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Hildes Geschichte - Franz nimmt Hilde zur Frau

Franz hatte die Pension erreicht, blickte sich kurz nach Hilde um, betrat dann das kleine Foyer und ermunterte Hilde – nachdem er sich des freien, unbehelligten Zugangs versichert hatte – ihm zu folgen. In dem Augenblick als Hilde aus der gleißenden Mittagssonne in den dunklen Vorraum trat, schlug ihr das Herz zum Halse heraus. Behände und eilig durchquerte sie das Foyer und folgte Franz über die Treppe zum 1. Obergeschoss. Die Tür zu Zimmer 4 stand schon offen, und Hilde zog sie ein wenig erleichtert hinter sich zu.

Unvermittelt schoss ihr das Wasser in die Augen und zwischen Erleichterung und Bangen mischten sich Tränen der Angst mit Freudentränen und erst als Franz sie in seine Arme schloss, beruhigte sich Hilde ein wenig. Sie sah Franz an: „Wo hast du denn deine Brille?“ Mir ist schon am Bahnhof aufgefallen, dass du keine Brille trägst!“ „Ich muss sie nicht mehr tragen, meine Augen sollen sich wieder an die Welt gewöhnen“, antwortete Franz lachend: „Du kannst mir in die Augen schauen. Ich glaube, ohne dich wäre ich schon eine Woche früher auf dem Weg zur Front gewesen. Ich habe da ein wenig nachgeholfen, weißt du!“, sagte er grinsend.

Er setzte Hilde auf den Stuhl neben dem Nachtschränkchen und wandte sich dem kleinen Tisch gegenüber dem Bett zu. Erst jetzt sah Hilde auf dem Tisch eine kleine, vorbereitete Brotzeit, wie sie es von Franz schon kannte. „Es ist schon nach eins“, wies Franz auf seine Uhr. „Hast du heute überhaupt schon etwas gegessen?“, wandte er sich fürsorglich Hilde zu. „Nein, ich konnte gestern schon nichts mehr essen“, antwortete Hilde, „mir ist ein wenig schwindelig vor lauter Aufregung – und überhaupt hab ich gar keinen Appetit.“ „Also jetzt wird zuerst einmal etwas gegessen, sonst fällst du mir ja noch vom Stuhl und du musst hier in diesem Bett bleiben.“ Hilde wechselte die Farbe, wurde bleich und Franz bemerkte sofort, dass er da etwas Dummes gesagt hatte. „Ach Schmarrn“, beschwichtigte er, indem er – wie gewohnt – einige Scheiben von einem Laib Brot abschnitt, Käse in kleine Portionen teilte und auf die Tomaten wies, die er heute Morgen in Remagen in der Nähe des Bahnhofs noch gekauft hatte. „Das wird dir gut tun und dafür sorgen, dass du wieder ein Mensch wirst“. Er zog den Korken von einer Flasche Rotwein, die noch zu ¾ gefüllt war. Er schenkte ein Zahnputzglas voll, das er vom Waschtisch genommen hatte, probierte einen Schluck und meinte: „Verteufelt gut, der Spätburgunder von der Ahr. Aber bevor du etwas trinkst, musst du etwas essen“. Hildes anfängliche Verkrampfung löste sich langsam und – schon fast vergnügt sah sie Franz bei der Vorbereitung der kleinen Brotzeit zu. Sie mochte es, wie er mit dem Messer das Brot teilte, den Käse portionierte und den Eindruck vermittelte, ein Festmahl warte auf sie. Diese Selbstverständlichkeit im Alltäglichen, die fürsorgliche Haltung imponierten ihr, und ihr Vertrauen in das Tun und die Routine seiner Handlungen wuchs nahezu ins Grenzenlose.

Zum ersten Mal seit Tagen biss sie mit Lust herzhaft in das kräftige Roggenbrot, nahm ein Stück Käse und bat Franz die Tomaten zu vierteln. Selbst eine Serviette hatte er bereit gelegt, die der kleinen Brotzeit tatsächlich einen feierlichen Anschein verlieh. Jetzt trank Hilde sogar einen Schluck des lieblichen Rotweins.

Franz sah sie ernst an und sagte dann in ebenso ernstem Ton: „Hilde, wo hast du deine Fahrkarte?“ Hilde kramte in ihrer Tasche und zog die Fahrkarte heraus und legte sie auf den Tisch. „Die brauchst du heute Abend. Mein Zug fährt um 19.14 Uhr ab. Dein Zug nach Neuenahr geht um 18.27 Uhr ab Remagen. Jetzt ist es 14.30 Uhr und wir werden das Zimmer gegen 18.00 Uhr verlassen. Wir gehen gemeinsam zum Bahnhof, dann gehst du auf Bahnsteig 2 und steigst ein. Der Zug steht schon bereit. Ich werde nicht mit auf den Bahnsteig gehen, aber ich werde zurückkommen, in meinem nächsten Urlaub. Und ich werde dir schreiben. Du überlegst bitte, an welche Adresse ich schreiben soll. Du hast meine Feldpostnummer. Es dauert immer drei bis vier Wochen, manchmal auch noch länger bis die Post zu uns nach vorne kommt“. Franz ging auf Hilde zu, zog sie nah an sich heran und gab ihr einen ersten Kuss. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände, küsste sie auf Stirn, Nase und Lippen, schob sie ein wenig von sich weg, schüttelte den Kopf und sagte mit einem sanften zurückhaltenden Lächeln: „Mädchen, weißt du eigentlich, wie schön du bist. Bei uns zu Hause sagt man dazu, der liebe Gott hat eine Träne geweint, wenn so viel Anmut und Schönheit zusammenkommen.“ Auch jetzt noch errötete Hilde, die überhaupt kein Verständnis für ein solches Gerede hatte und die noch viel weniger glauben mochte, dass dies irgendetwas mit ihr zu tun haben sollte. Aber Franz sagte all dies auf eine so merkwürdige Weise, einem Tonfall und einer Färbung in der Stimme, dass all dies wie eine selbstverständliche und in keinster Weise anzweifelbare Offenbarung daher kam. So blieb Hilde nur, ihr Erröten durch ein verlegenes Lächeln zu unterstreichen.

Franz streichelte Hilde zart über Wangen und Haar, berührte mit seinen Lippen immer wieder alle möglichen und unmöglichen Winkel ihres Gesichts. Als er mit seiner Zunge ihre Ohrmuschel streifte und das Ohrläppchen zwischen seinen Lippen liebkoste und dann mit der Zunge hinter ihr Ohr kam, durchfuhr es Hilde wie ein sanfter Stromschlag; ihr ganzer Körper begann zu kribbeln und wieder spürte sie das zarte Beben, das ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen drohte.

Franz streifte seiner Hilde die Jacke ab und löste die Damenkrawatte so geschickt und beiläufig, dass der Eindruck entstand, dass Franz all dies nicht zum ersten Mal und auch nicht zum zweiten Mal machte. Aber solche Gedanken verloren sich in den entfernten Regionen einer Wahrnehmung, in deren Fokus nichts anderes als eine alles und jedes erfassende wohlige bis erregende Konvulsion angenehmer und wellenförmig daherkommender Sinnesturbulenzen rückte.

Franz öffnete den obersten Knopf an Hildes Bluse und lachte sie mit seinem offenen, unwiderstehlichen Gewinnerlachen an. Es gelang ihm, durch Behutsamkeit und die Langsamkeit jemandes, der über alle Zeit dieser Welt gebot, Millimeter für Millimeter Hildes Vertrauen zu gewinnen; ein Vertrauen, dass zum ersten Mal die massiven Einkrümmungen in ein Leben der Schuld und der Scham antastete und die Barrieren einer über alle Gebühr verinnerlichten Keuschheit ins Wanken brachte. Franz gab Hilde das Gefühl, ihm gegenüber keine Scham empfinden zu müssen.

Und die Mutter mit ihrer erbarmungswürdigen Gottesfurcht war für Stunden aus dem Erleben und Erinnern Hildes gewichen. Der zweite und der dritte und alle folgenden Knöpfe an Hildes Bluse öffneten den Raum zu einer fremden Welt, die bislang noch nie in das Bewusstsein einer nun erwachenden Frau eingedrungen war. Wie konnte sie es zulassen, dass Franz sie dort berührte, wo die Keuschheit ihr selbst Zurückhaltung gebot? Aber Hilde fand einen Weg, ihre Scham nicht übermächtig werden zu lassen. Je näher sie sich an Franz drängte, umso größer wurde ihr Gefühl der Geborgenheit, mehr noch der Sicherheit, als könne ihr in den Armen von Franz nichts Böses widerfahren. So ließ sie sich in seinen Armen fallen. Und Franz gab ihr alle Zeit der Welt, streichelte und liebkoste sein Mädchen. Er führte sie langsam, langsam, langsam zu dem breiten Bett, das längsseits, gegenüber des Doppelfensters stand. Hilde hatte ihre Brust gewickelt, so wie die Mutter es ihr beigebracht hatte. Ohne jemals mit Mutter darüber zu reden, hatte Hilde eine leibfeindliche Erziehung, nur durch Gesten und Unterlassung bekräftigt, tief in sich aufgenommen. Der Körper war ein Arbeitsgerät und zu Hause hatte immer schon Hilde mit Vater alle Männerarbeiten erledigt. Und so war es selbstverständlich, alle Attribute des Weiblichen zu verbergen. Sie kannte nichts anderes als das Brusttuch aus Leinen, um die zu ihrer großen Enttäuschung sich üppig entfaltende Weiblichkeit einzudämmen. Dass Franz angesichts der straffen und dennoch üppigen Brüste auf die Knie sank und seine Entzückung in Hildes Schoß verbarg, erschloss sich Hilde nicht im Geringsten. Zum ersten Mal lachte Hilde verschämt und ließ zögerlich eine milde Umkehrung des Kräfteverhältnisses zu. Sie verstand selbst nicht, warum mit Franz die Lähmung von ihr abfiel, warum sie seine Liebkosungen nahezu vorbehaltlos zuerst geschehen ließ und dann immer wieder seine Nähe einforderte, wie in einem Schmelztiegel. Es war warm an diesem 9. September 1941 und die Uhr mochte wohl unterdessen gegen 15 Uhr gehen, als Franz und Hilde auf das Bett zurücksanken. Spätestens jetzt wäre die Hilde von vor knapp vier Wochen aufgesprungen und hätte entsetzt das Weite gesucht. Und Franz spürte die Angst, die erneut von Hilde Besitz ergriff. „Mein Hildchen, es ist alles gut, alles ist richtig, nie war diese Welt besser als jetzt – hab Vertrauen, ich tue dir nicht weh!“ Franz hielt Hilde lange Zeit fest in seinen Armen, bevor er behutsam und langsam in sein Mädchen eindrang. Es ging sehr viel leichter und sanfter als Franz es selbst erwartet hatte. Aber Hilde hatte sich in den vergangenen 1 ½ Stunden so sehr geöffnet und in Franz ergeben, dass Schmerz und Lust für sie gleichermaßen in dieser ersehnten Verschmelzung aufgingen.

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