir treten ein in den Bannkreis der düsteren Hallen,
anschwellendes Rauschen,
noch wie fernes Trommelfeuer vor dem Sturm.
Welche Schätze lagern hinter metallenen Toren
an des Wächters Hand -
vor dem Allerheiligsten?